Vom Kultivieren des Schlenkerns
Schümann’sche Schlenker ist unsere neue Nord West Reportagen-Kolumne – von, na logisch,
Frank Schümann
Der ist ja ganz schön, Ihr Text, sagte mein damaliger Sportchef, aber warum bauen Sie denn immer diese Schlenker ein? Diese Schümann‘schen Schlenker?
Es gibt Sätze und Kommentare, die vergisst man nicht, dieser war einer davon – auch wenn er etwa 35 Jahre alt ist. Der ihn einst sagte, lebt heute leider schon nicht mehr, aber sein Kommentar hat überdauert – und mich in meinem Schreibstil vermutlich sogar geprägt. Denn was der Kollege damit meinte – meine Gedankensprünge, formal gerne mit Gedankenstrich und/oder Semikolon orchestriert – habe ich seither eher kultiviert denn mir abgewöhnt, wobei der Kollege dies mit seinem Satz wohl eigentlich bezweckte. Dazu muss man wissen: Gesagt wurde der Satz einst im Delmenhorster Kreisblatt, und der Kollege kam just von der BILD – und liebte kurze, „knackige“ Sätze, wie er es formulierte, oder wie ich sagen würde: Subjekt Prädikat Objekt. Nun ja.
Aber zurück zu den Schlenkern: Subjekt Prädikat Objekt kann nett sein, Schlenker finde ich schöner – bis heute (wenn ich nicht gerade in einer Nachrichtenredaktion Dienst leiste, was ich derzeit nicht tue). Also habe ich mir überlegt, dass ich diese Schlenker zum Titel meiner Kolumne mache, die ich ab heute „regelmäßig unregelmäßig“ in den Nord West Reportagen zum Besten geben werde.
Worüber schreiben…?
Worüber ich in dieser ersten Kolumne schreiben wollte, darüber war ich mir allerdings lange nicht im Klaren – genau genommen bis eben, bis ich mich an den Text gesetzt habe. Ursprünglich wollte ich über meine Erfahrungen unlängst im Krankenhaus schreiben, dann wurde gedanklich eher eine Auseinandersetzung über den Umgang mit der Fußball-WM in Katar daraus – die Lektüre von Precht/Welzers „Die vierte Macht“ samt der Debatte darüber sowie die im Fernsehen laufenden Jahresrückblicke brachten meine Gedanken aber wieder jeweils in andere Richtungen. Alles Themen, die es wert sind, ausführlicher behandelt zu werden – ob mit oder ohne vorangestellte These, das werden die Schreibprozesse zeigen. Und – wie immer – die Zeit.
Überhaupt die Zeit. Gerade beschlich mich auch so ein komisches Gefühl – beim Auflegen der Platte „Dead Set“ von Grateful Dead fragte ich mich, wann ich die wohl zuletzt auf dem Plattenteller hatte? Schätzungsweise Anfang der 80er Jahre, da kam sie heraus und da hatte ich sie gekauft. Anfangs oft gehört, habe ich sie, glaube ich, spätestens seit dem Aufkommen der CDs Ende der 80er-Jahre nicht mehr allzu oft gehört (zumal ich mir erst vor einigen Jahren wieder einen Plattenspieler zulegte).
Jetzt also erklingen die alten Hippies um den leider ebenfalls längst verstorbenen Jerry Garcia in meinem Büro und wecken Erinnerungen – vill passiert sickher, würden BAP singen, die seinerzeit auch in meinem Jugendzimmer rauf und runter liefen. Was ich wohl damals gedacht habe, als ich mir die Platte gekauft hatte, denke ich – und überhaupt, warum kauft sich ein 15-einhalbjähriger im Jahre 1981 vier Platten-Seiten feinster Hippie-Musik, während alle um ihn herum der Neuen Deutschen Welle frönen…? Auch dies ist vielleicht noch einmal ein paar gedankliche Schlenker wert. Aber nicht mehr heute.
Demnächst mehr, ich freue mich!