Eine Bundesstiftung soll helfen

Auf der Nord- und Ostsee fahren immer weniger Traditionsschiffe, weil es an Geld und Personal fehlt. Eine Bundesstiftung soll Abhilfe schaffen.

Von Ulf Buschmann

Fehlender Nachwuchs, finanzielle Lasten und Bürokratie setzen den Eignern und Betreibern von Traditionsschiffen zu. Ihre Zahl schrumpft stetig. Vor fünf bis zehn Jahren fuhren noch über 100 Traditionsschiffe auf Nord- und Ostsee. Heute sind es laut Christian Bubenzer, Sprecher der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr, nur noch „knapp 80“. Daher erwägt man, die Zukunft der Traditionsschifffahrt durch eine Stiftung zu sichern – nicht nur in Norddeutschland. Der Arbeitstitel: „Deutsche Stiftung maritimes Erbe“.
Diese Stiftung soll bundesweit wirken. Im Norden gehören Traditionsschiffe zum maritimen Erbe, am Bodensee könnten es Gebäude und Hafenanlagen sein, argumentieren die Befürworter. Geplant ist eine Anfangsfinanzierung von 40 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt, gefolgt von 20 Millionen Euro alle drei Jahre. Juristisch als Verbrauchsstiftung konzipiert, schüttet sie kein Geld aus Kapitalerträgen aus, sondern nutzt vorhandene Mittel.
Die Initiative kam von den fünf norddeutschen Küstenländern, doch auch die anderen Länder müssen zustimmen. Die Stiftung soll bundesweit gelten, ähnlich der Stiftung Denkmalschutz. Peter Klett, Geschäftsführer der „Stiftung Maritimes Erbe Land Bremen“, nennt dies „taktisch klug“. Gemeinsam mit Kollegen der Hamburger Stiftung Maritim und Politikern wie dem Bremer Bundestagsabgeordneten Uwe Schmidt (SPD) einigte man sich auf das Arbeitspapier. Es erreichte bereits die politischen Gremien in Berlin, doch der Bruch der Ampelkoalition im November verlangte neue Lobbyarbeit.

Hier geht es zum Newsletter

Ausgewählte Beiträge schon vor allen anderen lesen?
Keine Problem, trage dich einfach in unseren Newsletter ein.



Eine Stiftung könnte die teuren Reparaturen und Sanierungen der Traditionsschiffe erleichtern, die oft Hunderttausende kosten. „Das Salzwasser greift alles an“, sagt André Hübner, Geschäftsführer der Vegesack Logger BV2. Die gemeinnützige GmbH betreibt den 130 Jahre alten Heringslogger „BV2 Vegesack“. Hübner betont: „Wir brauchen ständig Unterstützung.“ Die Kosten für Sanierungen und Reparaturen „kann man gar nicht reinfahren“.

André Hübner, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft „Vegesack Logger BV2“. Foto: Buschmann

Die 2018 verschärfte Schiffsicherheitsverordnung belastet die Eigner und Betreiber zusätzlich. Traditionsschiffe müssen ähnliche Bau- und Besatzungsvorschriften wie Berufsschiffe erfüllen, was Aufwand und Kosten erhöht. Ohne Erfüllung der Vorgaben gibt es keine Abnahme durch die BG Verkehr. „Viele geben auf“, sagt Niko Kern vom Traditionsschiff-Interessenverband GSHW. „Ab einem bestimmten Alter tut man sich das nicht mehr an“, bestätigt BG-Sprecher Bubenzer. Hübner nennt die Verordnung „unsäglich“: „Sie bringt keine Sicherheit, sondern kostet nur Geld.“
Das Alter der Besatzungen und fehlender Nachwuchs verschärfen die Lage. Viele Crewmitglieder begannen in den 1970er- und 1980er-Jahren mit Anfang 30. Heute sind sie um die 70 oder älter. „Wenn eine Crew über Jahrzehnte zusammenwächst, igelt sie sich irgendwann ein“, erklärt Hübner. Der Nachwuchs hat kaum Chancen oder fehlt ganz.

Lösungen sind in Sicht

Es gibt Lösungen oder zumindest Ansätze. Markus Söhl, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Hamburg Maritim, sagt: „Wir müssen alle drei Probleme angehen.“ Das bedeutet, die Finanzierung sichern, um die Schiffe dauerhaft zu erhalten, die Ehrenamtlichen entsprechend ausbilden, um die Zukunft der Betreibervereine zu sichern, und die technischen Anforderungen der Traditionsschiffe an das Fahrtgebiet und die historischen Strukturen anpassen. „Wichtig ist, gemeinsam zu handeln, um alle Schiffe in Fahrt zu halten. So bewahren und vermitteln wir maritime Kultur“, so der Hamburg Maritim-Geschäftsführer. Dazu gehöre auch die Entwicklung der regionalen Hafenwirtschaft.
Eine finanzstarke Bundesstiftung allein kann die Traditionsschifffahrt nicht retten, es sei denn, eine Strukturreform wird angestoßen. Söhl schlägt vor, die alleinige Zuständigkeit der BG Verkehr abzuschaffen und die Verantwortung einer unabhängigen Sachverständigenkommission zu übertragen, in der die BG Verkehr mit ihrem Know-how vertreten bleibt, aber entlastet wird. Traditionsschiffe könnten als Sportboote fahren. Gästebeförderung gegen Entgelt ist dann verboten, was die Einnahmen gefährdet. All dies muss zügig umgesetzt werden. Söhl warnt: „Die Zeit läuft ab.“

Was ist ein Traditionsschiff?

Ein Traditionsschiff gilt nach deutschem Recht als historisches Wasserfahrzeug, dessen Fahrt der Öffentlichkeit von Interesse ist. Diese Schiffe bestehen überwiegend aus Originalmaterialien und sind aufgrund ihrer Bauart, ihres früheren Nutzens und ihrer Seltenheit erhaltenswert. Sie bleiben im Wesentlichen im Originalzustand ihres Baus oder in einem später bedeutenden historischen Zustand während ihrer Nutzung. Auch Rückbauten, die nicht originalgetreu sind, aber einem früheren Schiffstyp entsprechen, werden anerkannt. Dazu zählen Nachbildungen dokumentierter historischer Vorbilder und bestimmte Segelschulschiffe, die mindestens 24 Meter lang sind, eine komplexe Takelage besitzen und zur Ausbildung in traditioneller Seemannschaft dienen. Der Betrieb eines Traditionsschiffes verfolgt ideelle Ziele, vor allem die Vermittlung historischer Schiffstechnik und Seemannschaft, und erfolgt nicht gewerblich. Einnahmen dürfen nur für Erhalt und Betrieb genutzt werden. Die Schiffssicherheitsverordnung regelt Zulassung und Betrieb. Traditionsschiffe sind in bestimmten Bereichen von Sicherheitsvorschriften ausgenommen, um das maritime Kulturerbe zu bewahren.