Die Frau mit dem pinken Koffer

Tupper-Partys kennt jeder. Aber „PepperParties“? Da geht es nicht um Gewürze, wie man vermuten könnte, sondern um Sextoys.

Von Daniela Krause

Pepper Parties

Spielzeug für gewisse Stunden: Bei „PepperParties“ dreht sich alles um Sextoys und sinnliche Produkte. Fotos: Daniela Krause

Im Wohnzimmer von Jenny ist alles vorbereitet: Dort, wo die 20-Jährige sonst mit ihrem Hund und ihren Meerschweinchen spielt, steigt an diesem Abend eine „PepperParty“. Auf dem Esstisch stehen allerdings keine Tupperwaren oder Gewürze, sondern Scharfmacher der anderen Art: Fläschchen, Döschen und Gegenstände, von denen einige stark an einen Penis erinnern.

Bei „PepperParties“ handelt es sich nämlich um eine Verkaufsparty für sinnliche Produkte, die sich zwar explizit an Frauen richtet, aber Männer dürfen auch gerne mitmachen. Selbst der Zitronenkuchen für die Gäste ist in Penisform gebacken, ebenso die Schokoladenpralinen, die fröhlich herumgereicht werden. Jenny, die Gastgeberin des Abends, feiert ihren Einstand als „PepperParties“-Beraterin: Sie möchte künftig selbst solche Abende veranstalten. Ihre Freundinnen und Freunde haben es sich auf dem Sofa und Sesseln bequem gemacht – ein einziger Mann ist unter den Gästen und fühlt sich sichtlich wohl inmitten der Mädels. Jasmin Burfeind begrüßt die Runde herzlich. Die Hambergerin trägt hohe Stiefel, eine hautenge schwarze Hose und ein T-Shirt. Der Spruch darauf verkündet ihr offensives Vorgehen: „Glück kann man nicht kaufen – Dildos schon, und es ist fast das Gleiche“.

Jasmin Burfeind

Jasmin Burfeind beginnt ganz harmlos mit der Vorstellung der Massagekrake.

Hauptzielgruppe: Frauen zwischen 35 und 65 Jahren

Jasmin hat vor anderthalb Jahren ihre erste „PepperParty“ geschmissen, damals noch „aus Jux und Dollerei“, wie sie sagt. „Inzwischen bin ich in einer Führungsposition und verdiene durch diesen Nebenjob gutes Taschengeld dazu.“ Tagsüber arbeitet sie als Hauswirtschafterin auf einem großen Milchviehbetrieb in Wehdel. Abends beglückt sie mit ihrem pinken Koffer Junggesellinnenabschiede, Geburtstage oder andere Anlässe, zu denen „PepperParties“ gebucht werden. Nicht selten macht sie mit ihren Verkaufsabenden Umsätze im vierstelligen Bereich. Ihre Hauptzielgruppe: Frauen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren, wobei reifere Damen meist ganz genau wüssten, was sie gut finden, was sie haben wollen, und vor allem, was sie ausgeben können.

„Ich bin freizügig und offen. Sex gehört für mich zum Leben dazu wie das Atmen oder Kinderkriegen“, sagt die 35-Jährige. Der Job bei „PepperParties“ mache ihr großen Spaß. „Ich sehe das Ganze aber auch als Aufklärungsarbeit an. Nicht jeder traut sich in einen Sexshop. Hier, im geschützten Rahmen kann ich Ängste abbauen und zeigen, was alles möglich ist.“ Jenny ist ihre sechste „Tochter“ und ein bisschen aufgeregt. Denn gemeinsam mit Jasmin führt sie die Gäste durch das Programm. Wobei dies zunächst harmlos beginnt – mit einer Massagekrake, bei der man nicht unbedingt vermuten würde, dass man sie auch zur sexuellen Stimulierung nutzen kann. Reihum werden bei den Teilnehmern mit den acht Armen die Verspannungen gelöst. Vanessa (23), die gerade die pulsierende Krake in der Hand hält, möchte wissen: „Warum heißt es eigentlich „Pepper“? „Weil wir scharf sind!“, meint Jasmin lachend – und weiter geht es mit der Präsentation.

