Immer höflich und freundlich

Den Beginn der Sommerferien nutzt unser Autor für einen augenzwinkernden Blick in seine Schulzeugnisse. Er war ein durchschnittlicher Schüler mit ausgeprägter Schwäche im Zeichnen und Malen. Aber immer höflich.

Von Ulf Buschmann

An den Beginn meiner Schulzeit erinnere ich mich genau. Bevor wir am 4. September 1972 eingeschult wurden, mussten wir zum Schultest: Mehrere Tage lang schauten die Lehrerinnen und wenigen Lehrer, ob wir „schulreif“ sind. Der Befund für mich lautete: „Noch nicht schulreif“. Stattdessen empfahl meine potenzielle Klassenlehrerin meinen Eltern, die das letzte Wort hatten, mich erst einmal in die Vorschule zu stecken – die hieß bei uns „Schulkindergarten“. An die Begründung erinnerte sich meine Mutter noch Jahrzehnte später: „Du hast Männchen ohne Hals gezeichnet.“

Dies fand nicht nur sie „blödsinnig“, sondern auch mein Vater. Also wurde ich im September 1972 an der Grundschule Aumund eingeschult und kam in die 1a. Das erste Zeugnis – noch ohne Noten – gab’s am 28. Juni 1973 zum Schuljahreswechsel. „Ulf Buschmann bemüht sich, ein guter Schüler zu sein“, hatte meine Klassenlehrerin in bester Handschrift verfasst: „Da bei der mündlichen und schriftlichen Arbeit seine Ausdauer noch gering und sein Arbeitstempo noch langsam sind, kann er dem Unterrichtsverlauf noch nicht immer aufmerksam folgen. (…) Durch fleißiges Üben kann Ulf in allen Unterrichtsgebieten seine Beweglichkeit und Kombinationsfähigkeit vergrößern.“ Mit anderen Worten: Es war noch Luft nach oben.

Ulf, der höfliche Junge

Immerhin zieht sich eine Beurteilung wie ein roter Faden durch meine Grundschulzeit, die sich in meinem ersten Zeugnis so liest: „Ulf benimmt sich immer höflich und freundlich.“ Im zweiten Zeugnis zum Halbjahreswechsel der zweiten Klasse wird daraus „höflich und kameradschaftlich“. Zum Ende von Klasse zwei konnte meine Klassenlehrerin das knappe Fazit ziehen: „Ulf beträgt sich gut.“ Aber: „Er folgt dem Unterricht nicht immer aufmerksam genug.“

Ab der dritten Klasse gab es Noten. Das Feld „Bemerkungen“ blieb in beiden Zeugnissen leer. Erst am Ende des ersten Halbjahres in Klasse vier schrieb meine Lehrerin: „Ulf ist stets freundlich und hilfsbereit. Er folgt dem Unterricht aufmerksam. Im Sachunterricht zeigt er zum Teil schon gute Leistungen.“ Dass ich „nicht immer aufmerksam genug im Unterricht“ mitarbeiten würde, schmierte mir meine Klassenlehrerin zum Wechsel von Schuljahr fünf zu sechs aufs Brot – was kein Wunder war, denn sie hatte mich auf dem Kieker. In der fünften Klasse gab es keinen Jungen, der gefühlt so oft vor die Tür musste.

Lob zum Schulwechsel

Immerhin fing ich mich wieder, sodass meine Klassenlehrerin vor dem Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium am Ende von Klasse sechs Grund zum Loben hatte: „Die Leistungen in Deutsch – besonders in Rechtschreibung – sind teilweise besser als befriedigend. Ulf hat sich sehr für die Klassengemeinschaft eingesetzt und häufig Sonderaufgaben übernommen.“ Derart motiviert konnte ich das Gymnasium angehen.

Zwischen 1978 und 1982 charakterisiert ein Zeugniseintrag die Lage recht gut: „In Mathematik sind die Leistungen nur schwach ausreichend.“ Übrigens auch in Chemie. Allerdings war es kein Wunder: Beide Fächer interessierten mich nicht, also war ich dort stinkfaul. Ich konzentrierte mich lieber auf Gemeinschaftskunde und Geschichte. Letzteres Fach schloss ich vor dem Wechsel an die Gymnasiale Oberstufe immerhin mit der Note 1 ab.

Sinnlose Mathematik

Mathematik und ich, das war seit meiner Einschulung ein Verhältnis wie Feuer und Wasser. Mengenlehre macht ja noch einigermaßen Spaß. Auch das Erlernen der Grundrechenarten funktionierte ganz gut. Aber spätestens mit der Konfrontation mit Algebra I und II, der Integralrechnung und dem Ableiten von Funktionen war es vorbei. Ich fragte mich ständig: „Wozu brauchst Du diese Scheiße?“ Dies galt insbesondere auch für Chemie. In Physik und Biologie konnte ich recht gut mithalten. Kleiner Spoiler: Die Sinnhaftigkeit mancher Inhalte hat sich mir erst durch meine Arbeit als Journalist erschlossen.

Viel wohler fühlte ich mich schon immer in Geschichte, Politik und Gemeinschaftskunde. Dies blieb bis zum Abitur im Frühjahr 1986 so. Englisch mochte ich eigentlich auch – wenn mir mein erster Lehrer auf der Gymnasialen Oberstufe in Kombination mit den Inhalten nicht komplett den Spaß daran verdorben hätte. „Sie sind zwar saublöd, aber ich gebe Ihnen trotzdem fünf Punkte“, war einer seiner Sprüche. Zum Glück drehte ich danach eine Ehrenrunde und bekam einen neuen Englischlehrer. Dieser war gleichzeitig mein Tutor, also der Klassenlehrer-Ersatz.

Unterm Strich habe ich durchaus was mitgenommen ins Leben – und das trotz des ja ach so schlechten Bremer Abiturs. Die Sinnhaftigkeit eines großen Teils des Unterrichtsstoffs hat sich mir allerdings erst später erschlossen. Was bis heute – logisch! – noch immer gilt, ist die Beurteilung meiner Lehrerin am Ende der ersten Klasse: „Ulf benimmt sich immer höflich und freundlich.“

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