Der rote Klappkorb

Seit Beginn der Corona-Pandemie boomt es online. Nicht nur Zusammenkünfte finden virtuell statt. Dies gilt auch für Pressekonferenzen. Dabei ist oftmals gar nicht das gesprochene Wort das Interessante. Vielmehr lohnt sich der Blick in den Hintergrund. Oder es bleiben die technischen Unzulänglichkeiten eines Ministeriums in Erinnerung.

Von Ulf Buschmann

Maike Schaefer hat jüngst Einblicke in ihre Transportgewohnheiten gewährt. Dies hat die Bremer Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau garantiert nicht absichtlich gemacht. Aber ich weiß jetzt, dass Maike Schaefer einen roten Klappkorb benutzt. Woher ich diese Info habe? Sie ist das Abfallprodukt einer kürzlich stattfindenden bundesweiten Online-Pressekonferenz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Auf der Tagesordnung: Die Bilanz zum 9-Euro-Ticket. Hierzu waren eben auch Maike Schaefer als aktuelle Vorsitzende der bundesdeutschen Verkehrministerkonferenz (VMK) sowie andere Ministerinnen zugeschaltet. Doch dazu später mehr.

Die Bremerin war eigentlich ganz gut von ihren verantwortlichen Menschen ins Bild gesetzt worden. So prangte hinter Maike Schaefer das große „Bremen“-Transparent. Doof nur, dass es maximal zu 75 Prozent zu sehen war. Denn die Kamera der Senatorin war von der Ausrichtung und damit von der Blickrichtung her nicht so ganz kompatibel mit dem Transparent an der Wand. Und weil sie inhaltlich nicht ganz so viel Neues zu sagen hatte, schaltete ich ein wenig auf gedanklichen Durchzug.

Gedrucktes Gedöns

Stattdessen erregten die Dinge im Hintergrund von Maike Schaefer meine Aufmerksamkeit; unter anderem der Klappkorb. Darin lagen allerlei Papiere und mindestens Ringordner. Ich fragte mich: „Was steht da drin?“ Die Form des Ringordners erinnerte mich an diverse Lose-Blatt-Sammlungen aus meiner Studienzeit. Auch danach war ich noch lange ein Blätterfan – zum Beispiel in Sachen Presserecht.

Aber zurück zur VDV-Pressekonferenz. Der besagte Ringordner im senatorischen Klappkorb steckte halb an der Seite, halb krönte er die anderen Papiere. Oder zumindest das, was ich für Papiere hielt. „Was steht darin nun wieder?“, schoss es mir durch den Kopf. Meine Gedanken verselbstständigten sich hin zum Garstigen: Hat die Senatorin darin vielleicht die Handlungsanweisungen für ihre Bauverwaltung für die autofreie Innenstadt aufgeschrieben?

Kubistisches aus dem Saarland

Schnell widmete ich mich wieder dem Inhalt der Pressekonferenz. Zwischendurch äußerte sich unter anderem Petra Berg. Sie kennen sie nicht? Macht nichts, ich auch nicht wirklich. Sie ist Ministerin für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz des Saarlands. So lautet ihr offizieller Titel. Nebenbei fordert Petra Berg genauso wie ihre anderen Länderkollegen mehr Geld für den Nahverkehr und einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets.

Das Interessante an der Ministerin war gar nicht einmal das Inhaltliche, sondern das vom Saarland kommende, sehr kubistische Bildschirmdesign. Wirklich echte 90er-Jahre als die Menschen noch mit einem Modem mit der sagenhaften Übertragungsrate von 14.400 Baud online gingen. Soll heißen: Entweder war das Netz im Ministerium schlecht oder die Webcam hatte eine grottige Qualität. Beides würde mich nach den bislang gemachten Pandemie-Erfahrungen nicht wundern. Da sind wir Bremer wirklich besser – nicht unbedingt bei der klaren Sprache, aber bei der klaren Bildschirmauflösung.

Raus aus dem Netz

Dass es bei den Landes- und Bundesbehörden immer mal wieder mit der Netzanbindung hakt, ist für mich nichts Neues. Gleich zu Beginn der Pandemie gab es eine Online-Pressekonferenz zur Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs. Der zuständige Referent des Bundesverkehrsministeriums – ein Bayer – berichtete über die Sichtweise der Regierung. Abgesehen davon, dass aufgrund seines Dialekts schon schwer zu verstehen war, knisterte und knackste es in der Leitung. Und dann, zack, war der gute Mann ganz weg.

Dies war seiner ebenfalls anwesenden Pressesprecherin und der persönlichen Referentin im Hintergrund sichtlich peinlich. Einer der ebenfalls zugeschalteten Wissenschaftler, die eine Studie zum Thema Verkehrsverbünde vorstellen wollten, konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen: Das digitale Zeitalter habe wohl in manchen Amtsstuben noch nicht begonnen.