Ich wollte etwas zurückgeben

Der Brinkumer Verein „Pro Dem e. V.“ bildet Gesellschafter für Senioren und Menschen mit Demenz aus. Einblicke in ein soziales Ehrenamt.

Von Daniela Krause

Jutta von Behren erinnert sich: Die Demenz ihrer Mutter begann schleichend. „Nach einer Herzoperation war sie durch ein Delir schon sehr durch den Wind. Erste Gedächtnislücken traten auf und wurden mehr. Sie brauchte Pflege, vor allem aber eine fachkundige Begleitung.“ In der Zeitung hatte Jutta von Behren vom Senioren- und Pflegestützpunkt „Pro Dem e. V.“ gelesen, der als regionale Alzheimergesellschaft und Demenz-Kompetenzzentrum für die Gemeinden Stuhr und Weyhe sowie die Stadt Syke fungiert, und den Kontakt aufgenommen.

Jede Woche ein fester Termin

Kirsten Spiekermann, hauptamtliche Pflegeberaterin im Team „Pro Dem“, besuchte die Familie zu Hause, führte ein erstes Beratungsgespräch und sah sich die häuslichen Gegebenheiten und die Biografie der neuen Klientin an, um ein passendes Gruppenangebot für sie zu finden. Von da an hatte Jutta von Behrens Mutter jeden Donnerstag einen festen Termin. „Für mich war das eine Entlastung. Sie wurde hin- und zurückgebracht und bekam dort auch ein warmes Mittagessen“, erzählt Jutta von Behren. Besonders positiv hat sie in Erinnerung, dass ihre Mutter, die sonst eher vorsichtig und zurückhaltend war, die Betreuung in der Gruppe für Menschen mit Demenz sichtlich genoss. „Sie kam mit strahlenden Augen nach Hause und meinte: ,Das war ganz schön.´ Die Sitzgymnastik, die Erzählungen und Spiele – all das hat sie als sehr wohltuend empfunden.“

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Voraussetzungen für das Engagement

Im Jahr 2020 starb ihre Mutter mitten in der Coronapandemie. Schon damals stand für Jutta von Behren fest: „Ich wollte gerne etwas von dem zurückgeben, was meine Mutter bei Pro Dem erfahren hat.“ Am 18. April 2024 hielt sie als eine von 16 Schulungsteilnehmern ihr persönliches Zertifikat „Gesellschafterin für Senioren und Menschen mit Demenz“ in den Händen und kann nun von „Pro Dem“ vermittelt werden – sowohl in der Einzelbetreuung als auch in der Anleitung von Gruppenangeboten. Knapp 40 Stunden hat sie in die Vorbereitung ihres Ehrenamts investiert. Sie absolvierte einen Erste-Hilfe-Kurs und legte ein polizeiliches Führungszeugnis vor.

Bedarf ist höher als die Zahl der Begleiter

Der gemeinnützige Verein „Pro Dem“ freut sich über den Zuwachs im Team der rund 100 ehrenamtlichen Helfer. „Wir scharren schon mit den Hufen“, sagt Lilja Helms, Leiterin des geronto-sozialen Bereichs. „Denn der Bedarf ist viel höher als die Zahl der ausgebildeten Begleiter. Aktuell betreuen wir etwa 260 Familien im Rahmen unserer Beratung, so dass wir mit Wartelisten arbeiten müssen.“ Hinzu komme die große Dynamik im ehrenamtlichen Team, da krankheits- oder altersbedingt immer mal wieder jemand ausfalle. Von den Ehrenamtlichen sind rund 90 Prozent Frauen. Die wenigen Männer engagieren sich in der Einzelbetreuung oder als Fahrer. „Es dürften gerne mehr werden, da wir auch viele männliche Klienten haben, die mit einem anderen Herrn Schach oder Skat spielen wollen“, so Helms.

Jutta von Behren und Lilja Helms demonstrieren eine sportliche Beschäftigung von Senioren und Menschen mit Demenz, in dem sie zwei Poolnudeln festhalten und waagerecht hin und herbewegen.

Jutta von Behren und Lilja Helms demonstrieren eine sportliche Übung für Senioren. Foto: Daniela Krause

Themenvorgaben vom Land Niedersachsen

Jutta von Behren kann sich vorstellen, sowohl Frauen als auch Männer zu besuchen. Denkbar seien zum Beispiel gemeinsame Spaziergänge, kleinere Ausflüge, Einkaufsbegleitung, Gesellschaftsspiele oder auch einfach nur nette Gespräche. Das Handwerkszeug für ihre Einsätze hat die 64-Jährige in der Schulung mitbekommen, deren Inhalte auf Vorgaben des Landes Niedersachsen basieren. Darunter finden sich Themen wie psychische und somatische Erkrankungen im Alter, Ernährung und Wohnen im Alter, Hilfsmittel, Beschäftigungs- und Förderungsangebote, aber auch die angemessene Kommunikation mit Demenzkranken.

