Schiffbau: Das Allzeithoch
Schiffbau in Deutschland: Rekordaufträge, volle Auftragsbücher, positive Branchenlage. Gleichzeitig bremsen Finanzierung und Fachkräftemangel. Wie nachhaltig ist der Boom – und welche politischen Weichen sichern Wettbewerbsfähigkeit?
Von Ulf Buschmann
Das Gerüst ist verschwunden und gibt den Blick auf den Neubau frei. NVL ist da zu lesen. Die drei Buchstaben stehen für Naval Vessels Lürssen. Unter diesem Dach führt die Lürssen-Gruppe mit Sitz in Bremen ihre militärische Sparte. Der Neubau auf dem Betriebsgelände im niedersächsischen Lemwerder beherbergt den NVL-Campus. Es könnte jedoch sein, dass der Schriftzug ausgetauscht wird – aus dem NVL- wird der Rheinmetall-Campus. Denn vor einigen Wochen informierten Lürssen und das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen über den NVL-Verkauf. Formell soll das Geschäft bis Anfang 2026 über die Bühne gebracht werden, sofern die Kartellbehörden zustimmen.
Die Rheinmetall-Übernahme von NVL kommt zu einer Zeit, in der die hiesigen Werften im zivilen und im militärischen Bereich ordentlich zu tun haben. „In Schiffbau und Meerestechnik blicken wir auf ein erfolgreiches Jahr 2024 zurück“, lässt sich Harald Fassmer als Präsident des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik (VSM) im Jahresbericht 2024/2025 zitieren. Er ist einer der Geschäftsführer der Fassmer-Werft in der Nachbarschaft von Lürssen. „Der Schiffbau brummt weltweit“, sagt auch VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken. Mit einem Auftragseingang von rund 10,7 Milliarden im zivilen Seeschiffneubau erreiche die Branche ein neues Allzeithoch. Daran wird sich nach Einschätzung von Branchenvertretern in den kommenden Jahren wenig ändern. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt.

Am Neubau für den neuen Campus könnte ab kommendem Jahr nicht NVL, sondern Rheinmetal stehen. Foto: Buschmann
Alleine für Deutschland hat der Dachverband „Sea Europe“ mit Mitgliedern aus 17 Nationen einen Auftragsbestand von 16,3 Millionen Compensated Gross Tonnage (CGT), auf Deutsch „gewichtete Bruttoraumzahl“ für 2024 errechnet. Die Auftragseingänge betrugen 10,7 Millionen, die Ablieferungen hierzulande 2,8 Millionen CGT. Mit dieser Maßeinheit wird nicht nur das Volumen eines Schiffes berücksichtigt, sondern auch der Arbeitsaufwand beim Bau.
Unterstrichen werden die positiven Trends im „Konjunkturreport Maritime Wirtschaft“ der IHK Nord. Die Arbeitsgemeinschaft von 13 Industrie- und Handelskammern der norddeutschen Bundesländer fragte im Juli nach der Stimmung in der maritimen Wirtschaft. Während die Schifffahrt von einem Abschwung spricht, konnte das „Konjunkturbarometer im Schiffbau mit einem Plus von rund acht Punkten“ laut IHK Nord „leicht zulegen“. Und: „Dabei schätzen rund 84 Prozent der befragten Unternehmen die Entwicklung der Geschäftslage als gleichbleibend ein. Neun von zehn Unternehmen bezeichnen ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend.“
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Unternehmen bestätigen Trend
Nachfragen bei Schiffbauunternehmen bestätigen die positive Marktlage. Aber nicht alle Unternehmen reagieren darauf. Abeking & Rasmussen in Lemwerder sieht sich mit seinen vier Standbeinen Yachten, Spezialschiffe, Marine und Refit gut aufgestellt und in der Lage, sich „den aktuellen Gegebenheiten anzupassen.“ Um die Zukunft machen sich die Niedersachsen aktuell keine Sorgen. Eine Sprecherin begründet dies mit „zahlreichen Ablieferungen“ in den kommenden drei Jahren, „verteilt über alle Schiffstypen“. Zudem gebe es positive Zeichen für Folgeaufträge. „Zusätzlich zu den Neubau-Aufträgen, nehmen die Refit-Aufträge einen immer größeren Stellenwert ein. Neben den ,klassischen’ Yacht-Refits haben wir auch mehrjährige Aufträge im Marinebereich.“
Die Lürssen-Gruppe gibt „aufgrund der Diskretion gegenüber unseren Kunden grundsätzlich keine Auskunft“ über den zivilen Bereich, den Bau von Superyachten, sagt Sprecher Oliver Grün. Seine Antwort für den militärischen Bereich lässt durchblicken, warum Rheinmetall sich NVL unter anderem einverleibt. Dieses sei „insbesondere mit anspruchsvollen Projekten für die deutsche Marine bis über das Jahr 2030 hinaus ausgelastet“.

Abeking & Rasmussen ist bis übers Jahr 2030 ausgelastet. Foto: Buschmann
Nicht alles ist Gold
Trotz aller guten Perspektiven ist in der Branche nicht alles Gold. Laut IHK Nord sehen die Unternehmen eine Reihe von wirtschaftlichen Risiken. 63,7 Prozent machen sich Sorgen bei der Gewinnung von Fachkräften. Stirnrunzeln wegen der Entwicklung der Arbeitskosten bekommen 56,9 Prozent. Und fast allen, nämlich 99 Prozent, macht die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Dazu gehört der Bereich Schiffsfinanzierungen. Der VSM fordert in seinem Jahresbericht Änderungen, ohne jedoch konkret zu werden. Bislang bekommen die Werften eine Abschlagszahlung in Höhe von 20 Prozent bei Bestellung und 80 Prozent bei Ablieferung. Heißt: Die Unternehmen müssen sich bei ihren Banken selbst um eine Zwischenfinanzierung kümmern. Doch seit der Finanzkrise 2008/2009 haben es insbesondere kleine und mittlere Unternehmen hier schwer, an Kredite zu kommen. Einen Weg aus der Finanzierungsmisere sieht die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Diese engagiert sich über ihre Tochter KfW Ipex-Bank. „Ein Umdenken in der Bauvertragsgestaltung ist erforderlich: Die Werften müssen ihre Ausgaben für den Bau des Schiffes bis zur Ablieferung an den Besteller über Abschlagszahlungen weitergeben dürfen“, zeigt diese einen Weg auf.

Auch das Unternehmen von VSM-Präsident Harald Fassmer ist gut im Geschäft. Foto: Buschmann
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