„Ich wollte doch Rockstar werden!“
Der Bremer Singer/Songwriter Andree Krenke überzeugt heute mit leisen Tönen. Ein Portrait.
Von Frank Schümann
„Ein Ende kann immer auch ein Anfang sein…“ Sehnsüchtig kommt diese Stimme aus den Boxen, wehmütig, verarbeitend, aber auch hoffnungsfroh – und man hört ihr gerne zu. „Kein Land in Sicht, es geht vorbei, kein Blick zurück, es ist soweit; endlich Zeit, sich selbst zu spüren, neues probieren, die Sonne berühren.“ Dazu eine schöne Akustik-Gitarre, das Solo schlicht, aber präzise gezupft; das ist alles nicht neu, aber sehr stimmig und schön. Dazu kommt bei Stücken wie „Land in Sicht“ oder „Trost“ beim mehrmaligen Hören ein unaufdringlicher Ohrwurmfaktor.
Offen, ehrlich, geradeaus
Und authentisch ist er, dieser Andree Krenke. Die Texte drehen sich in erster Linie um ihn selbst, sind Betrachtungen, Aufarbeitung seines eigenen Lebens, seiner Erfahrungen – sie kommen aus ihm selbst, sie finden ihn, sagt er. So wie in seinen Texten, so ist Andree Krenke auch im persönlichen Gespräch – offen, ehrlich, geradeaus. Und herzlich. Früher, in seinen jungen Jahren, da habe er ganz groß herauskommen wollen, „ich wollte ein Superstar werden, das Weserstadion füllen“; er habe sich dafür die Finger blutig geübt, dem Gitarre spielen phasenweise alles andere untergeordnet. Heute, mit 52, sieht das ein bisschen anders aus – die Liebe zur Musik aber ist geblieben. Erfolg will er immer noch haben – aber das postuliert er alles eine Nummer kleiner, realistisch, bescheiden. Und lässt die Musik für sich sprechen.
Geprägt vom Deutsch-Rock der 80er
Wer den Deutsch-Rock der 80er-Jahre mag, der ist gut aufgehoben bei Andree Krenke – denn der macht Musik, wie sie heute nur noch selten produziert wird. Wenn man Stücke wie „Einfach so“, „Egal was kommt“ oder „Gute Reise“ hört, kann man sich – die „richtige“ Generation vorausgesetzt – leicht 30 bis 40 Jahre zurückversetzt fühlen, an die ersten Platten von Klaus Lage, Wolf Maahn oder speziell BAP zurückdenken – an die zweite Phase des Deutsch-Rocks, nachdem Udo Lindenberg in den 70er-Jahren die Tür geöffnet hatte. Im vergangenen Jahr hat er sein Album „Jenseits der Zeit“ auf Nice Records veröffentlicht, einem Bremer Label; nach dem Vorgänger „Abgetaucht“, der zwei Jahre zuvor erschien, ist das neue Album eine Art Zeitreise durch 20 Jahre Songwriting, eine Art Best Of, auf dem teils unveröffentlichte Songs zu hören sind, aber auch ältere Stücke – im neuen, komplett akustischen Gewand. Unterstützt wurde der Sänger und Gitarrist dabei vor allem von Kai Franz an der zweiten Gitarre sowie von Imke Ewert am Cello und Robert Meister an den Keyboards. Gerade die beiden Gitarren und das Cello geben „Jenseits der Zeit“ auch musikalisch einen sehr intimen Anstrich.
Stimmungen und Fragen
Die Texte handeln von der Liebe, der Freundschaft, von Momentaufnahmen des Lebens – aber auch von einem wie „Abdoulayeh“, der als Flüchtling in ein Land kommt, von dem er nicht viel weiß, außer, dass es hier die besten Autos gibt und dass die Deutschen Fußball im Blut haben. Es ist eines der besten, eindringlichsten Stücke auf einem Album, das über die gesamte Spielzeit Stimmungen schafft, Fragen stellt („wohin führt der Weg?“), den Hörer aber vor allem auch immer den Raum lässt, die eigenen Gedanken, Bilder und Assoziationen zu entfalten.
