Zeitloser Rock mit Silly

Silly begeistert Fans mit ikonischem Auftritt auf dem Domplatz in Verden, bei dem Julia Neigel und Toni Krahl mit ihrer einzigartigen Kombination für Gänsehaut-Momente sorgen und die Band mit zeitlosen Songs überzeugt.

Von Ulf Buschmann

Es gibt Abende, an denen der Besucher mit einem breiten Grinsen über die dunkle Autobahn nach Hause fährt. Dieses Gefühl kommt aus der Seele. Es hat nichts mit speziellen Dragees zu tun, die natürliche Schönheit von innen versprechen. Vielmehr lässt Silly die Seele leuchten. Dass die 1978 in Ost-Berlin gegründete Band etwas Ikonisches ausstrahlt, war klar. Aber dass ein Konzert so tief unter die Haut geht, ist eine Überraschung. So geschehen beim Konzert auf dem Domplatz in Verden.

Silly-Intro vor dem Verdener Dom. Foto: Buschmann

Silly gehörte einst zur Crème de la Crème der DDR-Rockbands. Mit ihrer Sängerin Tamara Danz war Silly eine Legende. Dann kamen die Wende und der Fall der Mauer. Plötzlich änderten sich die Rahmenbedingungen für die Musiker. Silly schaffte den Sprung in die neue Wirklichkeit. Der eigentliche Tiefschlag war der Tod von Tamara Danz im Jahr 1996. Danach zogen sich die Künstler viele Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. Bis die Band Silly mit Anna Loos 2006 eine neue Frontfrau fand. Sie stieg 2018 aus, es kamen AnNa R., die ehemalige Rosenstolz-Sängerin, und Julia Neigel. Erstere blieb bis 2022, letztere ist noch immer dabei. Ihr zur Seite steht seit vergangenem Jahr Ex-City-Sänger Toni Krahl.

Silly geben in Verden Gas. Foto: Buschmann

Neigel/Krahl als beste Mischung

Die Mischung Neigel/Krahl ist das Beste, was Silly passieren konnte. Daran ließ die Band beim Verdener Konzert keinen Zweifel. Julia Neigel treibt die Band und die Zuschauer mit ihrer Stimme voran. Toni Krahl ist der Zurückhaltendere, der sich mit seiner rauen Stimme und seinem Berliner Charme in die Herzen der Zuschauer schraubt. Und dann sind da noch die Ur-Silly-Mitglieder: Rüdiger „Ritchie“ Barton (Keyboard, Gesang), Uwe Hassbecker (Gitarre, Geige) und Hans-Jürgen „Jäcki“ Reznicek (Bass). Hier haben sich Menschen gefunden, die zusammengehören. Julia Neigel sagt vor dem Konzert: „Ich fühle mich so gut in dieser Konstellation.“ Bei Silly und City ist es etwas anders. Dass Toni Krahl nach dem Ende seiner Band zu Silly stößt, war eigentlich unvermeidlich. Toni Krahl erklärt: „Es hat schon immer eine Seelenverwandtschaft mit Silly und City gegeben.“

Das Ganze macht die Berliner ikonisch. Aber nicht nur: Ihre Texte sind lyrisch und tiefgründig. Darauf angesprochen, muss „Ritchie“ Barton schmunzeln. „Diese spezielle Art, Deutsch zu texten, kam durch die Zensur“, sagt er, „wir mussten, wie alle Künstler in der DDR, Wege finden, sie zu umgehen.“ Dass Silly „nach der Wende diese künstlerische Form beibehalten hat“, wie „Ritchie“ Barton meint, ist das größte Plus, das die Band im Jahr 2024 hat. Julia Neigel bringt es auf den Punkt: „Das macht die Songs so zeitlos. “

Silly-Konzert-Interview- Verden-Domplatzkonzert

Vor dem Konzert stehen die Silly-Mitglieder im Interview Rede und Antwort. Foto: Dana Barthel

Hier geht es zum Newsletter

Ausgewählte Beiträge schon vor allen anderen lesen?
Keine Problem, trage dich einfach in unseren Newsletter ein.



