Mal eben erholen

In einer losen Serie stellen die Macher der Nord West Reportagen ihre Lieblingsplätze vor. Den Anfang macht Ulf Buschmann. Er ist gerne im Stadtgarten Vegesack unterwegs. Übrigens: Lieblingsplätze gibt es nicht nur einen.

Von Ulf Buschmann

Mal schnell ein bisschen erholen und den Kopf freibekommen – dies dauert für mich knapp fünf Minuten zu Fuß. Schnell durch die Fußgängerzone laufen, die Weserstraße kreuzen, die Treppe des „Vegesacker Balkon“ hinabsteigen, schon bin ich in meiner Ruhezone angekommen. Es ist der Stadtgarten Vegesack gleich an der Weser. Hier halte ich mich seit meiner Kindheit gerne auf. Der Stadtgarten ist für mich nicht nur Ruhezone, sondern auch magischer Ort. Laue Sommerabende lassen sich im Stadtgarten genauso genießen wie stille Winter- und stürmische Herbsttage.

Der Stadtgarten Vegesack bietet Möglichkeiten zum Liegen, es gibt eine Streuobstwiese, eine Vielfalt von Blumen und insgesamt 150 Baumarten. Und wenn es doch bald wieder ein Festival Maritim geben sollte, wird der Stadtgarten zur Rock-, Punk-, Seamusic-Bühne mit Illuminationen und ausmachend guter Stimmung unter den Besuchern. Kurz: Eine bessere Location zwischen Natur und Kultur gibt es weit und breit nicht.

Das Rosarium am Hang unterhalb der ehemaligen Villa des Bremer Reeders W.A. Fritze. Foto: Ulf Buschmann

Plietscher Bürgermeister

Den Stadtgarten in seiner heutigen Gestalt gibt es erst rund 20 Jahre. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 1923 zurück. Die Überlieferung: Werner Wittgenstein, Bürgermeister der bremischen Exklave Vegesack, soll den wohlhabenden Bürgern der damals noch selbstständigen Stadt einen Teil ihrer bis zur Weser reichenden Grundstücke für eine angebliche „öffentliche“ Straße abgeschnackt haben. Diese hatte er nie im Sinn, sondern plante einen Spazierweg am Weserufer. Doch die reichen Menschen, zu denen die Familien Fritze, Hockemeyer und Lürssen gehörten, hätten diesem Ansinnen sicherlich nicht zugestimmt, wenn Wittgenstein seine wahre Absicht offenbart hätte.

Der erste Teil der Strandpromenade wurde 1923, der zweite Abschnitt bis 1927 angelegt. In den 1980er-, 1990er- und 2000er-Jahren wurde der Stadtgarten Vegesack Stück für Stück erweitert. Um die Pflege kümmert sich der 1930 gegründete Stadtgartenverein. Er beziehungsweise seine Mitglieder verfügen über ein reichhaltiges botanisches Erbe. Denn als eigentlicher Vater des Stadtgartens Vegesack gilt der aus Dötlingen stammende Albrecht Roth. Er ließ sich im frühen 19. Jahrhundert im damaligen kurhannoverschen Vegesack als Landphysikus nieder und legte einen Botanischen Garten an. Von diesem sind bis heute 150 Baumarten überliefert.

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„Oase in der Wüste“

Albrecht Roth und die Bremer Reederfamilie Fritze, die sich am Uferhang ein Sommerhaus bauen ließ, sorgten dafür, dass sich an diesem Flecken Erde eine überaus reichhaltige Vegetation entwickeln konnte. Dieses Bild begeisterte sogar einen der beiden Heroen der Arbeiterbewegung. Als Friedrich Engels anno 1840 mit dem Raddampfer „Roland“ die von Bremen aus weserabwärts fuhr, nannte er Vegesack und den Weserhang poetisch „Oase in der bremischen Wüste“.

Eine Musikband steht auf einer Bühne.

Seit Ende der 1990er-Jahre gibt es das Festival Maritim. Foto: Ulf Buschmann

Dass der Stadtgarten Vegesack eben nicht nur ein Park mit über 90-jähriger Geschichte ist, sondern auch eine hervorragende Location für Musik, zeigt sich seit Ende der 1990er-Jahre. Wenn nämlich nicht gerade Corona-Pandemie ist, treffen sich an der Weser Bands aus aller Welt zum Festival Maritim. Es gilt bis heute als eines der besten und größten Seamusic-Festival Europas.

Die größte der sieben Bühnen steht stets im Stadtgarten unterhalb des „Vegesacker Balkons“. Die Mischung aus Musik, Illuminationen und der Weser ist einfach einzigartig. Dann heißt es für mich: Schnell durch die Fußgängerzone laufen, die Weserstraße kreuzen, die Treppe des „Vegesacker Balkon“ hinabsteigen, schon bin ich im Getümmel.