Das Kölsche war „schuld“
„Abdoulayeh“ sei von dem Song „Noh Gulu“ der Kölner Rockband Bap und ihrem Frontmann Wolfgang Niedecken inspiriert, sagt Krenke – und überhaupt spielen Bap und Niedecken eine große Rolle, was Krenkes Werdegang betrifft. „Die Band hat mich von Anfang an gepackt, die Musik, die Texte – auch wenn ich nicht alles verstanden habe.“ Allerdings habe sich aus dem Versuch, das Kölsche zu verstehen, die Fähigkeit entwickelt, selbst zu schreiben – „durch das ständige Verstehen-Wollen hat sich das geformt, was ich selbst sagen wollte.“
„Eine Art Meditation“
Warum schreibt er überhaupt? „Zuallererst schreibe ich Songs, weil es mich glücklich macht“, sagt Krenke: „Es ist für mich eine Art Meditation, bei der ich ganz tief in meine Seele und Sehnsüchte abtauche.“ Nebenbei biete sich ihm so auch die Chance, sich von Kindheitsängsten und Selbstzweifeln zu befreien, alles Belastende loslassen zu können. Im idealen Falle erreichen die Texte, die dann entstehen, auch andere Menschen: „Einer sagte mir, dass er nach dem Verlust eines wichtigen Menschen nicht mehr trauern konnte, bis er mein Stück ‚Trost‘ hörte – da konnte er weinen, da konnte er loslassen.“
Hauptberuf: Busfahrer!
Beruflich schlug er allerdings einen anderen Weg ein – von der Musik zu leben, daran war damals nicht zu denken. So machte er eine Lehre als Restaurantfachmann in einem großen Bremer Hotel, merkte aber schnell, dass das nicht das Richtige war: „Ich wollte doch Rockstar werden, das passte nicht.“ Scheinbar übergangsweise landete er dann bei der Bremer Straßenbahn AG, die damals Busfahrer suchte: „Ich dachte, Busfahren, das kann man ja mal eine Zeitlang machen.“ Aus dem „Übergang“ wurden bis heute fast 30 Jahre – Krenke ist immer noch als Busfahrer tätig und verrät, dass er speziell in der Anfangszeit beim Fahren die Texte entwickelte: „Sie kamen von alleine, zum Teil aus Beobachtungen heraus – während des Fahrens habe ich darüber nachgedacht, und in den Pausen und auch an Haltestellen habe ich das schnell auf Papier gekritzelt.“
Zeit „dank“ Corona
Schnell entstanden viele Songs und die erste Band, eine zweite folgte mit Dock 5 – die hielt immerhin zehn Jahre und hatte durchaus Erfolg. Zuletzt war dann aber doch die Luft raus – und der Neustart mit ruhigeren Solo-Alben erfolgte. „Jenseits der Zeit“ war dabei gar nicht als Album geplant: „Wir wollten nur zwei Songs einspielen, als Vorbereitung für die Wohnzimmer-Konzerte, die wir vorbereitet hatten“, erzählt der Songwriter, „aber dann kam Corona, alles fiel aus – und wir hatten viel Zeit.“
Unterkriegen lässt sich Krenke sowieso nicht, nicht von Corona, und auch nicht von seinen Vorbildern: So bat er den Major Klaus Heuser – in der großen Zeit von Bap der Gitarrist und zweite „Star“ der Band – um dessen Einschätzung zu einem Dock 5 Album. Heuser rief ihn tatsächlich zurück, erzählt Krenke, allerdings: „Es war ein Total-Verriss, er sagte, das rockt ja gar nicht!“ Aber auch das schreckte ihn nicht, aufgeben war keine Option. „Warum auch?“, fragt er, „es war zwar die Meinung des Majors, aber letztlich doch nur eine Meinung.“ Außerdem könne er gar nicht anders, er müsse Musik machen, Songs schreiben – „es schwirrt halt ständig was im Kopf herum.“ Da überrascht es nicht, dass er auch schon das nächste Album plant: „Das wird dann aber groß und laut“, lacht er.
Und wer weiß, vielleicht bekommt er den Major dann doch noch auf seine Seite. Zuzutrauen wäre es ihm.
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Wer mehr über Andree Krenke wissen möchte, sollte auf seiner Webseite schauen.