Berührende Momentaufnahme
Die besten Pressefotos der Welt kommen nach Oldenburg: Vom 19. Februar bis 13. März macht die World-Press-Photo-Ausstellung zum siebten Mal im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Station. Zu sehen sind rund 150 preisgekrönte Fotografien und ihre Geschichten.
Von Daniela Krause
Dieses Foto ging um den Globus und ist bald im Rahmen der World-Press-Photo-Ausstellung (WPPA) in Oldenburg zu bestaunen: „The First Embrace“ („Die erste Umarmung“) von Mads Nissen zeigt die 85-jährige Brasilianerin Rosa Luzia Lunardi, die nach fünf Monaten der Isolation in einem Pflegeheim in Sao Paulo erstmals wieder von einer Krankenschwester umarmt wird. Ein Bild, das den Betrachter so schnell nicht loslässt.
Die beiden Frauen sind durch einen Plastikvorhang mit Ärmeln, den „Hug Curtain“, voneinander getrennt, um sich nicht mit dem Corona-Virus zu infizieren. Mit seiner berührenden Momentaufnahme gewann der dänische Fotograf den Wettbewerb um das beste Pressefoto des Jahres. Dies war ihm im Jahr 2015 schon einmal gelungen. Mit einem intimen Moment zwischen zwei Männern machte er auf Homophobie in Russland aufmerksam.
„Ein bisschen überwältigt“
Das aktuelle Siegerfoto „The First Embrace“ ist eines von insgesamt 150 preisgekrönten Pressebildern von Fotografinnen und Fotografen aus aller Welt, die in der Zeit vom 19. Februar bis 13. März im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg präsentiert werden.
Mads Nissen, der am 19. Februar zur Eröffnung der Ausstellung erwartet wird, sagt selbst über seine Momentaufnahme: „Ich stand einfach nur mit meiner Kamera da, ein bisschen überwältigt. Es war herzerwärmend, diese Liebe und Zärtlichkeit in einem Land mitzuerleben, das während der Pandemie so sehr gelitten hat.“
Er verbrachte im Sommer 2020 mehrere Wochen in Brasilien, um dort die „Tatenlosigkeit von Präsident Bolsonaro und die Hilflosigkeit der Bevölkerung“ für die Nachwelt festzuhalten. „In den tristen Zeiten der Covid-Pandemie sticht dieses Foto heraus“, begründete Jurymitglied Pilar Olivares von der World Press Photo Foundation die Wahl zum besten Pressefoto. „Es setzt ein Zeichen, dass wir Hoffnung für die Zukunft haben können und haben sollen.“
Nicht nur Corona ist Thema
Doch die Bilder des aktuellen Jahrgangs sind bei Weitem nicht nur von den Corona-Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche geprägt. Sie zeigen auch Szenen vom Krieg, von Umweltkatastrophen und menschlichen Schicksalen. So dokumentierten Fotografen die Proteste in den USA nach der Tötung von George Floyd (Fotograf: John Minchillo, Vereinigte Staaten), die Heuschreckenplage in Kenia (Fotograf: Luis Tato, Spanien) oder begleiteten eine Mutter und ihren Sohn in Jemen beim Fischen im täglichen Kampf gegen den Hunger (Fotograf: Pablo Tosco aus Argentinien).
Ausgezeichnet für die Pressestory des Jahres wurde der italienische Fotograf Antonio Faccilongo. Seine Bilder erzählen den israelisch-palästinensischen Konflikt auf eine ungewohnt sanfte Weise. Sie zeigen zum Beispiel palästinensische Frauen, die allen Hürden zum Trotz versuchen, mit ihren inhaftierten Männern in Kontakt zu bleiben. Die Story trägt den arabischen Namen „Habibi“. Übersetzt bedeutet dies „meine Liebe“.
Die Geschichten zu den Fotos der World-Press-Photo-Ausstellung werden jeweils anhand von Texttafeln neben dem Bild erzählt. Ausführliche Erläuterungen liefert der Katalog, den es zum Preis von 27,50 Euro am Eingang gibt.
