Hilfe rund um den Globus

Nils Schneider arbeitet in der Seenotleitung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Er koordiniert Einsätze in Nord- und Ostsee, aber auch weltweit.

Von Ulf Buschmann

Wir schreiben das Jahr 1989. Im ZDF, dem damaligen 2. Programm, gibt es die Reportagereihe „Action“. Der zwölfjährige Nils Schneider sitzt fasziniert vor dem Fernseher und schaut die aktuelle Folge. „Retter ohne Ruhm“ heißt sie. Im Mittelpunkt stehen die Rettungsmänner der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Die beiden Seenotkreuzer „Hermann Helms“ und „Wilhelm Kaisen“ üben das Auffinden von Menschen in Seenot auf der Nordsee. Von diesem Zeitpunkt an steht für Nils Schneider fest: Das möchte er später auch einmal machen.

Inzwischen ist es das Jahr 2020. Der heute 43-Jährige hat sein Ziel erreicht. Das heißt: Kapitänspatent in der Tasche, einige Jahre Dienst als Freiwilliger und dann als hauptamtlicher Seenotretter auf dem Rettungskreuzer „Vormann Jantzen“. Auf dem Schiff hat es Nils Schneider bis zum 2. Vormann gebracht.

Seenotretter Nils Schneider beobachtet in der Seenotleitung Bremen unterschiedliche Bildschirme.

Wachleiter Nils Schneider in der Seenotleitung Bremen. Foto: Die Seenotretter/DGzRS

Arbeit im MRCC Bremen

Seit vier Jahren fährt er nicht mehr hinaus zum Retten. Nils Schneider rettet jetzt von Land aus: Als Crewmitglied der Seenotleitung Bremen, dem „Maritime Rescue- and Co-ordination-Center (MRCC), koordiniert er gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen zentral alle Such- und Rettungsmaßnahmen auf Nord- und Ostsee. Bisweilen aber gibt es durchaus auch Notfälle auf der anderen Seite des Globus. Wenn der Rettungsmann nicht gerade eine seiner 24-Stunden-Schichten hat, lebt er mit seiner Familie in der Gemeinde Weyhe.

Der Nachwuchs ist der Grund dafür, dass Nils Schneider vom Kreuzer in die Seenotleitung wechselte. Ihm sei es wichtig, seinen Sohn mit aufwachsen zu sehen. An seiner Grundhaltung als Seenotretter hat die neue Tätigkeit am Hauptsitz der spendenfinanzierten DGzRS an der Werderstraße in Bremen nichts geändert. „Ich bin Überzeugungstäter“, sagt Nils Schneider. Er wolle anderen Menschen helfen.

Respekt vor der Natur

Grenzen gibt es für Nils Schneider nur dort, wo die Natur Grenzen aufzeigt und wo die eigenen Leute in Gefahr geraten könnten. Nils Schneider betont: „Man hat als Schiffsführer immer zuerst eine Verantwortung für die eigene Besatzung.“ Eines nämlich eint alle Seenotretter: Sie haben Respekt vor den Naturgewalten.

Mit der Haltung, Menschen helfen zu wollen, hat Nils Schneider seine berufliche Karriere geplant. Das erste Ziel: Erwerb des Kapitänspatents. Deshalb kam der gebürtige Hesse aus dem Kreis Kassel nach Norddeutschland, um hier Nautik zu studieren. In dieser Zeit lernte er seine jetzige Frau kennen. „Da bin ich eben hier hängengeblieben“, sagt Nils Schneider im typisch gelassenen Ton eines Seemanns.

Lebensplanung auf die DGzRS ausgerichtet

Von 2004 bis 2009 tat er neben dem Studium als Freiwilliger auf einem der Rettungseinheiten der DGzRS seinen Dienst. Im Jahr 2009 schaffte Nils Schneider den Sprung in die Festanstellung – zuerst als Rettungsmann, von 2013 bis 2016 als 2. Vormann auf der „Vormann Jantzen“. Ins Landratten-Deutsch übersetzt: Nils Schneider war Chef der Besatzung. Aber im Gegensatz zum 1. Vormann musste er sich nicht um die Belange der Rettungsstation kümmern. Hintergrund: Die „Vormann Jantzen“ wird als sogenannter Springer eingesetzt; etwa dann, wenn ein Kreuzer in die Werft muss. Die „Vormann Jantzen“ verfügt also über keine eigene, ihr feste zugeordnete Station.