„L“ wie lecken, „R“ wie riechen

„Was ich euch auf die linke Hand gebe, dürft ihr ablecken. An allem auf der rechten Hand bitte nur riechen“, erklärt Jasmin. Die Gäste tippen ihre Zungenspitzen in essbares Massageöl mit verschiedenen Geschmacksrichtungen – Wassermelone und Karamell zum Beispiel. „Das könnt ihr als Topping auf euren Nachtisch machen oder damit euren Partner vernaschen“, meint Jasmin mit einem Augenzwinkern. „Alles, was gegessen oder eingeführt wird, ist im Übrigen bio und vegan.“

Auf die rechte Hand schmiert sie indes etwas zum Schnuppern: Wachs von einer Massagekerze mit dem angenehmen Duft „Kaminabend in Oslo“. Als nächstes gibt Jenny „Black Beauty“ weiter. Ein sehr starker Massagestab, der auch zweckentfremdet werden kann. „Der ist sogar wasserdicht.“ Die beiden Freundinnen Alina und Vanessa (beide 23) sind von der Vielfalt an Vibratoren und Dildos völlig fasziniert. „Guck mal, der fällt bei der Taschenkontrolle am Flughafen gar nicht auf“, sagt Vanessa und hält einen Minivibrator in die Höhe, der sich als Lippenstift tarnt. Getoppt wird dieser von „Picknick“ einem nickenden Dildo, „der zu allem Ja sagt“.

Die Vibratoren und Dildos dürfen sich die Gäste zum Ausprobieren an die Nasenspitze halten. „Die ist ähnlich empfindlich wie die Klitoris“, weiß Jasmin. Das Gebrumme und Gesumme der Sextoys ruft die Meerschweinchen auf den Plan, die neugierig aus ihren Häuschen huschen. Es gibt auch ein Spielzeug für Paare: „You & Me“ ist eine Kombination aus Auflagevibrator für sie und Penisring für ihn. Der Motor liegt auf dem Hoden und der Auflegevibrator ist gleichzeitig die Fernbedienung. Den Rest überlassen Jenny und Jasmin der Vorstellungskraft der Gruppe.

Für die „analen Freuden“

„Jetzt kommen wir zu dem Teil des Abends, an dem es immer auffällig still wird“, sagt Jasmin und reicht das Spielzeug für die „analen Freuden“ herum. „Wie finden Männer sowas eigentlich?“, wendet sich eine der Damen an den 23-jährigen Valentino. „Also, ich finde das toll“, meint dieser. „Aber mein Freund hasst es und findet alles daran unangenehm.“ Bunte Analplugs mit Glitzersteinen und flexible „Ketten“ werden von den Gästen begutachtet. „Solche Toys dürft ihr bitte immer nur mit Gleitgel einführen“, warnt Jasmin. „Und vor allem die Ketten – bitte niemals loslassen, da der Darm sie sonst einzieht.“

Sie erzählt eine kurze Anekdote von einem Mann, der im Krankenhaus behauptet hatte, auf eine Klobürste gefallen zu sein, die tief in seinem After steckte. „Die Muskeln ziehen den Gegenstand in den Körper. Entfernen geht dann oft nur noch operativ.“ Bei Analplugs bestünde diese Gefahr nicht. „Ich habe sogar Kunden, die diese medizinisch anwenden – bei Hämorrhoiden.“

Jenny Pepper

Jenny Pepper möchte die „PepperParties“ als Nebenbeschäftigung ausrichten.

Wenn sich die Gäste verhauen

Jenny hält einen Gegenstand hoch, der wie eine Reitgerte aussieht. Am Ende befindet sich ein ledernes Herz. Mit dem Ding namens „Herzschlag“ dürfen sich die Gäste gegenseitig Klapse auf den Arm geben – je nach Vorlieben mal sanfter, mal härter. Sätze wie „Los, schlag mich nochmal! Ruhig fester!“ oder „Das tat ja gar nicht so weh.“ fallen während der Vorführung. „Das ist jedes Mal der Höhepunkt des Abends, wenn sich die Gäste schlagen“, meint Jasmin lachend.

