Festival is over – long lives festival

Nach dem Hurricane ist vor dem Hurricane – und vor allem vor vielen anderen Festivals in der Region. Ein Überblick!

Von Frank Schümann

Die Freude war in jeder Sekunde spürbar – seitens der Künstler, seitens der Fans. War das Hurricane schon immer ein Ort der unbegrenzten Lebenslust, so hatte man dieses Mal trotzdem das Gefühl, dass es noch ein bisschen fröhlicher und freudiger zuging – die zweijährige, coronabedingte Abstinenz hatte ihre Wirkung gezeigt, der Hunger, die Lust auf’s Live-Erlebnis war noch ein bisschen größer!

Wer erleben durfte, wie Abertausende zu den Headliner-Konzerten wie Deichkind strömten, konnte sich der Kraft kaum entziehen – selbst wenn er schon ein paar Stunden (oder auch Tage!) Festival-Erfahrung hinter sich hatte.

Publikum bei einem Festival.

Endlich wieder Festival – diese Haltung war bei den 80.000 Fans in Scheeßel deutlich zu spüren. Foto: Frank Schümann

80.000 Fans in Scheeßel

Rund 80 Bands waren Mitte Juni von Donnerstag bis Sonntag auf dem diesjährigen Hurricane dabei, die Veranstalter konnten insgesamt 80.000 Fans begrüßen – mal als Camper, mal als Tageskarten-Käufer. So fiel das Fazit der Verantwortlichen wenig überraschend positiv aus, die meisten Besucher schlossen sich dem an – auch wenn sich durchaus Kritik an dem einen oder anderen Punkt ergab, etwa an den hohen Getränkepreisen. Unter dem Strich überwogen aber die positiven Eindrücke, nach dem Prinzip: endlich wieder Festival, endlich wieder Live-Erlebnis!

Eine Festivalbühne mit Publikum

Großartige Stimmung in Scheeßel: auf Bilder wie dieses mussten die Rockfans zwei Jahre lang verzichten. Foto: Frank Schümann

Line-Up im Wandel

Unter künstlerischen Gesichtspunkten konnte das Hurricane 2022 ebenfalls überzeugen, auch wenn der angestrebte Wandel zu noch mehr Massentauglichkeit, nach noch mehr Tanzbarkeit augenfällig war und nicht jeden langjährigen Fan „abholte“. Zwar gab es auch in diesem Jahr wieder viele klassische Hurricane- (und Southside-) Acts wie The Killers, Mando Diao, The Hives, Rise Against oder Kings of Leon, aber neben diesen Rock-Bands verstärkt und bewusst „poppiges“ wie Seeed, Deichkind, Von wegen Lisbeth oder den DJ Martin Garrix. Auffällig war zum Beispiel am Samstag, dass sich die Rock-Acts am Nachmittag tummelten, zum Teil mit unglücklichen Überschneidungen wie bei den Punk-Bands Bad Religion und Turbostaat, während die späteren Stunden offenbar als Tanzabend auserkoren worden waren.

Alte Helden ziehen noch immer

Gerade der Samstagnachmittag (inklusive des frühen Abends) hatte dann aber auch einiges zu bieten: so bewiesen unter anderem die Alt-Punker von Bad Religion, dass sie trotz über 40-jährigem Bestehens nichts von ihrer Power eingebüßt haben – von ihrem sozialkritischen Biss ohnehin nicht, auch wenn Frontmann Greg Graffin mit seinem Polo-Shirt und seiner schwarzen Brille immer mehr aussieht wie ein Theater-Dramaturg (oder, wie Freund Guido meinte: wie ein in die Jahre gekommener Mathe-Lehrer).

Stark: The Dead South und IDLES

Dass die Verantwortlichen des Hurricane aber immer noch ein gutes Gespür für kommende große Acts haben, bewiesen die Auftritte von The Dead South gleich zur Eröffnung am Freitag und von den IDLES am frühen Samstagabend. Italo-Western getränkt, sorgten die einen mit Banjo, Kontrabass und Bluegrass für ausgesprochen gute Laune, die anderen mit ihrem Mix aus Punk, Hardcore und Rock, mit immerwährenden Tempowechseln und einer gleichermaßen starken Bühnenpräsenz für enorme Spannung – und Unterhaltung. Beendet wurde das Festival am Sonntagabend mit drei starken Rock-Acts – mit Bring me the Horizon, Rise Against und den Kings of Leon.

Männer liegen auf dem Acker.

