Man kann widerständig im Kleinen sein

Birgit Köhler präsentiert die Geschichte der Bremer Swingkids im Nationalsozialismus als Taschenbuch. Sie erzählt, was sie selbst mit Swing verbindet und was sich aus der Vergangenheit lernen lässt.

Von Daniela Krause

25 Jahre lang lagen ihre Interviews mit ehemaligen Bremer Swingkids, die sie für ihre Magisterarbeit geführt hatte, in der Schublade. Im September feierte die Journalistin und Historikerin Birgit Köhler mit ihrem Roman „Swinging Bremen – Jazzgrooves bei Luftalarm“ Buchpremiere. Die fiktive Geschichte spielt zur Zeit des Nationalsozialismus und beleuchtet den Alltag der Jugendlichen, die lieber Swing tanzen und Spaß haben wollten als im Gleichschritt zu marschieren.

Frau Köhler, wann haben Sie gespürt, dass die Aufzeichnungen für Ihre Magisterarbeit eigentlich Geschichten sind, die erzählt werden möchten?

Birgit Köhler: Tatsächlich hatte ich direkt nach dem Abschluss der Magisterarbeit das Gefühl: Da steckt mehr drin. Dann bin ich jahrelang darüber hinweggekommen und habe dann in der Corona-Zeit beim „National Novel Writing Month“ mitgemacht, einer verrückten Challenge, bei der Menschen weltweit in 30 Tagen 50.000 Wörter schreiben. Zuerst hatte ich keine Idee, was ich schreiben wollte. Es entwickelte sich eine Geschichte, die bislang nur in der Schublade existent ist. Während ich schrieb, merkte ich: Da ist noch eine andere Geschichte in mir drin – und das waren die Anekdoten, die mir meine Interviewpartner erzählt hatten. Die wollten raus!

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Haben Sie diese dann gleich aufgeschrieben?

So spontan nicht, aber ich habe mir vorgenommen: Im Jahr darauf plane ich das Ganze und schreibe meine Swingkids-Geschichte. Zunächst habe ich mich in die alten Sachen wieder eingelesen – das war ja 25 Jahre her. Dann habe ich angefangen nachzurecherchieren. Das kann man heute viel besser als 1997. Am heimischen PC kann man eine Menge herauskriegen: Wann welcher Bunker gebaut wurde, welches Wetter an welchem Tag im Jahr 1942 herrschte… Ein knappes Jahr habe ich in die Vorbereitungen gesteckt. Den November 2022, also den „Novel Writing Month“, habe ich genutzt, um das Rohmanuskript zu schreiben. Danach habe ich es etwa einem Dutzend Testleser gegeben – der Familie, Freunden, Bekannten. Mein Sohn hat mir Tipps gegeben, weil ich wollte, dass auch Jüngere das Buch lesen. Ich habe Historiker, Sachbuchautoren und Journalistenkollegen gefragt, die mir ebenfalls wertvolle Hinweise lieferten, die ich in die Geschichte einbauen konnte. Es ist ein ganzes Stück Arbeit gewesen.

Sie haben feststellen müssen, dass viele der Interviewpartner und somit Zeitzeugen nicht mehr gelebt haben.

Kein einziger. Fast jedes Mal, wenn ich die Todesanzeigen in der Zeitung aufschlug, war wieder jemand gestorben, dessen Name mir etwas sagte. Das war leider so. Ich konnte diese Personen nicht mehr fragen, also habe ich die Geschichten so genommen, wie sie mir erzählt worden waren. Wenn es Lücken gab oder etwas, das mir nicht ganz logisch erschien, habe ich meine schriftstellerische Freiheit genutzt und es so umgebaut, dass es hinkam. Mein Roman basiert zwar auf Zeitzeugenberichten, aber er ist fiktiv. Ich hatte fast alle Freiheiten. Mein Anspruch war, dass es historisch korrekt ist; die Charaktereigenschaften der Figuren habe ich größtenteils dazu erfunden.

Ein Porträt der Roman-Autorin Birgit Köhler.

Die Historikerin und Journalistin Birgit Köhler hat ihre Wahlheimat Bremen durch die Recherchen für ihren Roman neu kennengelernt. Foto: Rike Oehlerking

Ja, ich habe ein paar echte Namen genommen, zum Beispiel den Direktor des Alten Gymnasiums oder die Direktorin der Kleinen Helle, genauso den damaligen NS-Bürgermeister Heinrich Böhmcker. Ich habe geschaut, was überliefert wurde, weiß eben nur nicht, ob diese Personen sich damals genau so verhalten haben.

