Die Stadt (neu) entdecken
Das Auto ist tot, es leben Bus und Bahn – so etwa lässt sich die Erfahrung unseres Autors umschreiben. Nach einem Kupplungsschaden verzichtet er auf ein neues Fahrzeug. Stattdessen vertraut er Bus, Bahn und Carsharing. Eine neue Folge aus der Reihe Buschmanns Kosmos – diesmal über das Wiederentdecken der Stadt.
Von Ulf Buschmann
Heute steht wieder ein Termin an. Vor etwas mehr als zwei Wochen habe ich mich einfach ins Auto gesetzt und bin rechtzeitig losgefahren. Doch nachdem ich mit einem kapitalen Kupplungsschaden auf der Fahrt zu einem jener Termine liegengeblieben war und mein gutes altes, 16 Jahre altes Auto nicht mehr zu retten ist, hat für mich eine neue Zeit begonnen. Oder anders ausgedrückt: Die alte Zeit ist zurück. Denn wie in meiner Jugend, muss ich schauen, wann der nächste Bus oder die nächste Bahn fährt, wenn ich zu einem Termin aufbreche.
Die ersten Tage war die Rückbesinnung auf die Zeit vor 40 Jahren ein bisschen gewöhnungsbedürftig für mich. Doch ich habe mich schnell daran gewöhnt, denn der neue Rhythmus hat sich schnell eingespielt: Zum Glück hat die App des Verkehrsverbundes Bremen-Niedersachsen (VBN) den Fahrplan aus Papier abgelöst. Dies macht die neue alte Art der Mobilität erheblich leichter und bequemer.
Architektur und TV-Serien
Was besonders interessant ist: Ich entdecke meine Stadt und meinen Stadtteil neu. Selbst der Weg zum Sport mit etwa zehnminütigem Fußweg vom Fitnessstudio zur nächsten Haltestelle bringt neue Eindrücke: Wie sehen die Häuser an der Straße aus? Was tut sich dort? Ist jemand aus- beziehungsweise eingezogen? Vor manch einem älteren Haus bleibe ich stehen und versuche mir vorzustellen, wie es in der Vergangenheit aussah.
Die Stadt und mein Stadtteil lassen sich allerdings nicht nur sozusagen von außen entdecken. Auch in den Häusern tut sich etwas. Gerade bei Dunkelheit geben die Menschen preis, was sie gerade im Fernsehen schauen. Die Palette reicht von „Wapo Bodensee“ bis zu „Berlin Tag und Nacht“. Und wenn über den Bildschirm „Tom & Jerry“ oder „Grizzy & die Lemminge“ flimmert, ist klar: Dort leben Kinder mit den gleichen TV-Vorlieben. Es fehlen nur noch der Sandmann und „Shaun, das Schaf“.
Der Bus kommt später
Eine weitere Erkenntnis: Nicht nur die Deutsche Bahn (DB) ist ein Meister der Unpünktlichkeit. Da können Bremens Busse durchaus mithalten – zwar nicht mit den Dimensionen der DB, aber durchaus im Drei- bis Fünfminuten-Rhythmus. Menschen berichten zudem, dass Busse häufig ausfallen. Das ist gerade für Pendler ärgerlich, die auf einen Anschluss angewiesen sind. Da bleibt meistens nur die Alternative: warten oder zur nächsten Bushaltestelle laufen und den Bus einholen.
Dann sind da noch die Bahnverbindungen: Zumindest vormittags und am frühen Abend macht die Nordwestbahn einen guten Job. Allerdings sind die Züge insbesondere zur Feierabendzeit zu kurz und somit zu voll. In Pandemie-Zeiten ist es eine nicht sehr vorteilhafte Lösung. Einen Einzelplatz zu finden, wie es gewollt ist und empfohlen wird, ist dann nicht einfach. Oftmals lautet die beste Option: Im Gang mit Abstand stehenbleiben.