Dem Geläut ganz nah

Julian Kambach aus Bookholzberg dokumentiert das Geläut von Kirchen im Nordwesten. Zu sehen und zu hören sind die Ergebnisse auf seinem Youbube-Kanal „Glockenlandschaft Niedersachsen“ – ein Turmbesuch.

Von Ulf Buschmann

Julian Kambach ist ein begnadeter Kletterer. Er turnt unter den Balken durch, schwingt sich auf den nächsten und sitzt bald über jeder Glocke. Er zieht sein Smartphone aus der Tasche und fotografiert die Sprüche, Verzierungen und alles, was eine Glocke ausmacht. „Ich bin gleich fertig“, ruft er seinem Begleiter zu. Fast zwei Stunden haben sie bereits im Turm der Stadtkirche Vegesack verbracht. Am nächsten Tag steht die Kirche Alt-Aumund auf dem Plan. „Von hier aus kann man die Grohner Kirche sehen“, sagt Julian bei einem Blick aus dem Fenster. Auch das Geläut kennt er schon.

Der 17-Jährige aus Bookholzberg hat ein ungewöhnliches Hobby: Er dokumentiert fast jedes Geläut der Kirchen in Nordwestdeutschland. Diese Aufnahmen lädt er auf seinen YouTube-Kanal „Glockenlandschaft Niedersachsen“ hoch – eine echte Fleißarbeit mit knapp 70 Videos. Doch die Zahl wächst ständig, denn Julian fügt immer neue Videos hinzu. Er dokumentiert nicht nur jede Glocke mit ihrem charakteristischen Schlag, sondern auch das Vollgeläut, das Plenum und die Besonderheiten jeder Kirche.

Die Glocke 2 der Auferstehungskirche Bookholzberg. Foto: Julian Kambach

Erstes Geläut in Bookholzberg

Seit 2022 reist Julian Kambach in Sachen Glocken und Geläut. „Ich fand es faszinierend, dass man die Glocken der Auferstehungskirche bei uns in Bookholzberg sehen konnte“, erzählt er von den Anfängen seines Hobbys. Da er in der Auferstehungskirche konfirmiert wurde, fragte er nach und machte seine erste Aufnahme – anfangs sehr „amateurhaft“, wie er findet: „Ich habe ein Stativ aufgestellt und die Glocken angeschaltet.“

Inzwischen hat sich der 17-Jährige professionalisiert. In einer großen Tasche trägt er Baustrahler, Stative, eine Kabelrolle und diverse Kleinteile. Bevor er mit der eigentlichen Arbeit beginnt, probiert er die Steuerung aus: Mit welchem Knopf wird die kleinste, mit welchem die größte der vier Glocken im Turm der Vegesacker Stadtkirche angesteuert?

Ein Teil des Geläuts der Stadtkirche Vegesack. Foto: Ulf Buschmann

Hinauf in den Turm

Dann geht es die wackeligen Treppen im Turm hinauf. Oben im Glockenstuhl verschafft sich Julian einen Überblick – sein erster Blick gilt der Steuerung. Erstaunlich: Der 17-Jährige kennt sich besser mit der Elektrik aus als sein Begleiter von der Kirchengemeinde Aumund-Vegesack. Jetzt bringt Julian seine Baustrahler in Stellung.

Eigentlich könnte es jetzt losgehen. Doch der Geläutspezialist steigt zuerst ein Stockwerk tiefer. Dort stellt er ein iPhone auf ein Stativ. Er nutzt die beiden eingebauten Mikrofone zur Tonaufnahme. „Die Tonspur schneide ich nachher ins Video“, erklärt Julian seinem erstaunten Begleiter. „Das Geläut wird seitlich abgestrahlt, deshalb nehme ich es von unten auf.“

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Wenn der Glockenstuhl wackelt

Julian kehrt in den Glockenstuhl zurück, reicht seinem Begleiter einen Ohrenschutz und gibt ein Zeichen. Die erste der vier Vegesacker Glocken, A, läutet etwa 60 Sekunden, es folgen B, C und D. Letztere ist die größte Glocke. Zum Abschluss ist das Vollgeläut dran. „Damit man alle Glocken zusammen hört“, erklärt Julian. Das Vollgeläut nimmt er später auch noch von außen auf. Wenn alle vier Glocken läuten, zeigt sich, welchen Kräften der Glockenstuhl ausgesetzt ist: Er bewegt sich hin und her.

Nach knapp zwei Stunden packt Julian seine Sachen wieder ein. Jetzt macht er nur noch Fotos von der Kirche: Altar, Schiffe im Kirchenraum, Liedanzeige. Der 17-Jährige kennt sich aus: „Das ist eine typisch reformierte Kirche“, kommentiert er den schlichten Kirchenraum. Sein Begleiter klärt ihn auf: Bis zur Vereinigung mit den drei umliegenden Gemeinden sei Vegesack eine unierte Gemeinde gewesen. Lutheraner und Reformierte hätten sich unter einem Dach zusammengefunden.

Die rund sechs Tonnen schwere Glocke 1 von St. Marien in Celle ist die größte, die Julian Kambach bislang aufgenommen hat. Foto: Kambach

„Drittes Zuhause“ in den Türmen

Zum Gespräch gibt es ein Eis, das Gespräch dreht sich um Julians Verhältnis zu Religion und Kirche. „Wenn ich für die Aufnahmen in den Türmen bin, lege ich mehr Wert auf den kulturhistorischen Bezug“, sagt er, „die Kirchen gehören mit zum Alltag dazu.“ Den Glocken so nahe zu sein, sei ein „befreiendes Gefühl“. Und: „Ich kann meine Gedanken abschalten. Das ist für mich wie ein drittes Zuhause.“ Der 17-Jährige ist zwar religiös, spricht darüber aber nicht von sich aus.

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Auch Jörn Bergmann sammelt das Geläut von Kirchenglocken. Damit beteiligt er sich an #createsoundscape. Den ganzen Text gibt es hier.