Im Tod noch einen Beitrag für die Umwelt leisten
Wie kann eine Bestattung möglichst nachhaltig sein? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Bremer Unternehmen „trauerraum“.
Von Daniela Krause
Wenn ein Mensch sich sein Leben lang bemüht hat, im Einklang mit der Natur zu leben, dann wünscht er sich für sein Lebensende mit hoher Wahrscheinlichkeit eine umweltfreundliche Art der Beisetzung. Das Team von „trauerraum“ in Bremen hat es sich seit der Gründung im Jahr 2010 zur Aufgabe gemacht, möglichst nachhaltige Bestattungen anzubieten und umzusetzen.
Als Inhaber und Bestatter Heiner Schomburg das erste Mal einen Pappsarg in den Händen hielt, war er zunächst begeistert: „Ich stellte jedoch schnell fest, dass sich der Sarg leider nicht so gut händeln ließ.“ Weitaus problematischer war, dass der Sarg bei der Einäscherung sofort in Flammen aufging. „Es fehlte schlicht das Brennmaterial, in Form von Holz, das für eine Einäscherung benötigt wird.“
Grüner letzter Fußabdruck
Heiner Schomburg begab sich also auf die Suche nach weiteren umweltfreundlichen Materialien. „In den vergangenen fünf bis zehn Jahren hat sich da eine Menge getan.“ So stellt er neben einem unlackierten Sarg aus Kiefernholz einen Bio-Sarg aus Bananenblättern zur Ansicht aus. Im Regal finden sich Urnen unter anderem aus Holzkohle, Filz, Olivenkernen, Salz für die Beisetzung auf hoher See sowie Papier. „Sämtliche Urnen, Aschekapseln und Särge sind abbaubar“, erklärt Bestatterin Lisa Schwacke. Auch eine Innovation aus den Niederlanden, ein Sarg aus Pilzgeflecht, und andere Neuheiten beobachtet das Team mit Spannung.
Ziel sei es, einen möglichst „grünen letzten Fußabdruck“ zu hinterlassen. „Vielen ist nämlich gar nicht bewusst, dass man auch im Tod noch einen Beitrag für die Umwelt leisten kann“, so Schwacke. Das fängt schon bei möglichst kurzen Wegen zu nahegelegenen Friedhöfen an. Selbst das Totengewand macht einen Unterschied: „Dieses sollte im Idealfall aus Biobaumwolle, Leinen oder anderen natürlichen Materialien sein. Wir weisen Angehörige außerdem darauf hin, dass Brillen, Lederschuhe oder Lederjacken nicht während einer Ruhefrist von 25 Jahren vergehen.“
Klar ist für Heiner Schomburg: Die herkömmliche Erdbestattung ist alles andere als umweltfreundlich, daran könne auch ein biologisch abbaubarer Sarg oder eine solche Urne nur wenig ändern: „Das Problem ist, dass die Körper von Verstorbenen oft mit Arzneien, Implantaten und Strahlendosen belastet sind. „Durch den natürlichen Verwesungsprozess werden diese Schadstoffe freigesetzt, die dann in die Erde und letztlich ins Grundwasser gelangen, wie zum Beispiel Quecksilber im Amalgam.“
Einäscherung unter kontrollierten Bedingungen
Im Vergleich dazu gestaltet sich die Feuerbestattung umweltfreundlicher. Hier arbeitet „trauerraum“ mit Feuerbestattungen Verden zusammen. „Bei der Feuerbestattung läuft der Einäscherungsprozess des Körpers unter kontrollierten Bedingungen innerhalb einer Stunde ab“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens. Die Schadstoffe werden durch die Filteranlage abgeschieden. Die Stoffe, die aus der Filteranlage in dichte Fässer ausgetragen werden, gelangen durch ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen in eine Untertagedeponie. „Ein Erbe, mit dem unsere Enkel oder Urenkel eines Tages umgehen müssen“, gibt Heiner Schomburg zu bedenken.
Die Beisetzung biologisch abbaubarer Urnen wird vom Umwelt Bundesamt (UBA) nach bisherigen Studienergebnissen als „meist unbedenklich“ eingestuft. Um eine Kontamination des Grundwassers und eine Belastung des Bodens zu verhindern, müssten jedoch der pH-Wert des Bodens, der Abstand zum Grundwasser sowie die Vorbelastung des Bodens mit Schwermetallen berücksichtigt werden.