Es kommen Originalgebäude in der Geschichte vor, darunter die alten Bunker…

Das mit den Bunkern war eine schwierige Sache. Bis auf wenige Bunker gibt es keine Aufzeichnungen, wann sie erbaut wurden, auch nicht in den Zeitungen der damaligen Zeit. Der erste Bunker wurde noch groß gefeiert. Vom Tiefbunker an der Domsheide hängt ein Gemälde in der Kunsthalle Bremen – da kann man es auch ziemlich genau sagen. Aber alle anderen, zum Beispiel die heutigen „Musikbunker“ im Bürgerpark, da habe ich beim besten Willen nicht rausgekriegt, wann genau sie gebaut wurden. Wahrscheinlich sind sie im Laufe des Jahres 1941 in Betrieb genommen worden. Hier habe ich mir die Freiheit genommen, zu sagen: Es ist im Jahr 41 schon möglich, dort zu sein. So kann man das Buch auch ein bisschen als Reiseführer für ein altes Bremen nehmen und schauen, welche Anknüpfungspunkte wir heute haben. Die Bunker im Bürgerpark sind sehr markant, und man kann sich vielleicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, da drin zu sitzen, während draußen so ein bisschen die Welt untergeht.

Ist es schwer für Sie gewesen, sich in eine Zeit hineinzuversetzen, die Sie selbst nicht miterlebt haben?

Das war ein Reinwachsen. Am Anfang war es etwas schwieriger. Mittlerweile kann ich gar nicht anders als durch Bremen zu gehen und zu denken: „Ach, guck mal an…“ Das Viertel zum Beispiel habe ich ausgespart im Roman, weil ich mich dort nicht so gut auskenne. Also habe ich Schwachhausen genommen, weil das der Stadtteil ist, in dem ich mich recht gut auskenne und in den ich mich am ehesten hineinfühlen kann.

Ein junger Mann in Swing-Kleidung spielt Gitarre.

Die Swingkids einte die Liebe zu Swing-Musik und Tanz. Foto: Rudolf Engeln

Welcher Gedanke aus Ihrem Buch steht für Sie im Fokus beziehungsweise welche Botschaft möchten Sie transportieren?

Mir war es wichtig, zu zeigen: Es gab auch noch etwas anderes als die herkömmliche Geschichtsschreibung und der Geschichtsunterricht in der Schule uns beibringt. Es gab nicht nur Braunhemden und Widerstand wie die Weiße Rose , sondern auch Unangepasstheit von Menschen, die keinen politischen Anspruch an sich hatten, die aber politisiert wurden – durch ihr Tun, ihren Habitus, die Musik, die sie gerne hörten und durch ihr Anderssein. Ich wusste von Hamburg, wo ich Anfang der 90er-Jahre das erste Mal über das Thema gestolpert bin, dass es dort durchaus gefährlich war, ein „Swing-Heini“ zu sein.

Die Leute wurden verfolgt, sind zum Teil im KZ gelandet.

So schlimm war es für die Bremer „Swing-Heinis“ nicht, was aber ihr Risikobewusstsein nicht minderte. Sie wussten genau, was den Hamburgern passiert ist, das sprach sich rum und stand auch in der Zeitung. Jeder wusste auch, dass auf Rundfunkverbrechen (das Hören von ausländischen Radiosendern) die Todesstrafe stand – auch wenn es nicht so häufig durchgesetzt wurde. Man kannte das Risiko. Man konnte dennoch widerständig im Kleinen sein. Man musste sich nicht anpassen. Man konnte im Kleinen seine Persönlichkeit bewahren und das, was man gerne mochte, auch wenn es riskant war.

Welche Aspekte der Bremer Swingkids fanden Sie denn besonders interessant?