Wertvoller Erfahrungsaustausch

„Ich nehme ganz viel aus der Schulung mit“, berichtet Jutta von Behren. „Von dem Erfahrungsaustausch mit den anderen, den Hospitationen in den Gruppen und dem, was uns die hochmotivierten Referentinnen mit auf den Weg gegeben haben.“ Beeindruckt hat sie der Demenz-Parcours: Hier galt es, unter erschwerten Bedingungen alltägliche Aufgaben zu lösen und sich somit in die Lage einer dementen Person hineinzuversetzen. „Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass zur Vorbereitung eines Frühstücks 42 Schritte nötig sind“, erzählt von Behren. Auch beim Versuch, den Weg zu ihrer Tochter aus dem Gedächtnis zu Papier zu bringen, stieß sie an ihre Grenzen. „Verständnis, Geduld und Zugewandtheit sind das Wichtigste im Umgang mit Demenz“, zieht sie für sich als Fazit. „Und es aushalten zu können, wenn ein demenziell Erkrankter etwas erzählt, das nicht der Wahrheit entspricht.“

„Es soll beiden gut gehen, und das Arrangement muss für beide Seiten passen.“

Im nächsten Schritt wird Lilja Helms nun nach einem geeigneten Klienten für Jutta von Behren suchen. „Wir schauen genau, welchen Ehrenamtlichen wir zu welchem Fall schicken“, erläutert Helms. „Es soll beiden gut gehen, und das Arrangement muss für beide Seiten passen.“ Und: „Dieses Ehrenamt erfordert ein hohes Maß an Verbindlichkeit, Kontinuität und Verantwortung.“ Potentielle Gesellschafter sollten körperlich und psychisch gesund sein und gut Deutsch sprechen. Die Ehrenamtlichen erhalten eine Aufwandsentschädigung von 8,50 Euro die Stunde im Rahmen der Übungsleiterpauschale. Für das Betreuungsangebot stellt „Pro Dem“ den Klienten eine Rechnung aus. Diese kann allerdings, sofern ein Pflegegrad vorliegt, bei der Pflegekasse zur Erstattung eingereicht werden.

Gruppenbild der frisch ausgebildeten Gesellschafter für Senioren und Menschen mit Demenz.

Die neuen Gesellschafterinnen und Gesellschafter sind nun gut auf ihre Aufgabe vorbereitet. Foto: Rainer Jysch für Pro Dem e. V.

Große Spanne beim Alter der Gesellschafter

Jutta von Behren freut sich schon auf ihren ersten Einsatz: „Das Engagement der Leute hier ist fantastisch“, sagt sie. „Die brennen für das, was sie tun – und das steckt an.“ Obwohl sie in Dreye wohnt, kommt für sie auch eine Klientin oder ein Klient in Stuhr oder Syke infrage. „Ich bin ja mobil.“ Ein Pkw ist aber keine Voraussetzung, da man auf Wunsch auch wohnortnah eingesetzt werden kann. Auch beim Alter der Ehrenamtlichen gibt es eine große Spanne: „Zwischen 18 und 80 Jahre ist alles möglich“, sagt Lilja Helms. Für die nächste Schulung, die voraussichtlich im Winter /Frühjahr 2025 startet, nimmt sie bereits Anmeldungen entgegen.

Über Pro Dem e. V.

„Pro Dem e. V.“ wurde 2001 gegründet. Ziel des gemeinnützigen Vereins ist es, die Lebensqualität von Senioren mit einem Hilfe- und Pflegebedarf, von Menschen mit Demenz und die der Angehörigen zu verbessern. Die Schwerpunkte der Vereinsarbeit liegen in der Begleitung von Senioren und Menschen mit Demenz, in der Beratung und Entlastung der pflegenden Angehörigen sowie in der Koordinierung von medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen – beginnend mit einer neutralen und kostenlosen Erstberatung im Büro oder zu Hause. Die Sprechzeiten in Stuhr sind montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr, freitags von 9 bis 14 Uhr und nach Vereinbarung.

Mehr Infos unter Telefon 0421/898 33 44 oder online unter www.prodem.info.

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