Serena Bilanceri: Die Vielgereiste

Von Bremen aus die Welt entdecken – so oder ähnlich lässt sich die Mission der Buchautorin und Journalistin Serena Bilanceri beschreiben. Vor einigen Wochen ist ihr Buch „Direzione Sud-Est“ mit Reisereportagen aus Südost-Asien erschienen. Aktuell arbeitet sie an der deutschen Übersetzung.

Von Ulf Buschmann

Wer sich mit Serena Bilanceri treffen möchte, muss schon ein bisschen auf Zack sein. Es könnte sein, dass die gebürtige Italienerin gerade wieder nicht in ihrer Wahlheimat Bremen ist – wie zurzeit. Serena Bilanceri ist Buchautorin und Journalistin. Aktuell weilt sie nun schon zum zweiten Mal als freie Korrespondentin in der jordanischen Hauptstadt Amman. Von dort aus beschreibt die 40-Jährige den Alltag des Landes und seine Menschen.

Dies ist sozusagen eine der Spezialitäten, nachzulesen in ihrem Buch „Direzione Sud-Est“. Auf Deutsch: „Richtung Süd-Ost“. Es ist eine Sammlung von Reisereportagen aus Südostasien. Erstmals war Serena Bilanceri im Jahr 2015 auf diesem Teil des Planeten unterwegs. Ihr Interesse galt Myanmar. Damals hatte das Land noch eine demokratisch gewählte Regierung.

Die bislang letzten beiden Reisen unternahm Serena Bilanceri im Jahr vor der Corona-Pandemie, 2019. Sie besuchte Banjau Laut und Penan. Es sind zwei der Kapitel, von denen erste Übersetzungen ins Deutsche vorliegen. Weitere Kapitel heißen „Chin“, „Malediven“ und „Musou“. Und es gibt ein Kapitel über eine chinesische Punkrock-Band aus Kunming. Das ist die Hauptstadt der Provinz Yunnan, in der über acht Millionen Menschen leben.

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Ethnische Minderheiten

Serena Bilanceris Beschreibungen sind detailreich. Sie führt ihre Leser tief hinein in den Alltag dieser für Europäer so gut wie unbekannten Regionen. Für ihr in der Edition „Prospero Geopoetica“ erschienenes Buch nimmt die Autorin mit in die Welt von Menschen, die oftmals ethnischen oder kulturellen Minderheiten angehören. Es sind zum Beispiel das letzte chinesische Matriarchat, der letzte malaysische Nomadenstamm und die christliche Gemeinschaft in den Bergen einer burmesischen Grenzregion.

Banjau Laut

„Sumpal sitzt auf dem Dach seines Bootes. Sein Gesicht ist von kurzen, schwarzen Haaren umrahmt und durch Sonne und Zeit gezeichnet. Er hockt mit freiem Oberkörper in knielangen Hosen und betrachtet das Meer vor sich. So wie eine Möwe, die aus einem überragenden Felsen den Blick über den Horizont schweifen lässt. (….)

Sumpal und seine Familie leben auf einem Holzboot. Foto: Serena Bilanceri

Sumpal und seine 7-köpfige-Familie sind nomadische Bajau Laut. Seit vier Jahren leben sie wieder auf einem Boot, dem lepa. Davor hatten sie eine Zeit lang ein Haus, ein Stelzenhaus. „Dann hat die Regierung unser Haus zerstört, nach den Angriffen, wegen Abu Sayyaf, daher sind wir aufs Boot gezogen“, erzählt er.

Zwischen Journalismus und Literatur

Ihren Lesern liefert die Autorin eine spannende Mischung zwischen Journalismus und Literatur – und das nicht von ungefähr. Dies habe mit der Ausrichtung der Buchreihe zu tun, in der es um Geopolitik geht. Aber eben mit einem besonderen Ansatz. „Es ist nichts Erfundenes, aber geschrieben wie ein Roman“, sagt Serena Bilanceri verschmitzt lächelnd: „Ich finde gut, dass ich es gemacht habe.“

Immerhin hat Serena Bilanceri vier Jahre an dem Projekt gearbeitet. „Immer in meiner Freizeit und an den Wochenenden, wenn sie dienstfrei hatte. Und es hat sich wirklich gelohnt. Der Anspruch ihres Verlegers, Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die in zwei Welten leben, ist gelungen. Die Wahl-Bremerin nimmt ihre Leser mit in das jeweilige Land und zeigt ihre Lebensumstände.

