Unterstützung vor Ort und im Krieg

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine engagieren sich Menschen unterschiedlich für das Land. In Bremen hat sich im März 2022 ein Netzwerk gebildet und im Landkreis Verden hilft die Deutsch-Polnische Gesellschaft.

Von Ulf Buschmann

Es ging alles ziemlich schnell. Kaum zwei Wochen nach dem Einfall Russlands in die Ukraine hat sich in Bremen Hilfe organisiert – Vertreter der Stadtgemeinde, von Vereinen und Verbänden und interessierten Einzelpersonen trafen sich im Haus der Bürgerschaft. Am Ende stand das Bremer Ukraine-Netzwerk. Die Initiatorinnen dahinter sind Helga Trüpel und Libuse Cerna. Trüpel ist Vorsitzende der Europa-Union Bremen, frühere Europa-Abgeordnete der Grünen und frühere Senatorin. Cerna ist Journalistin und unter anderem Vorsitzende des Vereins Literaturfestival Globale.

Die schnelle, spontane Gründung, der gute Informationsfluss zwischen allen Beteiligten und nicht zuletzt die Zusammenarbeit zwischen der Stadtgemeinde Bremen auf der einen sowie der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite seien die Merkmale des Ukraine-Netzwerkes. Das betonen Trüpel und Cerna unisono. In den ersten Treffen ging es darum, möglichst schnell für möglichst viele Menschen Hilfe zu organisieren – von Unterkünften über Bekleidung bis hin zu Spielzeug und Hygieneartikeln wurde alles gebraucht.

Doch es kam immer mehr hinzu. Alsbald tauchten rechtliche Fragen auf: Wo müssen die geflüchteten Menschen registriert werden? Woher bekommen sie Geld für den Lebensunterhalt? Viele Bremer, die sich ehrenamtlich engagierten, wendeten sich ans Netzwerk. Dank der engen Vernetzung, vor allem über die Plattform Slack, haben sich innerhalb weniger Wochen Hilfe-Strukturen aller Art herausgebildet. Dabei kommen den Beteiligten die kurzen Bremer Wege zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zugute. „Es denken ganz viele Leute in der Stadt mit“, sagt Trüpel.

Helga Trüpel und Libuse Cerna.

Helga Trüpel (links) und Libuse Cener (rechts) halten das Ukraine-Netzwerk Bremen zusammen. Montage: Ulf Buschmann/CC BY-SA 4.0

Gemeinsame Projekte

Nach knapp einem Jahr haben sich die Zusammenarbeit beziehungsweise ihr Charakter verändert. Statt vor allem Hilfe zu organisieren, gibt es unter anderem eigene Projekte, die von mehreren Partnern des Netzwerks getragen werden. Und: Die Akteure, die sich ins Netzwerk einbringen, professionalisieren ihre Arbeit zunehmend. Beispielsweise haben zwei Institutionen das Bremer Bündnis für die Ukraine ins Leben gerufen: das Stiftungshaus Bremen und die Bürgerstiftung Bremen. Alleine auf diesem Wege seien rund 100.000 Euro an Spenden zusammengekommen, freut sich Cerna.

Auch aus der Wirtschaft gibt es seit Ausbruch des Ukraine-Krieges vielfältige Hilfen. Beispiel SWB: Der Bremer Energieversorger, eine Tochter der EWE, hat gleich zu Beginn Räume für eine Kleiderkammer zur Verfügung gestellt. Und erst vor wenigen Wochen haben die beiden Mittelständler Buhlmann Rohr-Fittings-Stahlhandel sowie die Hansa-Flex AG die Stiftung Solidarität Ukraine errichtet.

Über das Netzwerk und die beteiligten Institutionen werden darüber hinaus immer wieder Kulturveranstaltungen auf die Beine gestellt. Die Bandbreite reicht von Musik aller Art bis hin zu Lesungen. So etwa rund ums orthodoxe Weihnachtsfest Anfang Januar.

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Kommunale Hilfe(n)

Wie wichtig die kommunale Hilfe für die Ukraine ist, zeigt sich indes nicht nur in Bremen. Das Thema stand auch bei der Jahrestagung des Ausschusses der Regionen (AdR) im Oktober in Brüssel im Mittelpunkt. „Vor Ort wird gehandelt“, hebt Trüpel hervor, darum sei alleine schon die Vernetzung über den AdR wichtig.