Erde zu Erde
Heiner Schomburg findet: „Das geht noch besser.“ Aus diesem Grund ist er dem Netzwerk „Grüne Linie“ beigetreten, das sich der ökologischen und nachhaltigen Bestattungskultur verschrieben hat. Ebenso aus diesem Grund bezeichnet er sich als „Fan des Konzeptes Reerdigung“, das sich seiner Meinung nach künftig als dritte Bestattungsart durchsetzen könnte. Getreu der Formel „Erde zu Erde“ wird der Körper bei der „Reerdigung“ sozusagen kompostiert: Innerhalb von 40 Tagen wird aus ihm fruchtbare Erde.
Die ersten vier „Reerdigungen“ durch das Unternehmen „Circulum Vitae“ aus Berlin wurden im schleswig-holsteinischen Mölln bereits abgeschlossen. Nach Angaben der Initiatoren Max Huesch und Pablo Metz soll diese beschleunigte Erdbestattung sukzessive für alle Menschen bundesweit verfügbar werden. „Für Bremen ist man schon mit der Bausenatorin im Gespräch“, sagt Schomburg. Denn für die „Reerdigung“ braucht es einen Raum, in dem ein Kokon aus Edelstahl untergebracht ist. Angedacht sei, die Kokons künftig auf Friedhöfen oder an Krematorien zu platzieren.
Man kann sich auch an erst schräge Gedanken gewöhnen, weil es sinnvoll ist.
Im geschlossenen Kokon geschieht die Transformation: Der Körper liegt dabei auf einem Bett aus Stroh, Grünschnitt und Blumen. Mikroorganismen die in und auf unserem Körper leben, erledigen die Hauptarbeit und wandeln alles Organische in Erde um. Damit das funktioniert, werden von außen Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoffzufuhr gesteuert und kontrolliert. Keime und Krankheitserreger werden durch die hohe Temperatur während der Kompostierung abgetötet. Nicht organisches Material wie Implantate oder Zahnkronen lassen sich der Erde entnehmen.
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Einsparung von Kohlendioxid
Übrig gebliebene Knochenreste werden, wie nach der Einäscherung, gemahlen und der Erde wieder zugeführt, sodass am Ende feinrieseliger Humus entsteht. Unter Berücksichtigung sämtlicher Emissionen spare man bei diesem gesamten Prozess im Vergleich zu einer Feuerbestattung rund eine Tonne Kohlendioxid ein. Der Kokon wird gereinigt und steht für die nächste „Reerdigung“ bereit. Die entstandene Muttererde kann dann auf dem Friedhof in einem klassischen Erdgrab beigesetzt und bepflanzt werden.
„Das Interesse an dem neuen Verfahren ist groß“, sagt Schomburg. „Es gibt auch etliche Skeptiker, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich diese Form der Bestattung durchsetzen wird.“ Lisa Schwacke kann sich „Reerdigungen“ in Bremen ebenfalls gut vorstellen. „Ja, es ist schräg. Genauso, wie die Umgestaltung von gebrauchten Grabsteinen oder die Idee, die Wärme von Krematorien als Fernwärme zu nutzen. Aber man kann sich auch an erst schräge Gedanken gewöhnen, weil es sinnvoll ist: Durch die Reerdigung verbrauchen wir keine Ressourcen, sondern geben der Erde Energie zurück, so dass neues Leben entstehen kann.“
Veranstaltungshinweis: Letzte-Hilfe-Kurs
Unter dem Namen „Letzte-Hilfe-Kurs“ findet am Mittwoch, 23. November, von 17 bis 20.30 Uhr eine kostenlose Infoveranstaltung im Trauerraum statt. Als Pendant zur „Ersten Hilfe“ gibt der Kurs Interessierten Handwerkszeug mit, wie sie mit Menschen am Lebensende umgehen können. Der Kurs eignet sich zum Beispiel für Angehörige, aber auch für Menschen, die sich ehrenamtlich in der Sterbebegleitung engagieren möchten. Mehr Infos und Anmeldung unter Telefon 0421 / 98 99 55 27 oder per E-Mail an kontakt@trauerraum-bremen.de
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