Es war einmal ein Kanzlerwahlverein

Alles spricht über die CDU: Wer wird Vorsitzende oder Vorsitzender? Wie stellt sie sich künftig auf? Was in der Diskussion fehlt: Was passiert im Osten? Reißen die Christsozialen die Brandmauern zur AfD ein? Gedanken, die unserem Kollegen durch den Kopf gehen – eine neue Folge Buschmanns Kosmos.

Von Ulf Buschmann

Es war einmal eine Partei. Diese hatte ein klares Ziel: Sie wollte die bürgerlich-gesellschaftliche Mitte repräsentieren. Die meiste Zeit seit ihrer Gründung gelang es ihr gut. Doch seit einigen Jahren zeigt diese Partei Verschleißerscheinungen. Der gemeine Wähler sieht jetzt: Nicht nur die SPD kann sich selbst zerlegen, die CDU ist dazu ebenso in der Lage. Dazu braucht sie keinen Rezo, der zur Zerstörung der Partei auffordert.

Aber von vorne: Zu meiner politischen Sozialisation gehörte es in den 1970er- und 1980er-Jahren, dass die Christdemokraten zumeist wie ein Mann hinter ihrem Spitzenpersonal standen. Dazu hatte „der Alte“, Bundeskanzler Konrad Adenauer, diese Partei gemacht. In den folgenden Jahrzehnten war es nicht anders. Helmut Kohl schaffte ab 1982 durch sein Schwarzgeld ein System von Abhängigkeiten. Woher der „Bimbes“ kam, ist bis heute nicht bekannt. Kohl nahm das Geheimnis mit ins Grab.

Auf Links gedreht

Als Angela Merkel erst zur Generalsekretärin, zur Parteivorsitzenden und schließlich zur Bundeskanzlerin wurde, drehte sie die Partei sozusagen einmal auf Links. Anders ausgedrückt: Unter Merkel rückte die CDU weiter zur Mitte; es setzte das ein, was manche Menschen Sozialdemokratisierung der Partei nennen. Damit konnten die Christdemokraten in den vergangenen 16 Jahren fröhlich Wahlen gewinnen. Aber nun ist es – zumindest erst einmal – vorbei damit.

Jetzt möchte sich die CDU neu aufstellen, tönt es aus allen Rohren. Aber neue Leute, die dafür stehen könnten? Nein, die sehe ich nicht – ein Umstand, der zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Kein junger Mensch hebt den Kopf, keine Frau traut sich aus der Deckung. Stattdessen hauen sich allem Anschein nach die alten Politprofis teilweise vor und noch mehr hinter den Kulissen auf die Zwölf. Jens Spahn, Norbert Röttgen und Friedrich Merz spielen in dieser Polit-Tragik-Komödie die Hauptrollen.

Jens Spahn hat unterm Strich als Bundesgesundheitsminister vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie durch unüberlegtes und teilweise unredliches Handeln keine gute Figur gemacht. Friedrich Merz? Der ist wohl mehr Lobbyist für die Finanzindustrie als alles andere. Zwar ist er im Osten sehr beliebt. Aber sein Eintreten für die Schuldenbremse und eine allzu neo-liberale Wirtschaftspolitik würden dem Land in der aktuellen Lage bestimmt nicht gut tun. Einzig Norbert Röttgen, ein allseits geachteter Außenpolitiker, käme annähernd infrage. Aber mehr als ein Übergangskandidat ist er unterm Strich auch nicht.

CDU Ost: Wackelnde Brandmauern

Was in der aktuellen Diskussion über den Kanzlerwahlverein 4.0 komplett untergeht: Wie ist die Stimmung in den CDU-Landesverbänden Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen? Dort wackeln die unter Merkel gezogenen Brandmauern gegenüber der AfD schon jetzt bedenklich. Einer der Gründe: Die ostdeutschen Christdemokraten sind konservativer als ihre Schwestern und Brüder im Westen.

Wenn sich die CDU wieder mehr rechts von der Mitte positioniert, fallen Kooperationen oder gar Regierungskoalitionen vor allem in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen mit den Blauen viel leichter. An dieser Stelle sei daran erinnert: Die AfD ist eine Partei, die immer mehr in Richtung Rechtsradikalismus und Faschismus abdriftet. Nicht umsonst darf der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke mit richterlichem Segen als Rechtsradikaler bezeichnet werden.

Auf der falschen Seite der Geschichte

Um in diesem Zusammenhang ein Zitat von Armin Laschet aus dem diesjährigen Bundestagswahlkampf zu bemühen: Brechen die Brandmauern der CDU nach Rechts, steht diese Partei – wieder einmal – auf der falschen Seite der Geschichte. Dies haben wir im März 1933 schon einmal erlebt, als fast alle noch im Reichstag sitzenden Parteien für das sogenannte Ermächtigungsgesetz der Nazis stimmten. Nur die 94 Abgeordneten der Sozialdemokraten votierten dagegen.

Ich wünsche der CDU von ganzem Herzen, dass sie sich berappelt und eine Größe im deutschen Parteienspektrum bleibt. Aber der Kanzlerwahlverein muss aufpassen, dass er es richtig macht. Vor allem solche Politiker wie ein Friedrich Merz können die Christdemokraten im post-industriellen 21. Jahrhundert gar nicht gebrauchen. Immerhin sprechen die Ergebnisse der Bundestagswahl Bände: Nicht nur die SPD ist bei den jungen Menschen ab 18 Jahren unten durch. Die CDU ist es noch viel mehr.

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