„Es muss ja weitergehen“
Das Weyher Theater nach dem Tod von Frank Pinkus: Der Regisseur, Dramaturg, Autor und Schauspieler starb auf der Bühne.
Von Frank Schümann
Es war ein Schock für alle Beteiligten: Während der öffentlichen Generalprobe des Stückes „Und immer wieder zahlt das Amt“, mit dem einen Tag darauf die neue Spielstätte im Woltmershauser Tabakquartier eröffnet werden sollte, erlitt der Schauspieler, Regisseur, Dramaturg und Autor Frank Pinkus auf der Bühne einen Herzinfarkt. Obwohl das Stück sofort unterbrochen und erste Hilfe geleistet wurde, blieben diese Maßnahmen erfolglos – der 62-jährige konnte nicht mehr ins Leben zurückgeholt werden. Eine Tragödie, besonders für die Mitarbeiter des Weyher Theaters, an dessen Erfolgsgeschichte Pinkus in den vergangenen Jahren einen großen Anteil hatte.
Der beste Freund, der große Bruder
Während alle noch versuchten, das Unfassbare zu begreifen, mussten dennoch Entscheidungen getroffen werden – immerhin stand nur einen Tag nach dem Unglück eine Premiere an, noch dazu in einer neuen Spielstätte. Diese wurde folgerichtig abgesagt, auch, weil Pinkus als Schauspieler eine tragende Rolle in dem Stück hatte, die nicht so schnell hätte umbesetzt werden können. Intendant Kay Kruppa, der das Weyher Theater gemeinsam mit Pinkus samt neuer Dependance in den letzten 20 Jahren zu dem Erfolgsprojekt gemacht hat, das es heute ist, war nicht nur Geschäftspartner von Pinkus, sondern auch ein enger Freund. „Mein bester Freund, mein großer Bruder“, sagt der 49-Jährige vier Wochen später, als wir im Boulevardtheater Bremen zusammensitzen: „So richtig fassen können wir es immer noch nicht.“ Frank Pinkus habe immer von einem großen Haus in Bremen geträumt, sagt Kay Kruppa: „Es ist ein bisschen tröstlich, dass er hier immerhin noch spielen durfte.“
Eröffnung wurde abgesagt
Zwölf Tage nach dem tragischen Unglück hat die Premiere des Stückes von Michael Cooney schließlich doch stattgefunden – nach dem Motto „The Show must go on“, allerdings ohne die große Feier, die zur offiziellen Eröffnung der Bühne eigentlich geplant gewesen war. Die Stimmung sei etwas getragener gewesen als an „normalen“ Abenden, sagt Kruppa, „es hat ja auch jeder im Publikum gewusst, was passiert war.“ Nichtsdestotrotz sei es im Sinne von Frank Pinkus gewesen, das Stück trotzdem zu spielen – „er war immer dafür, weiterzumachen, egal, was passiert ist“, so der Intendant weiter: „Und es hätte ihm wahrscheinlich nicht gefallen, dass wir die Premiere abgesagt haben.“ Es stimme ja auch, sagt Kruppa, bei aller Trauer: „Es muss ja weitergehen.“
Über 20 Jahre zusammen gearbeitet
Über 20 Jahre haben die beiden zusammengearbeitet, nachdem sie sich im Bremer Packhaus-Theater kennen lernten (Pinkus als Autor, Kruppa als Schauspieler). In Weyhe entwickelte sich die künstlerische Partnerschaft der beiden so richtig. Viele Stücke schrieben sie gemeinsam, auch die Regie-Handschrift des Hauses wurde von den beiden zusammen entwickelt. Kruppa zeigte sich stets besonders beeindruckt von der Produktivität des Kollegen. „Wenn es gut lief, schrieb er innerhalb von nur drei Tagen 40 Seiten“, erzählt er, und: „Wenn ich mal mit einem Text nicht mehr weiter wusste, half Frank immer – bei ihm lief es einfach so raus.“ Dabei habe er immer Angst gehabt, dass ihm die Ideen ausgehen könnten – aus der Sicht von Kruppa völlig unbegründet. Alleine im Lockdown habe Pinkus 14 Stücke geschrieben, insgesamt hat er in den vergangenen 20 Jahren fast 60 Stücke verfasst, rund 25 davon gemeinsam mit Kruppa. „Die Leute lieben seine Figuren, lieben das Klima, das er mit ihnen schafft.“ Er sei einfach unfassbar gut in den Dialogen gewesen – „da war fast jeder Satz ein Lacher.“ Aber auch den Tiefgang konnte der 62-jährige – die Mischung stimmte stets.
Völlig fassungslos war das Theater dann auch nach dem Unglück, das sich in keinster Weise angekündigt hatte. Auch Marc Gelhart, der im Haus verschiedene Funktionen innehat – unter anderem als Schauspieler und Pressesprecher – lobt die fachliche und menschliche Kompetenz des verstorbenen Kollegen: „Ich persönlich habe ihm auch viel zu verdanken, er hat mich ans Haus geholt. Er war für mich wie ein väterlicher Freund.“
„Er fehlt unermesslich“
Wie sehr fehlt er? „Unermesslich“, sagt Kay Kruppa. „Wir haben in den letzten Wochen drei Produktionen herausgebracht, da war gar nicht so viel Zeit zu trauern – aber immer, wenn ich ein bisschen zur Ruhe komme, zerschießt es mich innerlich. Er war seit 22 Jahren in meinem, in unserem Leben.“ Er sei kaum zu glauben und nicht noch nicht richtig greifbar, dass er nicht mehr da sei – beide Häuser atmen seinen Geist, was dank seiner vielen Stücke auch so bleiben wird.
„Ich will keinen neuen Dramaturgen“
Neben dem fehlenden Menschen Frank Pinkus hinterlässt es aber auch Lücken in seinen vielen Funktionen – als Autor, als Dramaturg, als Regisseur. Wie will das Haus diese füllen? „Was den Autor betrifft, ist die Lücke noch nicht da, weil er soviel vorproduziert hat“, sagt Kruppa – „es gibt einige Stücke, die uraufgeführt werden, und manche von den Alten kann man auch mal wieder neu machen.“ Was die anderen beiden Funktionen betrifft, will das Haus niemanden von außen holen: „Ich will keinen neuen Dramaturgen, Marc wird mich künftig in diesem Bereich mehr unterstützen und auch mehr inszenieren.“
Auch andere Mitarbeiter werden aufgebaut und dürfen sich in neuen Rollen beweisen. „Die kennen unseren Stil, wissen, wie wir arbeiten“, sagt Kruppa: „Ich will diese Direktheit, diese Unmittelbarkeit, die uns auch bis hierher gebracht hat – und das geht von innen besser als von außen.“ Kay Kruppa und Marc Gelhart sind sich sicher: „Auch das wäre im Sinne von Frank gewesen.“