Über die Zeitenwende in den Kommunen

Die von Olaf Scholz verkündete „Zeitenwende“ ist in den Kommunen angekommen. Flächen, die eigentlich zivil genutzt werden sollten, könnten bis auf weiteres bei der Bundeswehr bleiben. Ein Beispiel aus Schwanewede.

Von Ulf Buschmann

Aus der einstigen Lützow-Kaserne in Schwanewede wird auf 80 Hektar ein neuer Ortsteil. In den kommenden 15 Jahre sollen Wohnen, Gewerbe, Kindertageseinrichtungen, Sport und einiges mehr zusammenwachsen. Darüber sind die Bevölkerung, die Ortspolitiker und die Verwaltung gleichermaßen erfreut – eigentlich. Denn die Freude hat in den vergangenen Wochen einen gehörigen Dämpfer bekommen. Der Grund: Die Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt benötigt den Fahr- und Übungsplatz in der Nachbarschaft sowie einen an die ehemalige Kaserne angrenzenden Schießplatz doch noch.

Die „sicherheitspolitische Lage“ habe sich „deutlich verändert und fordert eine Re-Fokussierung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung“, begründet eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums diesen Schritt: „Diese Neuausrichtung der Streitkräfte wirkt sich auf vielen Ebenen und auch auf den Flächenbedarf der Bundeswehr aus.“ Dies dürfte die Vermarktung erheblich erschweren, ist aus den Reihen der Politik und der Verwaltung zu hören.

Flächenkonversion-Zeitenwende-Bundeswehr-Zivilnutzung

Die ehemalige Kasener rechts im Bild gehört der Gemeinde Schwanewede. Oben zu sehen der Fahr- und Übungsplatz der Logistikschule. Der Schießplatz befindet sich direkt darunter. Quelle: Google Earth

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Sorge um den Schießplatz

Vor allem der Schießplatz macht den Planern der Gemeinde Sorge. Solange dieser noch benutzt werde, dürfte es aufgrund der Geräusch- und Lärmbelästigung schwer sein, in der Nachbarschaft die Wohnpläne zu verwirklichen, ist Bürgermeisterin Christina Jantz-Herrmann (SPD) überzeugt. Sie und andere Gemeindevertreter haben sich von der Truppe erklären lassen müssen, dass der Schießplatz von der Logistikschule nicht von heute auf morgen aufgegeben werden könne. Das Gelände sei unter anderem an andere militärische Einheiten vermietet.

Immerhin, erklärt Jantz-Herrmann, sei die Truppe bemüht, sich nach Alternativen umzuschauen – spätestens bis dann, wenn die Gemeinde den Bebauungsplan für die ehemalige Kaserne verabschiede. Ziel sei es, „eine gangbare Lösung für alle Beteiligten zu finden“, sagt die Bürgermeisterin: „An oberster Stelle steht, dass der Konversionsprozess der Gemeinde nicht konterkariert wird.“

Eile sei auch deshalb geboten, weil die Gemeinde für das Projekt Städtebauförderungsmittel in Anspruch nimmt. Heißt: Schwanewede muss innerhalb von 24 Monaten das Projekt planen sowie von weiteren 13 Jahren verwirklicht haben, zu dem unter anderem 500 bis 600 Wohneinheiten gehören. „Dafür fehlt mir die Fantasie, das in 13 Jahren abgebildet zu bekommen“, sagt Jantz.

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Fahr- und Übungsplatz Schwanewede: An der Schranke ist Schluss für die zivile Nutzung. Foto: Buschmann

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Wo die Bundeswehr zurück ist

In anderen Regionen der Bundesrepublik läuft es besser – dort freuen sich die Menschen über die Rückkehr der Soldaten. Hierzu gehört die Ortschaft Kriegsfeld, die zur rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Kirchheimbolanden gehört. Auch der Ort Bernsdorf im Landkreis Bautzen profitiert davon. In Kriegsfeld plant die Bundeswehr die Wiederinbetriebnahme das 2010 aufgegebenen Munitionsdepots. Dieses war bis zum Jahr 2000 von der US-Armee genutzt worden und trug den Namen „North Point“. Für die erneute Nutzung lässt der Bund 151 der einst 155 Bunker auf einer Fläche von rund 280 Hektar sanieren. Das Investitionsvolumen liegt nach einem Bericht des SWR vom Juni 2023 bei rund 70 Millionen Euro.

Genau genommen ist das Projekt Kriegsfeld eines von vor der ausgerufenen „Zeitenwende“. Denn die Bundeswehr hatte ihre Absicht bereits im Jahr 2019 kundgetan. Bis 2024 solle in Rheinland-Pfalz wieder Munition gelagert werden – inzwischen sprechen die Verantwortlichen von einem Zeitraum bis 2028. Dass sich die Umsetzung um Jahre verschiebt, ist den Menschen vor Ort egal. Für sie sei wichtig, dass die Bundeswehr überhaupt in die Region zurückkehre, betont Alber Ziegler. Er war bis Anfang Juli Ortsbürgermeister des knapp 1.000 Einwohner großen Dorfes.

Militärs sorgen für Arbeitsplätze

Die Rückkehr der Militärs komme schon deshalb gut an, weil dies Arbeitsplätze bringe und der Wohnungsbau angekurbelt werde, meint Ziegler. Von der ursprünglichen Absicht, das bis dato nicht mehr genutzte Depot wie viele andere Flächen als sogenannte Nationales Naturerbe zu nutzen, sind das Verteidigungsministerium und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als zuständige Verwalterin der Bundesliegenschaften inzwischen abgerückt. Selbst die Naturschutzverbände hätten die Wiedernutzung des Munitionsdepots laut Ziegler „wohlwollend“ begleitet. Ihre Begründung: Wildtier-Populationen könnten sich in einem umzäunten und somit geschützten Gelände ungestörter entwickeln als auf frei zugänglichen Flächen.

Ebenso erfreut wie in der Pfalz ist die Reaktion auf die Ankündigung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ausgefallen, dass auch in Bernsdorf kräftig investiert werden soll. Eine entsprechende Grundsatzerklärung gibt es zwar schon seit 2021. Doch der Minister wurde Ende vergangenen Jahres konkreter: Auf dem rund 320 Hektar großen ehemaligen Standort der Nationalen Volksarme im Landkreis Bautzen sollen 118 Millionen Euro in die sogenannte Ertüchtigung fließen. Dort werden 700 Soldaten eines neu aufzustellenden Logistikbataillons ihren Dienst versehen – plus etwa 100 Bedienstete anderer Bereiche. Das Ministerium spricht von 800 Dienstposten.

Mehr zum Thema

Mit der Zukunft der ehemaligen Lützow-Kaserne haben wir uns schon einmal befasst. Hier geht es direkt zum Text.