Chin

Die ersten Sonnenstrahlen des Tages dringen durch die Wolkendecke und überfluten das Tal mit einem Regen aus goldenem Licht. Entlang des Bergkamms kommt unser Jeep nur mühsam voran, tastet sich vorsichtig heran, eine Kurve nach der anderen. Feiner Staub steigt empor aus dem Schotterboden am Straßenrand. (…)

Ein beeindruckendert Blick auf Falam. Foto: Serena Bilanceri

Auf dieser Straße ist die Ehefrau des Reiseleiters vor einigen Jahren ums Leben gekommen, bei einem Autounfall. Er selbst wurde verletzt, und doch befährt er diese Straße weiterhin regelmäßig. Eine Wahl hat er nicht: Dies ist der einzige Weg, der vom Chin-Staat zum nächstgelegenen Flughafen führt. Eine der wenigen halbbetonierten Straßen der Region, die einzige, die die größeren Städte untereinander verbindet.

Unsichtbare Grenzen

In ihrem Buch beleuchtet Serena Bilanceri mal direkt mal indirekt die Spannungsfelder, in denen Menschen sich bewegen. Als Beispiel nennt sie die Malediven: Einerseits gebe es zahlreiche Resorts für Touristen mit allen westlichen Freiheiten. Andererseits seien da die Minderheiten und eine Gesetzgebung, die auf der Scharia beruhe. Die Malediven bewegten sich immer im Spannungsfeld zwischen Tourismus und Extremismus. „Es sind unsichtbare Grenzen innerhalb eines Landes“, sagt Serena Bilanceri.

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Malediven

Die Malediven locken Touristen mit weißern Stränden…

Der Hai ist etwa zwei Meter entfernt. Er schwimmt uns entgegen, ohne Eile, biegt den Schwanz nach links und rechts mit geschmeidigen Bewegungen. Neugierig, und doch entspannt. Sein grau schimmernder Körper verschwimmt im Widerschein der Wellen, die schwarze Flosse ragt knapp über die Wasseroberfläche. „Mach dir keine Sorgen, versuch, mindestens einen Meter Abstand zu halten, alles ist in Ordnung“, sagt Zacharia, wenn ich auf die Flosse zeige, die sich in unsere Richtung bewegt.(…)

…aber die Frauen sind verschleiert. Fotos: Serena Bilanceri

Sandbänke sind beliebte Sehenswürdigkeiten bei den Touristen, auf Gulhi so wie auf jeder anderen Insel der Malediven. Streifen aus weißem Sand, die aus dem Ozean emporgekommen sind, umgeben von einer Lagune, die teilweise in einem Korallenriff mündet. Sie bieten optimale Bedingungen zum Schnorcheln. „Es ist gut, dass das Wasser so kristallklar ist“, denke ich. „So kann man die Haie kommen sehen.“

Die Provinzhauptstadt Kunming ist quirlig und belebt. Foto: Serena Bilanceri

Multikultur und Subkultur

Ähnliches stellt Serena Bilanceri bei ihrem Treffen mit der Punkband in Kunming fest. Die Musiker bewegten sich in einem Umfeld der Subkultur und seien extrem multikulturell. Auf der einen Seite. Die andere Seite ist die des chinesischen Staates, der so etwas wie die totale Kontrolle ausübt. In diesem Zusammenhang berichtet Serena Bilanceri vielsagend lächelnd: „Bei meiner zweiten China-Reise musste ich unterschreiben, dass ich nicht als Journalistin arbeite.“

Rock-Punk-Band

Kunming beeindruckt mit seinen Cafés, kaum größer als ein Zimmer, die im Tee gekochte Eier anbieten – wenn sie nicht alle sind, denn sie sind sehr gefragt – und den Straßenverkäufern, die Avocados, Orangen und Drachenfrüchte auf ihren Plastikplanen zur Schau stellen. (…)

Die Punkband in Kunming ist multikulturell. Foto: Serena Bilanceri

Mit den Polizisten, die keine Waffen tragen, dafür jedoch Schlagstöcke, und oft auf einem erhöhten Podest stehen, um einen besseren Überblick zu haben – oder vielleicht auch nur zeigen, dass sie in einer höheren Machtposition sind. Mit den Eltern und den Großeltern, die widerstrebende Kinder an der Hand zerren. Mit Älteren und Erwachsenen, die sich zum Tanzen in den Parks treffen, am Sonnenuntergang, wenn die Luft frischer wird in der Stadt des ewigen Frühlings.

Belebter Markt in Falam.

Hier gibt es das Buch

„Direzione Sud-Est“ gibt es online über die Amazon-Shops Deutschland und Italien sowie über Prospero Editore.