Oldenburg weltweit unter den Top Ten
„Die Bandbreite der Bilder ist erneut mehr als beeindruckend“, sagt Claus Spitzer-Ewersmann von der Medienagentur Mediavanti. „Viele Pressefotografen konnten in den vergangenen beiden Jahren gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen ihrem Beruf nachgehen. Wenn man das bedenkt, ist es durchaus erstaunlich, dass sich erneut über 4.300 Fotografinnen und Fotografen mit mehr als 74.000 Aufnahmen am Wettbewerb um das beste Pressefoto des Jahres beteiligt haben.“
Seit 2016 setzt sich der Mediavanti-Geschäftsführer dafür ein, dass die World-Press-Photo-Ausstellung nach Oldenburg ins Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte kommt. Oldenburg ist auf der Welttournee mit etwa 120 Ausstellungsorten, darunter Weltmetropolen wie Singapur und Paris, der letzte Standort. „Im Jahr 2020 haben wir erstmals 20.000 zahlende Besucher gehabt. Damit sind wir weltweit unter den Top Ten“, freut sich Spitzer-Ewersmann.
„Everyday Projects“ feiert Weltpremiere
Dieses Mal soll es eine Weltpremiere in Oldenburg geben: Nachdem zwei Jahre lang die Sonderschau „Everyday Africa“ im Schloss zu sehen war, gehe man nun noch einen Schritt weiter: Auf dem Projekt „Everyday Africa“ baut die weltweite Bewegung „The Everyday Projects“ auf. „Wir können exklusiv 50 Aufnahmen von zwölf Fotografinnen und Fotografen zeigen, die sich für den „Everyday Projects Grant“, ein einjähriges Fotografie-Stipendium, beworben hatten“, sagt Organisationsleiterin Lisa Knoll von Mediavanti. Die Teilnehmer stammen unter anderem aus dem Sudan, aus Mexiko, Afghanistan und Nigeria.
„Mit Kamera und kugelsicherer Weste“
Rund um die Ausstellung wurde ein Rahmenprogramm mit einer Reihe von Vorträgen, Schulprojekten, Sonntagsmatineen, Workshops, einer Podiumsdiskussion und Filmvorführungen gestrickt. Die renommierte deutsche Kriegs- und Krisenfotografin Ursula Meissner etwa wird am 24. Februar, um 19.30 Uhr ihren Vortrag „Mit Kamera und kugelsicherer Weste“ halten und unter anderem über ihr Erlebnisse in Afghanistan berichten – über ihre Arbeit, aber auch über die Grenzen des Abbildbaren.
Mit den Folgen der Sommerflut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben sich Maximilian Mann und Arne Piepke auseinandergesetzt. Sie stellen ihre Langzeit-Dokumentation am 3. März, um 19 Uhr im Bistro Schirrmann’s (Jugendherberge, Straßburger Straße 6) vor. Der Eintritt zu den Vorträgen kostet je fünf Euro. Der Vorverkauf für alle Veranstaltungen im Rahmenprogramm hat bereits begonnen. Das komplette Programm zur World-Press-Photo-Ausstellung und viele weitere Infos gibt es unter diesem Link.
Der Plan B für die World-Press-Photo-Ausstellung
Bliebe noch eine Frage offen: Kann die Ausstellung trotz der Coronapandemie und der derzeit in die Höhe schießenden Inzidenzen wirklich in Präsenz stattfinden? Dazu sagt Dr. Anna Heinze, stellvertretende Direktorin des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg: „Selbstverständlich tragen wir – wie schon in den vergangenen Monaten – die Schutzmaßnahmen mit, um allen einen sicheren Besuch unseres Hauses zu ermöglichen.“
Gegebenenfalls könne man die Ausstellung laut Claus Spitzer-Ewersmann um bis zu drei Wochen nach hinten verschieben oder als Notlösung ins Digitale ausweichen. Zum jetzigen Zeitpunkt hoffen jedoch alle Beteiligten darauf, dass die World-Press-Photo-Ausstellung wie geplant stattfinden und der Plan B in der Schublade bleiben kann.
World-Press-Photo-Ausstellung
Die Ausstellung ist vom 19. Februar bis 13. März 2022 im Landesmuseum für Kunst und Kultur (Schloss) in Oldenburg zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag, Mittwoch, Sonnabend und Sonntag von 10-18 Uhr sowie Donnerstag und Freitag von 10-20 Uhr. Erwachsene zahlen 9 Euro Eintritt (ermäßigt 6 Euro).
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