Silly-Verden-Thomas-Meyer-Cornelia-Meyer-Pons

Thomas Meyer und seine Frau Cornelia Meyer-Pons aus Delmenhorst sind bekennende Silly-Fans. Foto: Buschmann

Die Silly-Fans

Silly ist Rock’n’Roll, Fans inklusive. Und davon gibt es mehr als man denkt. Sie sind, logisch, nach Verden gekommen. Cornelia Meyer-Pons und ihr Mann Thomas Meyer aus Delmenhorst gehören dazu. „Ich war schon vor der Wende Silly-Fan“, sagt er. Angefangen habe alles mit dem 1983 veröffentlichten Album „Mont Klamott“. Seine Frau steckte er vor 15 Jahren mit der Leidenschaft an. Thomas Meyers Silly-Liebe begann mit der Musik, die Beschäftigung mit den Texten kam später dazu. „Es holt einen ab, es nimmt einen mit, es ist einfach schön“, sagt der Delmenhorster.

Silly-Verden-Helko-Höhne

Helko Höhne ist für das Verdener Konzert extra aus dem Salzlandkreis angereist. Foto: Buschmann

Extra für das Konzert ist Helko Höhne aus dem Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt nach Verden gekommen. Der 42-Jährige ist mit seinem Bruder da, der in der Region lebt. Seine Musikliebe begann nach dem Jahr 2000 mit den Puhdys. Bis zu deren Auflösung im Jahr 2016 besuchte er 60 Konzerte. „Silly lief immer so nebenbei mit“, sagt Helko Höhne. Die damalige Besetzung mit Anna Loos als Sängerin gefiel ihm nicht. Doch seit sie weg ist, „sind Silly wieder zu ihren Ostrock-Wurzeln zurückgekehrt. “ Und dass Toni Krahl jetzt dabei ist, findet Helko Höhne „sehr spannend. “

Das Konzert

Der musikalische Pfeil von Silly trifft. Keinen der rund 650 Besucher hält es ab dem zweiten Stück noch auf den Stühlen. Schon hier zeigt sich die feine Arbeitsteilung von Julia Neigel und Toni Krahl: Sie treibt die Fans mit „Lautes Schweigen“ an, er verzaubert mit seiner rauen Interpretation von „Bataillon d’Amour“. So geht es in den kommenden zwei Stunden weiter. Dabei nehmen sich die anderen Sillys vornehm zurück.

Silly-Verden-Uwe-Hassbecker-Toni-Krahl

Sie verbindet so etwas wie eine Seelenverwandtschaft: Uwe Hassbecker und Ex-City-Frontmann Toni Krahl. Foto: Buschmann

Wer länger Silly-Fan ist, weiß: Tamara Danz schwebt noch immer im Leben der Band mit, die daraus kein Hehl macht. „Sie wird immer in unseren Herzen bleiben“, sagt Basser „Jäcki“ Reznicek. Aber mit der Neigel/Krahl-Kombination hat Silly im positiven Sinne Tamara Danz hinter sich gelassen. Lediglich bei „Asyl im Paradies“ ist Tamara Danz per Sample noch einmal aus dem Jenseits zu hören. Und dann sind da noch die beiden „Wunschtitel“ von Julia Neigel und Toni Krahl: „Instandbesetzt“ wirkt als Neuinterpretation wunderschön mystisch. Aufhorchen lässt auch die von Silly modernisierte Version des City-Klassikers „Paradiesvogel“.

Bis zum Ende sorgt Silly für weitere Gänsehaut-Momente; die beiden intensivsten beim City-Stück „Berlin“, natürlich gesungen von Toni Krahl, und beim Finale mit „Alles Rot“. Dazu schalten die Fans die Lichter ihrer Mobiltelefone an. Vor der Kulisse des Verdener Doms ist es ein besonderer Augenblick.

Verden-Silly-Domplatzkonzert

Das große Finale und der Abgang von der Bühne. Foto: Buschmann

Mehr Konzert

Wer sich für mehr Musik interessiert: Hier geht es zu Saga und hier Beatrice Egli.