„Schmerz ist meist Kopfsache“, erklärt sie und präsentiert den „Flogger“, eine Peitsche mit 47 Enden, die ebenfalls im Kreis wandert und neugierig beäugt wird. Valentino fühlt sich zwischen Handschellen, Peitsche und Maske in seinem Element: „Ich habe zu Hause eine ganze Kiste voll davon“, gesteht er. Jasmin kann gut verstehen, warum: „Wenn die Haut einen kurzen Schmerz erfährt, ist sie hinterher an dieser Stelle viel empfänglicher für zärtliche Berührungen.“

Orgasmus-Garantie

Jasmin erzählt von ihren bisherigen „PepperParties“, während die Gäste Dessous bestaunen und anfassen dürfen. „Ich hatte auch schon zwei reine Männerparties, eine mit Bikern und eine mit Schwulen.“ Männer hätten oft andere Ansichten zu bestimmten Themen, das mache Abende mit gemischten Gruppen besonders interessant. Ihre älteste Gastgeberin war 81 Jahre alt. „Großartig wäre, wenn ich mal eine Party in einem Pflegeheim geben dürfte“, sagt Jasmin. „Die Menschen dort haben genauso sexuelle Bedürfnisse und vielleicht niemanden, mit dem sie darüber offen sprechen können.“ Aus dem Ruder gelaufen sei bisher noch keine Veranstaltung. Allerdings habe sie online schon merkwürdige Anfragen bekommen. „Ob ich den Koffer auch einem Herrn alleine präsentieren würde… Sowas blocke ich natürlich sofort ab.“

Am Ende der „PepperParty“ kommt – im wahrsten Sinne – der Höhepunkt des Abends: der „Womanizer“. Ein eher unscheinbares kleines Gerät, ähnlich einer Computermaus, mit erstaunlicher Wirkung: „Der nuckelt“, erklärt Jasmin, indem sie ihn an die Fingerspitze hält. Ein Mann habe ihn für seine Frau erfunden, die nie zum vaginalen Orgasmus kommen konnte. „Mit dem hier geben wir eine Orgasmus-Garantie.“ Sie habe ihn selbst getestet. „Ein unbeschreibliches Gefühl: Da zieht sich in mir drin alles zusammen. Es ist mein absolutes Lieblingsprodukt und gleichzeitig der meistverkaufte Artikel.“ Die Gäste lassen den „Womanizer“ auf sich wirken, bevor es ans Kataloge wälzen geht.

Geheimer Bestellvorgang

„Wenn ich jetzt alles kaufe, was ich cool finde, bin ich pleite für diesen Monat“, stöhnt Alina (23), die von der riesigen Auswahl etwas erschlagen wirkt. Ihrer Freundin Vanessa geht es genauso: „Man kann sich gar nicht entscheiden.“ Mit Kiara meldet sich eine weitere Teilnehmerin zu Wort: „Ich fand es richtig super, dass wir alles anfassen, an- und ausprobieren durften.“ Zum Bestellen werden die Gäste einzeln in die Küche gerufen. „Wer was bestellt, bleibt selbstverständlich geheim“, sagt Jenny. „Wenn jemand nichts auf dem Zettel ankreuzt, ist das auch ok.“

Jenny kann sich an diesem Abend über einen Umsatz von mehr als 500 Euro freuen. „Für deine erste Party ist das richtig gut“, lobt Jasmin. Von Jennys anfänglicher Aufregung sei schnell nichts mehr zu spüren gewesen. Die „PepperParties“ möchte sie in Zukunft als Nebenbeschäftigung organisieren, ihr Einkommen nach ihrer Ausbildung im Einzelhandel verdienen. Könnte sich Jasmin vorstellen, hauptberuflich Sextoys zu präsentieren? „Nein“, meint diese entschieden. „Es macht mir zwar riesigen Spaß, aber dafür liebe ich meinen Beruf zu sehr.“

Verkaufspartys im Wohnzimmer

Sinnliche Produkte auf Partys im heimischen Wohnzimmer verkaufen und Frauen ab 18 die Chance auf finanzielle Unabhängigkeit geben – mit diesen Zielen ging das Unternehmen PepperParties im Jahr 2005 an den Start. Im September 2019 erfolgte die Übernahme durch die VDB Group mit Reto von der Becke als Gesellschafter und der Ernennung von Walli Wirth zur neuen Geschäftsführerin. Nach Firmenangaben finden jedes Jahr tausende Veranstaltungen in ganz Deutschland statt. Neben den Verkaufspartys im Wohnzimmer bietet das Unternehmen online „PepperParties“ und persönliche, digitale Beratung an. „PepperParties“ ist zudem Mitglied im Bundesverband Direktvertrieb Deutschland.

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