Fahrgastschiff Marie: Fahrt mit Meditationscharakter

Seit zehn Jahren ist der Nachbau des Fahrgastschiffes „Marie“ im Bremer Bürgerpark unterwegs – eine Rundfahrt zum Ferienbeginn.

Von Ulf Buschmann

Die „Marie“ dümpelt im Meiereisee des Bremer Bürgerparks vor sich hin. Erste Gäste sind bereits an Bord, Skipper Hans-Ulrich Helms begrüßt zwei weitere Pärchen. „Möchten Sie mitfahren?“, fragt er einen der beiden Männer schelmisch grinsend. „Ja, würden wir gerne“, antwortet Nils Freund aus Bremen ebenso schelmisch lachend. Mit ihm steigen seine Frau Johanna sowie deren Freunde Anica Lüdeke und Björn Straßburg aus Bassum zu. Die kleine Tour heute ist Teil eines Hochzeitsgeschenks für die Freunds – eines, das sie in den kommenden 90 Minuten in vollen Zügen genießen werden.

Fahrgastschiff-Marie-Fahrgäste

Genießen die „Fahrt mit meditativem Charakter (v.l.): Anica Lüdeke, Björn Straßburg, Johanna und Nils Freund. Fotos: Ulf Buschmann

16 Uhr: Die „Marie“ legt ab

Punkt 16 Uhr legt Hans-Ulrich Helm mit der „Marie“ ab. Es ist die letzte von insgesamt drei Touren für diesen Sonnabend. Mit an Bord ist Peter Meyer. Auf die Frage nach seiner Funktion antwortet er mit mindestens so schelmisch grinsend wie sein Kollege: „Ich bin heute der Moses.“ Doch das ist mindestens leicht untertrieben. Peter Meyer gehört mit seinem Nachfolger Thomas Weßel zu jenen Menschen, die dafür gesorgt haben, dass es im Bürgerpark Bremen überhaupt wieder ein Fahrgastschiff wie die „Marie“ gibt beziehungsweise das Fahrzeug überhaupt in Fahrt kommt. Dieser Nachbau des ersten Bootes von 1920 ist vor zehn Jahren, im April 2013, zu Wasser gelassen worden.

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Fahrgastschiff-Marie

Das Ruder der „Marie“.

Über den Meiereisee im Bürgerpark

Während Hans-Peter Helms die „Marie“ vom Meiereisee über das Grabensystem des Bürgerparks vorsichtig an einem erst morgens umgestürzten Baum vorbeimanövriert, erzählt Peter Meyer etwas über die Geschichte hinter dem Fahrzeug: Die „Marie“ von 1920 sei vom damaligen Wirt der Meierei bei der Lürssen-Werft in Auftrag gegeben worden. Das Boot habe dieser nach seiner Frau benannt. Später folgte ein zweites Boot mit dem Namen „Meierei“. Beide Boote gingen am Ende des Zweiten Weltkriegs verloren.

Die neue „Marie“ wird gebaut

Erst Jahrzehnte später sollte es ein neues Fahrgastschiff geben – der Bürgerparkverein als Träger und Betreiber habe das Boot bei der Bremer Bootsbau Vegesack (BBV) in Auftrag gegeben. Doch der Beschäftigungsträger wurde insolvent, deshalb wurde das halbfertige Boot zur Bootswerft Winkler gebracht und dort vollendet. Wenn Peter Meyer darüber spricht, gerät er noch immer ins Schwärmen, seine Gesichtszüge hellen sich auf: „Hier ist kein Kunststoff verarbeitet worden.“

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„Marie“ mit E-Motor

Peter Meyer hat die Koordination für die Törns übernommen. Doch zuvor erkundete er mögliche Routen mit dem Ruderboot – auf dieser Grundlage schippert die „Marie“ bis heute auf einem Rundkurs von 90 Minuten mit mehreren Zwischenstopps über die Gewässer. Doch im Gegensatz zum Original mit Petroleummaschine gleitet der Nachbau elektrisch mit einem durchs Wasser. Sechs Kilowatt Leistung bringt der Motor, der 48-Volt-Batteriesatz liefert 700 Amperestunden.

Fahrgastschiff-Marie-Ausblick

Mit der „Marie“ geht es an lauschigen Uferplätzen und schattigen Bäumen entlang.

Lautlos zum Emmasee

Lautlos gleitet die „Marie“ durch den Kanal in Richtung Emmasee. Die Passagiere winken, die Spaziergänger an Land winken zurück. Vorne am Bug sitzen Johanna und Nils Freund. Ihnen gegenüber haben es sich Anica Lüdeke und Björn Straßburg gemütlich gemacht. Ihnen geht es, wie allen Passagieren: Sie kommen runter, genießen Landschaft und Stimmung an diesem heißen Tag. Zum Glück spenden die Baumkronen links und rechts am Ufer auch auf dem Wasser Schatten.

