Lasst mir bitte meine Indianer

Udo Lindenbergs Song „Sonderzug nach Pankow“ darf es sein. Nicht aber das Wort „Oberindianer“, das darin vorkommt. Zumindest wollen zwei Chöre dieses bei einer Veranstaltung zur Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik in der Gegenwart“ nicht singen. Unseren Autor verstört es.

Von Ulf Buschmann

Die Nachricht ließ mich in der vergangenen Woche aufhorchen: Zwei Chöre werden im November im Humboldt Forum zwar Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ singen. Doch das Wort „Oberindianer“ soll darin nicht vorkommen. Laut Deutschlandfunk und RBB soll daraus „Ober-I“ werden; oder etwas Ähnliches. Die Begründung: Angehörige der indigenen Völker Amerikas könnten sich diskriminiert fühlen. Ich unterbrach meine Arbeit und hörte genauer hin. „Unglaublich“, sagte ich zu mir.

Bislang habe ich mich zu diesem stellenweise heiß diskutierten Thema mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten – alleine schon, um den Rechten keine Steilvorlage zu liefern. Aber die „Oberindianer“-Aktion der beiden Chöre hat für mich den Bogen überspannt. Es ist schließlich nicht die erste Aktion dieser Art. Das erste Mal hellhörig wurde ich im August 2023: Damals vermeldete der WDR, einen Warnhinweis vor den alten Folgen der Otto-Show aus den 1970er-Jahren zu setzen, die in der ARD-Mediathek abrufbar sind. „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden“, heißt es dort.

Kein „Oberindianer“ ist
kulturelle Bevormundung

Cancel Culture ist dies nicht, wohl aber kulturelle Bevormundung. Der „Oberindianer“, mit dem übrigens Erich Honecker gemeint ist, die Otto-Shows aus den 1970er-Jahren und viele andere Produkte der Kultur: Sie alle sind in Sprache und Sichtweise jeweils ein Kind ihrer Zeit und des Zeitgeistes. Komik, Kabarett und Slapstick wie Otto Waalkes sie vor fünf Jahrzehnten herausgehauen hat, war eine andere als heute. Gleiches gilt für den nachweislich ironischen Oberindianer von Udo Lindenberg. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Auch die Kinderbücher von Otfried Preußler und „Jim Knopf“ von Michael Ende sind leider schon in den Fokus entsprechender Diskussion geraten. Passagen sollten in zeitgemäßer Sprache umgeschrieben werden. Ich bin dagegen! Bücher, Hörspiele, Filme – alles das ist für Generationen für die kulturelle Identifikationsfindung und Sozialisation gewesen. Werden die Passagen umgeschrieben, berauben die Autoren Menschen ihrer Vergangenheit und ihrer Identität. Darüber reden und Begriffe einordnen: Das macht Sinn, um das Verständnis zwischen den Generationen zu fördern.

Im Übrigen kann dies alles komplett nach hinten losgehen. Denn: Je mehr sich Menschen in Sachen vermeintlicher diskriminierender Passagen oder Worte melden, desto mehr ist dies Wasser auf die Mühlen der Rechten – von Populisten bis zu den Faschisten.

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