Hurricane ist bekanntermaßen nicht nur Musik… Foto: Frank Schümann

Viel los auch in Weyhe und Bremen

Das Hurricane ist vorbei, die Festivalsaison hat aber gerade erst begonnen – und wurde in unserer Region Anfang Juli mit dem Festival „aufMUCKEn gegen rechts“ auch gleich zünftig fortgesetzt. Mit Kettcar als Headliner und weiteren Acts wie Grillmaster Flash oder Akne Kid Joe wurde auch hier ordentlich abgerockt – mit klarer Message. „Open Air“ war und ist in diesen Tagen auch andernorts die Devise – so startete am gleichen Wochenende die Seebühne Bremen mit Live-Konzerten von Oleta Adams, Jamie Cullum und den Söhnen Hamburgs (Programm noch bis zum 24. Juli, unter anderem mit einem Konzert der Hooters am 21. Juli).

Seit dem 13. Juli läuft in der Hansestadt auch wieder die Breminale. Ebenfalls in Bremen finden im Juli und August weitere große Open Air-Konzerte statt, jeweils auf der Bürgerweide – Iron Maiden am 20. Juli, die Ärzte am 20. August, die Toten Hosen am 27. August.

Die Band Beatsticks

Die Beatsteaks aus Berlin gehören zu den Zugpferden des Watt en Schlick-Festivals. Foto: vd

Watt en schlick

Musikalisch vielseitiger, aber auch an eine andere Zielgruppe gerichtet ist das Festival mit dem wohl schönsten, weil norddeutschesten Namen: das Watt En Schlick Fest, das in diesem Jahr vom 29. bis zum 31. Juli in Dangast stattfindet. „Urbane Kultur mit internationalen Künstler:innen auf fünf Bühnen, familiär und friedlich, mit Ebbe und Flut“ – so werben die Verantwortlichen selbst für ihr Festival, und jeder, der dies einmal erlebt hat, kann kaum widersprechen.

Der Musiker Olli Schulz

Olli Schulz ist ebenfalls mit in Dangast dabei. Foto: vd

Kleiner, gemütlicher, übersichtlicher als die „großen“ Festivals geht es hier zu, musikalisch ist dennoch viel zu erleben. In diesem Jahr sind unter anderem Flo Mega & The Ruffcats, Flowin Immo, die Punk-Durchstarter Shame, das Team Scheisse aus Bremen (auch auf der Breminale), Betterov, Curtis Harding, das Moka Efti Orchestra (bekannt vom Soundtrack von Babylon Berlin), Blood Red Shoes, der unvergleichliche Olli Schulz, Heinz Strunk, Metronomy und die Beatsteaks zu erleben – wenn das kein gutes Line-Up ist!

Deutlich lauter wird es bei den beiden Festivals zugehen, die hier ebenfalls noch separat erwähnt werden sollen: das Reload in Sulingen und das Hellseatic.

Die Band Arch Enemy

Einer der Headliner beim Reload in Sulingen: Arch Enemy. Foto: Patrick Ullaeus

Das Reload-Festival

Heaven Shall Burn, Arch Enemy, Lamb of God – wer das Line-Up liest, der weiß: das nächste Reload-Festival, das vom 18. bis zum 20. August wieder in Sulingen stattfindet, wird in diesem Jahr noch ein bisschen härter als zuletzt. Gar nicht mal, weil man unbedingt härter werden wollte, sagt Festival-Chef Andre Jürgens, sondern: „Die Würfel fallen eben so, wie sie fallen – wir gucken, wer passt, wer verfügbar ist und wer bezahlbar ist, und haben dann am Ende ein Ergebnis.“

Eines, mit dem die Macher auch in diesem Jahr wunderbar leben können: „Ich finde, wir haben wieder ein ganz starkes Line-Up.“ Insgesamt sind 50 Bands am Start, für etwas Abwechslung und eine etwas andere Note sollen in diesem Jahr wieder einmal Torfrock sorgen.

Die Band Torfrock

Torfrock sorgt für die Humorkomponente beim Reload. Foto: vd

Das Hellseatic-Festival

Und auch beim 2. „Hellseatic“-Festival auf dem ehemaligen Gelände der Bremer Woll-Kämmerei in Blumenthal dominieren die härteren Klänge: Am 9. und 10. September sind Metal-, Progressive- und Alternative-Acts am Start, als Headliner Mantar, Motorpsycho, The Ocean und Crisix, dazu Bands wie Judas Hengst oder Kabbalah. Insgesamt sind rund 16 Bands auf zwei Bühnen geplant.

Der Festival-Zeitplan

Breminale: 13. bis 17. Juli.

Watt en Schlick, Dangast: 29. bis 31. Juli.

Appletree Garden Festival, Diepholz: 4. bis 6. August.

Reload, Sulingen: 18. bis 20. August.

Baltic Open Air, Busdorf: 24. bis 27. August.

Hellseatic, Blumenthal: 9. und 10. September.