Windräder vs. Naturschutz: Eine Lösung für alle
Mit Kameras und KI sollen Kollisionen zwischen Windrädern und Vögeln verhindert werden. Ein Windpark in Niedersachsen ist in der Vorreiterrolle.
Von Andree Wächter
Naturschutzverbände stecken oft in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite fordern sie den Ausbau der regenerativen Energien wie Windräder. Auf der anderen Seite sagen sie, dass die Windräder eine Gefahr für Fledermaus und seltene Vögel wie Rotmilan und Uhu darstellen. Dem gegenüber steht der Betreiber eines Windparks, der möglichst viel Strom „ernten“ möchte.
Bei einer möglichen Vogelgefährdung haben die Genehmigungsbehörden wie Landkreise dann oft eine zeitliche Abschaltung der Wind-Anlagen zur Auflage gemacht. Obwohl die unterschiedlichen Bedürfnisse Berücksichtigung fanden, sind beide Seiten mit der Lösung meist unglücklich.
Windräder vs. Naturschutz: Eine Lösung für alle
Moderne Kameratechnik macht Mut, dass dieser Gordische Knoten nun durchschlagen werden kann und so die Streitereien um Abschaltzeiten bald flächendeckend der Vergangenheit angehören. Die Firma Birdvision hat ein Antikollisionssystem (AKS) entwickelt. Der Windpark in Süstedt ist der erste Windpark in Niedersachsen, der diese Technik schon einsetzt.
2024 stattete die Firma Schierloh Engineering zwei Windräder mit Kameras aus, dass den Himmel rundum erfassen. Die ersten Monate dienten zu Testzwecken und jetzt liegt das Ergebnis der fachlichen Begutachtung vor. In einer Mitteilung heißt es: Birdvision erfüllte sämtliche Anforderungen an Wirksamkeit und Zuverlässigkeit und wurde gemäß den landesweiten Prüfkriterien als fachlich wirksam bestätigt. So können Artenschutz und der Ausbau der Windenergie in Einklang gebracht werden. Die dazu angefragten Umweltverbände haben kein Statement abgegeben.
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Das AKS basiert auf zwölf Hochleistungskameras. Sie sind zu sechs Stereopaaren am Turm der Windenergieanlage angebracht. Diese ermöglichen eine räumliche Erfassung von Flugbewegungen. Ein KI-basiertes Detektions- und Klassifizierungsnetzwerk analysiert die Flugobjekte in Echtzeit, erkennt mehrere Vögel gleichzeitig und löst bei Bedarf automatisch bedarfsgerechte Abschaltungen aus. Dies passiert also nur dann, wenn ein Vogel tatsächlich in den Risikobereich einer Anlage eindringt. Auf der Homepage von Birdvision heißt es dazu: Je nach Windgeschwindigkeit beträgt die Zeit vom Senden des Abschaltsignals bis zum Stillstand der Anlage zwischen 20 und 30 Sekunden.
Moderne Technik am Windrad
Technischer Fortschritt und deutsche Behörden sind oft nur schwer in Einklang zu bringen. Ein Windpark-Betreiber kann nicht einfach eine Kamera mit Vogelerkennungs-Software installieren und dann sagen „nun habe ich einen funktionierenden Vogelschutz“. Bis jetzt musste jeder Projektierer die Wirksamkeit der einzelnen AKS nachweisen. Im Idealfall erkannten Behörden das System an. Mit diesen Insellösungen soll jedoch Schluss sein. Das Bundesland Schleswig-Holstein hat einen Prüfrahmen für Antikollisionssysteme aufgestellt, mit dem Ziel, die AKS-Systeme zu standardisieren. Der Prüfrahmen legt Mindestanforderungen an Entwicklung, Validierung und Prüfung solcher Systeme fest. Ziel dieses bundesweit beachteten Modells ist eine Vereinheitlichung der Genehmigungspraxis.
Das Birdvision erfüllt die geforderten Mindestanforderungen. Für den Windpark Süstedt bedeutet dies, dass auch weitere Windräder mit dieser Technik ausgestattet werden, schreibt der Betreiber.
Tote Vögel: So viele sterben am Windrad
Rotorblätter von Windenergieanlagen töten Vogel. Im Gegensatz zur „gefühlten Wahrheit“ ist ihr Anteil an den toten Vögeln gering. Der Nabu schätzt, dass jährlich rund 100.000 Vögel durch Kollisionen mit Windkraftanlagen zu Tode kommen. Zum Vergleich: Schätzungsweise kommen bis zu 115 Millionen Vögel durch die Kollision mit Glasscheiben und verspiegelten Glasfassaden zu Tode. Weitere bis zu 70 Millionen im Straßen- und Bahnverkehr.



Andree Wächter