Mit dem Wechsel vom Kreuzer in die Seenotleitung hat sich für Nils Schneider einiges verändert. Abgesehen vom Dienstrhythmus – zwei Wochen Wache, zwei Wochen frei – haben es die Seenotretter auf den Einheiten an der Küste in der Regel lediglich mit jeweils einem Fall zu tun. Das ist für die Männer der Seenotleitung anders. „Es kann passieren, dass wir es mitunter mit mehr als 15 Fällen gleichzeitig zu tun haben“, erläutert Nils Schneider.

Der Seenotkreuzer

Auf dem Seenotkreuzer „Vormann Jantzen“ fuhr Nils Schneider vor seinem Wechsel in die Seenotleitung. Foto: Wolfgang Scholz/Die Seenotretter.

Mehr Wassersportler im Sommer

Dies ist insbesondere im Sommer der Fall. Ralf Baur, Sprecher der Seenotretter, erklärt den Grund: „Dann sind sehr viel mehr Wassersportler unterwegs als in den Wintermonaten.“ Dies führe dazu, dass nicht nur der Verkehr auf Nord- und Ostsee zunimmt, sondern auch die Anzahl der Einsätze. Im Winter hingegen müssten die Seenotretter zwar weniger oft rausfahren , ergänzt Baur: „Dafür dauern die Einsätze aber häufig länger.“

Bei einem Seenotretter bleibt unweigerlich die Frage nach Geschehnissen, die Menschen wie Nils Schneider nicht vergessen. Der Wahl-Weyher überlegt: „Da gibt es einige.“ Da ist zum Beispiel der Einsatz, zu dem Nils Schneider und seine Leute von der Station Fehmarn/Großenbrode aus zur Hilfe gerufen wurden. Der reguläre Kreuzer „Bremen“ mit seinem Tochterboot „Vegesack“ war gerade in der Werft.

Kutter kracht auf alte Mole

Also fuhr die „Vormann Jantzen“ hinaus zu einem Wassersportler, der sich einen alten Kutter zugelegt hatte. Bei der Überführungsfahrt krachte der Mann auf eine alte Mole. Beim Versuch freizukommen schlitzte er sich den Rumpf seines Schiffes auf, der Kutter sank. Die Besatzung, der Skipper und ein weiterer Mann, konnten sich nur noch auf die Mastspitze retten. Von dort wurden sie von den Seenotrettern mit dem Tochterboot „Butscher“ der „Vormann Jantzen“ aufgefischt.

Kurios dürften für eingefleischte Landratten auch Einsätze sein, bei denen Vierbeiner im Mittelpunkt stehen. Nils Schneider erinnert sich an das Retten von drei Rehen innerhalb von drei Jahren, unter anderem vor Warnemünde. „Es gibt immer mal wieder tierische Einsätze“, wirft Baur schmunzelnd ein. Selbst mit Haushaltsgegenständen hätten es die Besatzungen zu tun – wie vor einigen Jahren auf der mittlerweile außer Dienst gestellten „Nis Randers“ von der Station Maasholm, die einen Kühlschrank aus dem Wasser holen musste.

Über die DGzRS

Schiffbrüchige aus Seenot retten, Menschen aus Gefahren befreien, Verletzte und Kranke versorgen: Die Seenotretter sind auf Nord- und Ostsee klar zum Einsatz – rund um die Uhr und bei jedem Wetter. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist einer der modernsten Seenotrettungsdienste der Welt und verfügt über rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote. Sie finanziert ihre Arbeit ausschließlich durch Spenden und freiwillige Beiträge. Wer die Seenotretter unterstützen möchte, kann online unter www.seenotretter.de/spenden oder per Überweisung auf folgendes Konto spenden: Sparkasse Bremen, BIC: SBREDE22, IBAN: DE36 2905 0101 0001 0720 16.