Vom „Klecks“ zum Gesamtkunstwerk
Mit einer besonderen Ausstellung feiert die Oldenburger Kunstschule ihr 40-jähriges Bestehen. Zu sehen sind Arbeiten ehemaliger Kunstschüler von den 1990er-Jahren bis heute.
Von Daniela Krause
Die Oldenburger Kunstschule ist die größte ihrer Art in Niedersachsen. Damals unter dem Namen „Jugendkunstschule Klecks e. V.“ gegründet, bildet sie heute eine tragende Säule des kulturellen Lebens in der Stadt Oldenburg. Anlässlich ihres 40-jährigen Geburtstages gastiert die Kunstschule noch bis zum 10. November 2024 mit der Ausstellung „40 Jahre wirken in der Stadt“ im Oldenburger Schloss im Landesmuseum für Kunst und Kultur. Gezeigt werden, jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, künstlerische Arbeiten 15 ehemaliger Schüler, die von den 1990er-Jahren bis heute entstanden sind. Beleuchtet werden dabei unter dem Titel „Berufliche Wege in die Künste“ auch die unterschiedlichen Werdegänge der einzelnen Künstler.
Hier geht es zum Newsletter
Ausgewählte Beiträge schon vor allen anderen lesen?
Keine Problem, trage dich einfach in unseren Newsletter ein.
Zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum
1984 von Deliane Rohlfs gegründet, bietet die Kunstschule einen offenen Raum, in dem Kinder und Jugendliche ihre kreativen Talente jenseits des regulären Unterrichts entfalten können. „Hervorzuheben sind die vielfältigen Kooperationen mit Schulen und die zahlreichen Projekte im öffentlichen Raum, durch die die Kunstschule auf unterschiedlichsten Ebenen in die Stadt hineinwirkt“, sagt Rohlfs. Beispielhaft nennt sie das alle zwei Jahre stattfindende Zeichenfestival „ausgezeichnet!“, die jährliche Vergabe von Projektstipendien an junge Künstler sowie Projekte wie die von 2017 bis 2019 in den Schlosshöfen eingerichtete „DesignWerkstatt“ zum Thema Nachhaltigkeit mit Anastasia Lotikova.
Gemeinschaftsaktion: „Meine Welt – Deine Welt“
Zum runden Jubiläum präsentiert sich die Kunstschule außerdem mit der Gemeinschaftsaktion „Meine Welt – Deine Welt“. Kinder, Jugendliche, Eltern, Ehemalige, Interessierte, Schulen, Institutionen, Partner und Förderer haben in den vergangenen Monaten in Workshops Motive zu unterschiedlichen Arbeits–, Wohn–, Privat– oder Lebenswelten gestaltet und so das Thema Vielfalt sichtbar gemacht. Die Werke sind nun, parallel zu der Ausstellung im Oldenburger Schloss, an verschiedenen Orten in der Stadt auf Plakatwänden und Litfaßsäulen zu sehen. Der Entstehungsprozess lässt sich anhand einer Filmdokumentation nachvollziehen.
Von der Oldenburger Kunstschule in die Kulturwelt
„Mit der Ausstellung wollen wir verdeutlichen, wie vielfältig die Wege und Positionen sind, die von der Kunstschule hinaus in die Kulturwelt führen“, erklärt die Kuratorin Veronika Pögel. Sie hat bis 2000 das offene Atelier der Kunstschule geleitet. Manche Künstler sind heute erfolgreich auf dem Kunst- und Filmmarkt aktiv oder auf dem Weg dorthin. Andere arbeiten in Berufen wie Mode- und Kommunikationsdesign oder sind noch in der Ausbildung. „Im Zusammenspiel der verschiedenen Exponate und im Miteinander der ehemaligen Kunstschüler unterschiedlichen Alters entsteht so ein sichtbares Zeitdokument, das die Vergangenheit fließend mit der Gegenwart verbindet“, beschreibt Deliane Rohlfs.
Eintauchen in künstlerische Prozesse
Die Ausstellung im Schloss zeigt die breite Palette der Kunst: Zu sehen sind Rauminstallationen, Malerei, Grafik, Objekte, Kostümentwürfe, Videoinstallationen und Filme. Darunter sind Werke von Thomas und Renée Rapedius, Michael Beutler, Heide Hinrichs und Sven Taddicken. Sie alle besuchten in den 1990er-Jahren das offene Atelier von Veronika Pögel und sind heute erfolgreich in ihren Bereichen tätig. „Die Zeit in der Kunstschule war ideal, um sich auf die Hochschule und das eigenständige Arbeiten vorzubereiten“, sagt Renée Rapedius. „Mir hat gefallen, dass die Ateliers immer geöffnet waren und wir keine festen Zeiten hatten.“ Die Dozenten helfen den Schülern, ihren eigenen Stil zu finden, mutig zu experimentieren und in künstlerische Prozesse einzutauchen.
Freude an gemeinsamen Exkursionen
Objekte, wie zum Beispiel die von Michael Beutler, sind ein Blickfang in der Ausstellung. Sein „sausagesofa“ besteht aus unterschiedlich großen, durch Paketband verschnürten Bausteinen aus buntem Papier und Pappe, die sich zu einem nutzbaren Sitzmöbel zusammenfügen. Heide Hinrichs ist schon lange erfolgreich als freie Künstlerin tätig. Sie empfand ihre Zeit in der Kunstschule als große Bereicherung. Besonders gern denkt sie an die gemeinsamen Exkursionen zurück, etwa nach Zeeland in den Niederlanden oder auf die Insel Neuwerk, wo zum Thema Wind gearbeitet wurde. Sie freut sich darauf, einige ihrer ehemaligen Mitschüler nach Jahrzehnten bei der Ausstellung wiederzusehen.