Das, was man in Hamburg findet an Verhaltensweisen, findet man in Bremen im Kleinen. Die Szene in Bremen war viel kleiner, es gab weniger Lokale. Aber genauso wie in Hamburg waren die Bremer extrem pfiffig, wenn es darum ging, ihre Schallplatten zu besorgen oder in die Tanzlokale reinzukommen, obwohl sie unter 21 waren und da eigentlich abends nicht mehr hätten sein dürfen. Ich fand es sehr faszinierend, wie diese damals jungen Menschen, die ich als alte erlebt habe, mir spitzbübisch erzählt haben: „Wenn die Hitlerjugend kam, dann ging ein Pfiff durch die Gegend.“ Oder: „Die Toilettenfrau hat mich zurückgehalten, und dann wussten wir Bescheid und sind in den Keller…“

Wenn sie erwischt wurden, gab es Konsequenzen. Inwiefern haben die Erlebnisse von Zeitzeugen an dieser Stelle Ihre Erzählung beeinflusst?

Einiges ist tatsächlich so passiert, zum Beispiel, dass ihnen die langen Haare mit einem Fahrtenmesser geschoren wurden. Oder auch, dass sie über Nacht ins Gefängnis gesteckt wurden. Aber weniger, weil sie Swingkids waren, sondern aufgrund des Alters, da sie noch zu jung fürs Tanzlokal waren.

Eine Gruppe von Jugendlichen sitzt in Badekleidung auf einer Decke im Grünen.

Sie wollten ihre Jugend genießen und Spaß haben – inmitten des Zweiten Weltkrieges. Foto: Günther Ahrndts

Die Geschichte handelt nicht nur vom Widerstand und der Verfolgung der Swingkids, sondern auch von der ersten Liebe, die sich zwischen Johnny und Hetty entfaltet. Welche Bedeutung bekommt diese Romanze in so einem historischen Kontext?

Ich glaube, es zeigt, dass das Leben auch normal war. Den Menschen sind die Bomben um die Ohren geflogen, dennoch haben sie versucht, ihre normale Jugend zu leben – und dazu gehörte natürlich auch, sich zu verlieben, schüchtern im Kino Händchen zu halten und all diese Dinge. Und auch Keilereien unter Jugendlichen spielten eine Rolle.

Ich muss da an die Szene mit dem Bootsausflug denken, bei dem die Swingkids von den Nazi-Jugendlichen drangsaliert werden und Lulu sie daraufhin beherzt mit Äpfeln bewirft…

Das war der Moment, in dem ich gemerkt habe, dass meine Figuren ein Eigenleben führen. Mir war von einer solchen Ruderboot-Tour berichtet worden und dass es dort Keile mit der HJ gab. Soweit die Fakten. Ich hatte in der Geschichte schon vorher eine Keilerei mit den Nazis drin gehabt, die nicht so gut ausging. Das kannst du nicht wieder bringen, wäre ja langweilig, dachte ich. Und dann hat Lulu in meinem Kopf einfach angefangen zu handeln. Und ich finde, es ist für einen Schriftsteller das Tollste, wenn die eigenen Figuren etwas entscheiden, ohne dich vorher gefragt zu haben. Die machen das einfach. Hinterher stehst du daneben und denkst: „Oh, das war aber ein cooler Einfall!“ Ich finde diese Szene auch köstlich!

Gibt es denn eine Figur aus Ihrem Roman, mit der Sie sich am ehesten identifizieren können?

Ich glaube, das ist tatsächlich Johnny. Vor allem, wenn man sich anschaut, welche Entwicklung sein Charakter nimmt: Anfangs ist er fast schüchtern, zurückhaltend und eher so ein Mitläufer beim Swing. Er mag das zwar, aber er hat noch nicht so recht den Mut, gegen seine Eltern zu rebellieren oder gegen das System. Er wächst da rein. Im Kontrast dazu: Sein Freund Werner ist am Anfang extrem frech und ein bisschen großkotzig. Und das hat man ja öfter bei Freundschaften, dass man, wenn man eher schüchtern ist, sich an jemanden hält, der für einen die Kastanien aus dem Feuer holt. Und Johnny und Werner waren ein Duo – das passte irgendwie. Aber mein Herz schlug immer mehr für Johnny und seine Charakterentwicklung.

Ein Gruppenfoto mit jungen Männern in Swing-Kleidung.

Swingkids waren an der typischen Kleidung und oft auch ihren Hüten zu erkennen. Foto: Hanno Walter

Beide Jugendlichen eint die Liebe zum Swing. In Ihrem Buch findet man sogar eine passende Playlist. Welche Künstler oder Stücke waren es, die Sie beim Schreiben inspiriert haben?

