Der Tod der Anderen

Lars Schmitz-Eggen ist als ehrenamtlicher Trauerbegleiter für den Ambulanten Hospizdienst in Osterholz-Scharmbeck tätig. Betroffene trifft er an einem neutralen, geschützten Ort.

Von Ulf Buschmann

Tod und Trauer sind ständige Begleiter im Leben von Lars Schmitz-Eggen – als Journalist ebenso wie als ausgebildeter Rettungsassistent und Notfallseelsorger des Landkreises Osterholz. Und nicht nur das: Der 56-Jährige arbeitet seit einigen Monaten als ehrenamtlicher Trauerbegleiter für den Ambulanten Hospizdienst des Diakonischen Werkes des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Osterholz-Scharmbeck. „Wir sprechen von Trauerbegleiter oder Trauerberater“, sagt Schmitz-Eggen.

Trauerbegleiter oder eben Trauerberater seien keine Therapeuten, darauf weist er mehrmals hin. Schmitz-Eggen bietet – übrigens ehrenamtlich – Gespräche für Menschen an, die mit der Situation nicht klarkommen. In erster Linie seien es Angehörige von Verstorbenen, die den Kontakt suchen. Der Wahl-Osterholz-Scharmbecker trifft sich mit seinen jeweiligen Klienten stets zu Einzelgesprächen. Und zwar nicht bei ihnen zu Hause, sondern in einem geschützten, neutralen Raum. Diesen stellt jeweils die St. Marien-Kirchengemeinde Osterholz-Scharmbeck zur Verfügung. Schmitz-Eggen erklärt den Unterschied zur Arbeit mit Gruppen: „Das geht dann eher in die Richtung Trauermoderation.“

Ein Urnenfeld mit zwei Stelen.

Viele Bestattungen erfolgen heute anonym oder halbanonym in der Urne. Foto: Ulf Buschmann

Hilfe für Menschen im Fokus

Hilfe für Menschen steht seit jeher in Schmitz-Eggens Fokus, beruflich oder im Ehrenamt. Beide Felder überschneiden sich in vielen Bereichen – als Journalist ist er unter anderem für das Rettungsmagazin tätig und schreibt für diverse Fachmagazine, die sich mit den Themen Tod und Trauer befassen. Seine gesammelten Erfahrungen lassen sich auch fürs Ehrenamt als Notfallseelsorger und Trauerbegleiter nutzen. Umgekehrt ist dieses ebenso der Fall.

Als Trauerbegleiter ist der gebürtige Aachener seit drei Jahren tätig. Doch der Entschluss dafür stand schon eher fest. Denn vor der Arbeit steht eine umfangreiche Ausbildung. Schmitz-Eggen rechnet nach: „Das sind etwa 500 bis 600 Stunden.“ Zu den Inhalten gehören zum Beispiel das Aufarbeiten der eigenen Trauergeschichte in der Gruppe, Kommunikation und Gesprächsführung sowie ganz viel Methodenunterricht. Ganz wichtig: Die künftigen Trauerbegleiter lernen den hohen Stellenwert der Eigenfürsorge kennen. In der Praxis heißt das: Wo die eigene Vita berührt wird, müssen Gespräche abgelehnt werden.

Ein Hinweisschild weist auf einen Friedwald hin.

Erst nach der Bestattung wie zum Beispiel in einem Friedwald bricht sich die Trauer Bahn. Foto: Ulf Buschmann

Vor allem Frauen aktiv

Die Angebote nehmen, sehr zum Erstaunen von Schmitz-Eggen, vor allem Frauen wahr: „In meinem Kurs war ich der einzige Mann.“ Die Kontakte zu den Klienten kommen auf unterschiedliche Weise zustande: über das Trauercafé, das das Diakonische Werk anbietet, aber auch über die Internetseite des Bundesverbandes Trauerbegleitung (BVT). „Darüber haben mich schon einige Menschen gefunden“, erklärt Schmitz-Eggen. Und: „Im Trauercafé tauschen sich die Menschen natürlich aus.“

Dass die Arbeit von Trauerbegleitern- beziehungsweise -beratern oder auch Trauermoderatoren notwendig ist, habe vor allem damit zu tun, dass die Menschen und damit die Gesellschaft verlernt haben, mit Trauer umzugehen. Alles was damit zu tun habe – Abschied nehmen, Organisation der Beerdigung oder auch der Trauerfeier – werde heute an Bestattungsunternehmen delegiert. „Dabei bricht die eigentliche Trauer erst nach der Bestattung aus“, weiß Schmitz-Eggen, „das ist der Zeitpunkt, wo sich die Leute fragen: ,Was geschieht mit mir?‘.“ Genau dann, wenn sich die Trauer Bahn bricht, fehle den Betroffenen oftmals eine Vertrauensperson.

Ein Altar mit Holzschmuck in einer Kirche

Zum Tod gehört vielfach ein Gottesdienst. Foto: Ulf Buschmann

Eine Einschätzung

Es ist der Moment, in dem die Trauernden Angebote wie das von Schmitz-Eggen wahrnehmen. Er und sein jeweiliger Klient kommen für ein einmaliges Treffen zusammen. In maximal eineinhalb Stunden sprechen Trauernder und Trauerbegleiter über den Schmerz. Schmitz-Eggen hebt hervor: „Es ist keine Therapie, ich gebe den Menschen eine Einschätzung mit auf den Weg.“ In Ausnahmefällen gebe es auch mehrere Gespräche, doch in der Regel verweist der Trauerbegleiter auf andere Institutionen, die sich auf Spezialfälle wie Selbstmord oder Kindstod spezialisiert haben.

Obwohl die Trauerbegleitung eben keine Therapiesprechstunde ist, kommen aber auch immer wieder Menschen zu Schmitz-Eggen, die eigentlich in eine Therapie gehören, aber keinen Platz finden. „Das ist für mich als Trauerbegleiter relativ problematisch“, erklärt Schmitz-Eggen. Er frage vor diesem Hintergrund stets zuerst: Weiß der behandelnde Arzt davon, dass sein Patient bei einem Trauerbegleiter Rat und Hilfe sucht? Klar ist denn auch laut Schmitz-Eggen: „Die medizinische Therapie hat Vorrang.“

Eine Plastikstreifen Tabletten.

Wer mit seiner Trauer zum Hausarzt geht, bekommt allzu schnell ein Rezept für Psychopharmaka. Foto: Ulf Buschmann

Weg zum Hausarzt

Eine weitere wichtige Erfahrung hat Schmitz-Eggen als Trauerbegleiter gemacht: „Viele Trauernde gehen zum Hausarzt.“ Dort bekommen sie in vielen Fällen allzu flott Psychopharmaka verschrieben. „Dabei“, so Schmitz-Eggen, „verläuft Trauer in über 70 Prozent der Fälle normal, ohne dass ein Arzt oder Medikamente erforderlich wären.“

Trauernde Eltern und Geschwister

Leider sterben auch Kinder früh – die Sternenkinder. Wie es betroffenen Eltern in der Trauer ergeht, erzählt eine Sternenkind-Mama. Für sie gibt es spezielle Hilfsangebote.