Für mich war die Zeit an der Kunstschule sehr wichtig, weil ich hier erstmals ein richtiges Feedback erfahren habe.
Sven Taddicken hat nach der Kunstschule eine ganz andere künstlerische Richtung eingeschlagen. Der Regisseur und Drehbuchautor studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg und gewann Preise für einige Kurzfilme. 2016 erschien seine Literaturverfilmung „Gleißendes Glück“ mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur. „Für mich war die Zeit an der Kunstschule sehr wichtig, weil ich hier erstmals ein richtiges Feedback erfahren habe“, sagt er. Auch Welf Schiefer hat seinen Weg in die Kunst gefunden: Nach der Schule machte er eine Maurerlehre. An der Kunstschule brannte er für Streetart und entschied sich für ein Studium Grafikdesign und freie Grafik/Malerei. Lisa Seebach arbeitet ebenfalls als freie Künstlerin. Die Bildhauerin fertigt Skulpturen aus Stahl, die wie vergrößerte, in den Raum umgesetzte szenografische Zeichnungen erscheinen. Gordon Endt erschafft Multimedia-Kunst. Als aktueller Stipendiat der Kunstschule testet er die Grenzen zwischen menschlicher Kreativität und KI aus.
Unterschiedliche künstlerische Werdegänge
Auch Isabella Marquarts künstlerischer Werdegang begann an der Oldenburger Kunstschule. Von 2016 bis 2020 besuchte sie Kurse und die Mappenbereitung des Dozenten Andrey Gradetchliev. Seitdem studiert sie Illustration und Animation an der HAW Hamburg und der Kingston School of Art. Andrey Gradetchliev arbeitet seit 20 Jahren an der Oldenburger Kunstschule. Er hilft Jugendlichen, ihre eigene Bildsprache zu finden und unterstützt sie beim Übergang ins Studium. Auch Lea Marie Reitemeyer, Jasper Precht und Lucia Keidel haben von seinen Kursen profitiert. Lea Marie Reitemeyer machte eine Ausbildung zur Bühnenmalerin am Oldenburgischen Staatstheater. Jasper Precht studierte an der Fachhochschule Potsdam und wagte dann als Designer und mit klassischer Ölmalerei den Sprung in die Selbstständigkeit. Lucia Keidel ist als freie Künstlerin aktiv und verwendet in ihren Werken Naturmaterialien, die sie mit Filmprojektionen, Geräuschen oder Bewegung kombiniert.
Den Weg in die Kunst gefunden
„Fast alle ehemaligen Kunstschüler haben anschließend ihre Aufnahmeprüfungen an Hochschulen bestanden, danach erfolgreich ihren Weg in die Kunst gefunden und sind bis heute dauerhaft dabei geblieben“, berichtet Veronika Pögel. Anna Gradetchlieva studierte nach der Kunstschule erst Modedesign in Antwerpen, dann Performance Costume in Edinburgh. Zuletzt war sie Kostümbildnerin für die Fantasy-Serie „Outlander“. Lars Unger hat sich auf Assemblagen, Objekte, Rauminstallationen und Performances spezialisiert. Die Werke von Carola Deye sind von körperlicher Arbeit, Material und traditionellem Handwerk inspiriert. Im Schloss zeigt die Künstlerin drei Bilder mit Symbolen, die an alte Zeiten erinnern. Almut von Koenen arbeitet jetzt im Bereich Kulturelle Bildung. Seit 2009 engagiert sie sich im Leitungsteam der Kunstschule Offenburg.
Dozenten-Arbeiten ergänzen die Ausstellung
Komplettiert wird die Ausstellung durch Werke des Dozententeams. Mit dabei sind Joschua Braun, Irmela Dvoracek, George Golz, Andrey Gradetchliev, Olga Grigorjewa, Larysa Harkavenko, Phoebe Pia Hartmann, Georg Lisek, Svetlana Müller, Sebastian Neubert, Stephanie Ritterhoff, Simon Sänger, Paula Penelope Steiner, Katja Striedelmeyer, Gunda Tuchenhagen, Leon Wempe, Timo Willen, Shi Yingshu und Jeike Zorn. „Sie alle arbeiten gemeinsam an einer lebendigen künstlerischen Praxis in der Kunstschule, um Kindern und Jugendlichen individuelle Wege in Kunst und Kultur zu weisen. So ist die Kunstschule nicht nur zu einem pädagogischen Ort für Heranwachsende geworden, sondern auch zu einem wichtigen Berufsfeld für etablierte Künstler, die hier vor Ort ihre eigene Qualifikation an junge Menschen weitergeben können“, sagt Deliane Rohlfs abschließend. Die Geschäftsführerin hofft, dass sich die Oldenburger Kunstschule weiterhin als Impulsgeberin für die Stadtentwicklung etablieren wird und wünscht sich für die Zukunft noch mehr Projekte, die die Bürger aktiv mit einbeziehen.
Die Oldenburger Kunstschule in Zahlen
Derzeit nehmen monatlich etwa 387 Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Angebote der Oldenburger Kunstschule wahr. Schon die Jüngsten (ab drei Jahren) können sich kreativ austoben. Darüber hinaus gibt es die Gelegenheit, in den Ateliers und Werkstätten Kindergeburtstag zu feiern. Für Familien werden an den Wochenenden spezielle Angebote und Werkstätten angeboten.
Kaffee oder Tee?
Wenn Ihnen mein Inhalt gefällt, freue ich mich über eine Unterstützung.
Vielen Dank. Warum wir so gerne Kaffee trinken erfahren Sie hier.