Es waren gar nicht so sehr Glenn Miller oder Benny Goodman, also Leute, die man mit dieser Zeit zuerst verbindet, wenn man es oberflächlich betrachtet. Ich bin schnell über den Klarinettisten Artie Shaw gestolpert, den ich erst gar nicht so auf dem Schirm hatte, und habe dann gemerkt, dass ich den mit am coolsten fand. Bei der Suche nach passenden Stücken war YouTube eine Schatzkiste. Man findet nicht nur Musik, sondern auch schöne Bilder und Filmausschnitte. Es gibt im Buch diese Kino-Szene, in der sie den Film mit Artie Shaw und Lana Turner gucken.

Eine Szene hat mich am Schreibtisch tanzen lassen.

Da wusste ich: Das muss ich reinbringen. Ich wusste zwar nicht, ob der Film damals tatsächlich im Bremer Kino lief. Aber er passt in die Zeit, und deshalb mussten meine Protagonisten den sehen. Ganz klar. Und sie mussten von Artie Shaw genauso fasziniert sein – einfach, weil ich es war. Das war für mich eine echte Entdeckung.

Jetzt haben Sie schon einige Lesungen hinter sich und gemerkt, wie sehr Ihr Werk bei den Menschen Erinnerungen weckt. Welche Gespräche sind hängen geblieben? Was hat Sie überrascht oder bewegt?

Ganz oft habe ich gehört: „Dass es sowas gegeben hat, kann ich mir ja gar nicht vorstellen.“ Das ist komplett aus unserem kollektiven Bewusstsein rausgefallen, wie der Alltag der Menschen damals ausgesehen hat. Dass es auch Tanzlokale gab, zu denen man hingegangen ist. In den Gesprächen vermischte sich Nachkriegszeit und Vorkriegszeit ganz viel. Elvis in Bremerhaven spielte plötzlich eine Rolle. Scheinbar habe ich da etwas zum Klingen gebracht. Die Leute waren dann gedanklich auf einmal in den 40er- und 50er-Jahren bei Musik und Tanz – da waren ganz viele Erinnerungen, an die sie gar nicht mehr gedacht hatten.

Sie möchten mit Ihrem Buch eine Brücke zwischen den Generationen schlagen und auch Jüngere zum Lesen animieren. Warum sollte Ihr Buch Einzug in den Schulunterricht halten?

Weil ich möchte, dass dieses alte Bild, das durch den Geschichtsunterricht vermittelt wird, aufgebrochen wird. Wer von uns kann sich ernsthaft mit einer Sophie Scholl identifizieren, die verdammt mutig war? Das mit den Flugblättern, das hätte sich doch keiner getraut. Auf der anderen Seite will keiner bei den Braunhemden mitmarschieren – oder vielleicht einige heutzutage leider doch wieder. Das finde ich ganz gefährlich, wenn sich das politische Bewusstsein derart verschiebt und es heißt: „War doch gar nicht so schlimm.“

Doch, es war verdammt noch mal ganz schlimm – und es hatte Folgen für jeden Menschen.

Wenn du die „falsche“ Musik gehört hast oder die falsche Haarlänge hattest, das konnte lebensgefährlich für dich werden, so wie es heute lebensgefährlich sein kann, in Sachsen oder Thüringen die „falsche“ Hautfarbe zu haben. Bezüglich des Widerstandes, und das war mir wichtig zu vermitteln, braucht es nicht unbedingt Heldengestalten wie die Geschwister Scholl oder Cato Bontjes van Beek , zu denen man aufschaut. Es gibt auch den Widerstand im Kleinen, für den man nicht so viel Mut aufbringen muss. Man muss sich aber bewusst sein, dass es Alternativen gibt.

Gruppenfoto von Swingkids neben dem Weihnachtsbaum.

Weihnachten war ein schöner Anlass, um sich so richtig in Schale zu werfen. Foto: Rudolf Engeln

Inwiefern sehen Sie Parallelen zwischen den Swingkids und den heutigen Jugendlichen?