Fahrgastschiff-Marie-Handyfoto

Johanna Freund verewigt die Fahrt mit der „Marie“ mit einem Handyfoto.

Landschaftliche Schönheiten

Hin und wieder heißt es: Achtung Ast, bitte den Kopf einziehen. „Es ist ruhig und sehr erholsam“, beschreibt Björn Straßburg seine Stimmung, „man kann gut abschalten.“ Anica Lüdeke meint: „Ich finde es landschaftlich sehr schön. Man hat nicht das Gefühl in Bremen zu sein.“ Johanna und Nils Freund genießen – und schweigen. Hin und wieder holt jeder der Vier sein Smartphone hervor und macht ein Foto.

Fahrgastschiff-Marie-Auf-Fahrt

Skipper Hans-Ulrich Helms (vorne) und Peter Meyer sind an diesem Nachmittag an Bord.

Meditative Fahrt mit der „Marie“

Hans-Ulrich Helms und Peter Meyer freuen sich ein ums andere Mal über die positiven Reaktionen der Fahrgäste. Durch den geräuschlosen Elektromotor „hat die Fahrt einen gewissen Medidationscharakter“, weiß Peter Meyer aus Erfahrung. Hans-Ulrich Meyer berichtet von älteren Damen, die während der Fahrt genüsslich weggedöst seien und sich gewundert hätten, dass die Fahrt schon vorbei sei.

Fahrgastschiff-Marie-Peter-Meyer-Hans-Ulrich-Helms

„Moses“ Peter Meyer (links) und Skipper Hans-Ulrich Helms.

Bürgerpark als Bahnhofsattrappe

Die Stille an Bord wird hin und wieder durch Erläuterungen von Peter Meyer unterbrochen: Die Melchersbrücke, unter der es hindurch geht, sei die einzige gewesen, die den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstanden habe. Die anderen Brücken seien durch Bombentreffer ganz oder teilweise zerstört worden, „weil der Bürgerpark als Bahnhofsattrappe diente“, sagt Peter Meyer. Etwas später zeigt er nach links: „Dort sind unsere kanadischen Gänse, drei Familien mit bis zu neun Kücken.“ Die Fahrgäste sind verzückt.

Marie-Koodinator Thomas Weßel.

Thomas Weßel koordiniert die Aktivitäten rund um die „Marie“.

Vom Bürgerpark angetan

Unterwegs steigen zwei Frauen aus Hamburg zu. Ihnen gefällt es an Bord so gut, dass sie die etwa 4,2 Kilometer lange Strecke glatt noch einmal fahren möchten. „Ich bin von der Schönheit des Bürgerparks sehr angetan“, sagt eine der beiden Frauen. Mit einer zweiten Runde wird es heute nichts mehr, denn die „Marie“ ist längst wieder auf dem Meiereisee. In wenigen Minuten ist die fahrt zu Ende. Unter einem Baum tauscht ein Paar innige Zärtlichkeiten aus. „Wir wissen schon ein paar Namen“, ruft Hans-Ulrich Helms herüber. Das Paar lacht.

Fahrgastschiff-Marie-Bootshaus

Das Bootshaus für die „Marie“.

Bootshaus der „Marie“

Nachdem alle Gäste von Bord gegangen sind, steuern der Skipper und Peter Meyer das Bootshaus auf der gegenüberliegenden Uferseite an. Per Fernsteuerung öffnet Hans-Ulrich Helms die Tore. Festmachen, die Batterien zum Laden ans Stromnetz hängen, der Tag für heute ist gelaufen – wie immer ohne technische Schwierigkeiten. Die gibt es laut „Marie“-Koordinator Thomas Weßel, der das Amt von Peter Meyer übernommen hat, inzwischen nicht mehr. Nur in den ersten vier, fünf Jahren hätten die Batteriesätze Ärger gemacht. „Aber die Zeiten sind vorbei“, sagt Thomas Weßel.

Fahrten mit der „Marie“

Wer sich für eine Rundfahrt interessiert, kann freitags bis sonntags zu einem der Anleger kommen. Freitags fährt die „Marie“ jeweils von 13 bis 16 Uhr, sonnabends sowie sonn- und feiertags gibt es von 11 bis 16 Uhr jeweils 90-minütige Rundtouren. Die Preise: Erwachene 9 Euro, Kinder bis 12 Jahren sowie Mitglieder des Bürgerparkvereins 5 Euro. Kinder bis 6 Jahre fahren kostenfrei mit. Für Die „Marie“ bietet Platz für 30 Personen und kann auch für private Fahrten gemietet werden. Weitere Informationen gibt es jeweils von montags bis freitags von 11 Uhr bis 16.30 Uhr unter der Telefonnummer 0174/9917249 oder unter der Mailadresse marie@buergerpark-bremen.de.