Ich habe manchmal gedacht, diese Swing-Jugendlichen waren die Punks ihrer damaligen Zeit. Die haben sich identifiziert über ihre Kleidung, ihre Musik, hatten einen eigenen Sprachcode, waren gegen das Establishment und wollten einfach nur in Ruhe gelassen werden. Als ich das mit meinem Sohn diskutiert habe, meinte er: „Ja, eigentlich ist das doch genauso wie immer: Auch die heutigen Jugendlichen wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden.“ Es gibt einen Dresscode, den wir Erwachsenen oft auch gar nicht verstehen. Im Prinzip hat jede Jugend, egal in welcher Zeit sie aufwächst, das Gefühl und das Bedürfnis eine Peergroup zu gründen, sich darin wohlzufühlen und sich von den anderen abzugrenzen. Dazu gehört Musik, die Kleidung, die Haare, die Sprache… Das äußerte sich damals nur ein bisschen anders. Aber im Grunde waren die Swingkids nicht anders als die Jugendlichen heute, die sich, glaube ich, ganz gut in der Geschichte wiederfinden.

Was können wir aus der Geschichte lernen, insbesondere in Bezug auf die Herausforderungen, vor der unsere Gesellschaft heute steht?

Es ist immer die Frage: Wiederholt sich Geschichte oder wiederholt sie sich nicht? Auf alle Fälle ähneln sich manche Grundbedingungen. Und wenn sich Voraussetzungen ähneln und wir wissen, in welche Katastrophe das damals geführt hat, dann sollten wir alles daransetzen, dass sich dieser Fehler eben nicht wiederholt. Wir sehen es gerade in den USA: Ein Wahlerfolg, der dazu führt, dass sich der Gewinner alles unter den Nagel reißen kann. Hitler hat es nicht anders gemacht: Er hat innerhalb von kürzester Zeit die Demokratie ausgeschaltet, nachdem er demokratisch gewählt worden war. Und wenn wir sehen, was politisch in Sachsen und Thüringen passiert und möglicherweise auch bei der nächsten Bundestagswahl, dann ist mir Angst und Bange, weil ich nicht abschätzen kann, wie schnell die es schaffen, die Strukturen so zu verändern, dass wir hinterher kaum mehr eine Chance haben, uns dagegenzustellen. Deshalb ist es mir so wichtig zu zeigen, wie der Alltag damals war, wie das auf die Menschen gewirkt hat und was es mit ihnen gemacht hat.

Ja, der Krieg ist schrecklich gewesen. Schrecklich waren aber auch die kleinen Einschränkungen, die kleinen Gefahren, denen man täglich ausgesetzt war.

Und es gehörte einiges dazu, im Jahr 1942 noch eine gewisse Individualität zu haben. Die Jungs und Mädels waren ungefähr Jahrgang 25, also die meiste Zeit NS-sozialisiert. Und trotzdem hat es nicht gefruchtet, oder jedenfalls nicht endgültig. Da war ein Kern von einer Persönlichkeit, der sich nicht unterordnen wollte. Ich finde, das müssen wir kultivieren. Und wenn da gerade solche undemokratischen Strukturen entstehen, muss man sich dagegen wehren. Du weißt nie, wohin das alles sonst noch führen kann.

 „Swinging Bremen – Jazzgrooves bei Luftalarm“

Die Bremer Swingkids wollen ihre Freiheitsträume trotz HJ-Streifen und Razzien, Gestapo und Luftkrieg leben. Doch ihre Liebe zur amerikanischen Musik und die Abneigung gegen das Regime bringen sie unweigerlich in Gefahr. Der Roman ist im Klaus Kellner Verlag erschienen, hat 270 Seiten und kostet 15 Euro.

Über die Autorin Birgit Köhler

Birgit Köhler, geboren 1972 in der Lüneburger Heide, ging für das Geschichtsstudium nach Hamburg und Bremen. Es folgte ein Volontariat bei der Nordsee-Zeitung und Arbeit für verschiedene Medien. Heute arbeitet und lebt sie mit ihrer Familie in Bremen. Ihr zweiter Roman befindet sich in der Entstehung. Für Interessierte bietet Birgit Köhler neben Lesungen auch Führungen zu den Bremer Swingkids an.

Nächste Lesungen

8. Dezember, 16 Uhr, NewSwingGeneration, Boschstraße 15, Hamburg
21. Februar, 19 Uhr, Roter Buchladen, Nicolaihof 7, Göttingen
28. Februar, 19 Uhr, Rat & Tat Zentrum, Theodor-Körner-Straße 1, Bremen

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