AdR-Versammlung in Brüssel.

Der Ausschuss der Regionen diskutierte im Oktober über die Hilfe für die Ukraine. Foto: Ulf Buschmann

Aktuell steht Hilfe für die ukrainische Hafenstadt Odessa ganz oben auf der Tagesordnung. „Die Freie Hansestadt Bremen baut eine Partnerschaft mit Odessa auf. Diese soll zunächst akut Hilfe vor Ort leisten. Sie soll sich daneben aber auch zu einer dauerhaften Beziehung entwickeln“, teilte der Senat Mitte Dezember mit. Und: „Als Teil der dringend erforderlichen humanitären Akuthilfe wollen der Bremer Senat und die Stiftung Solidarität Ukraine im Raum Odessa Wärmezelte aufbauen.“ Mit im Boot sind die Stiftung Solidarität und die Bremische Evangelische Kirche. Gemeinsam sollen acht Wärmezelte für jeweils 50 Menschen aufgestellt werden. Auf insgesamt 168 Paletten verladen gehen die Spenden an diesem Montag, 16. Januar, auf die Reise nach Tulcea in Rumänien. Dort wird die Lieferung von den Partnern in Odessa abgeholt.

Eine Demonstrantin hält ein Anti-Putin-Schild hoch.

In ganz Deutschland demonstrierten die Menschen ihre Solidarität mit der Ukraine. Foto: Schorle/CC BY-SA 4.0

Kooperation mit Danzig

Darüber hinaus arbeitet Bremen in Sachen Ukrainehilfe eng mit seiner Partnerstadt Danzig zusammen. Alleine die Ostsee-Metropole mit ihren rund 470.000 Einwohnern hat seit Beginn des Ukraine-Krieges laut eigener Angaben etwa 70.000 Geflüchtete aufgenommen. Für diese Menschen stellt Bremen Hilfe zur Verfügung.

Um die Hilfe über die polnischen Kommunen zu verstetigen, hat der Senat bereits im August beschlossen, der sogenannten „Phoenix-Initiative“ beizutreten – Gespräche hierzu laufen. Die „Phoenix-Initiative“ hat Danzig zusammen mit der polnischen Hauptstadt Warschau ins Leben gerufen. „Darin wird Solidarität bekundet mit im Krieg zerstörten Städten, die – so das Bild – ,wie Phoenix aus der Asche’ wieder auferstehen, und an deren Seite zu stehen, damit zugesagt wird“, heißt es dazu in einer Mitteilung.

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Verden: Monatlicher Transport

Auch im Landkreis Verden hat sich mit Beginn des Krieges etwas getan. Dort haben sich die ehrenamtlich Aktiven der Deutsch-Polnischen Gesellschaft (DPG) entschlossen, in Städten wie Zielona Gora und Gorzow Wielkopolski anders zu helfen als bislang. „Wir fahren seit Februar nur noch Ukraine-Transporte“, sagt Transportleiter Heinz Möller. Bis Ende vergangenen Jahres seien es 18 Stück gewesen. Er beziffert den Gesamtwert der Sachspenden aus den Landkreisen Verden, Rotenburg, Heidekreis, Nienburg und der Stadt Bremen auf bislang rund 790.000 Euro. Das Gesamtgewicht beträgt laut Möller 127 Tonnen.

Menschen nehmen sich Essen.

In den Camps müssen die Menschen auch verpflegt werden. Foto: DPG-Verden

Notwendig sind laut DPG Verden und anderer Hilfsorganisationen medizinische Geräte, Krankenhausbedarfsartikel, orthopädische Versorgungsgüter wie Rollatoren, Roll- und Toilettenstühle, Reha-Geräte sowie warme Winterbekleidung. Aber auch Lebensmittel für die Menschen werden dringend benötigt – so etwa für die Armenküche der katholischen Hilfsorganisation Sw. Brata Krystyna in Gorzow Wielkopolski. Alleine dort werden über 24.000 kostenlose Essen für Geflüchtete aus der Ukraine und bedürftige Polen ausgegeben. Natürlich würden die polnischen Partner dabei nicht vergessen.

Verteilung durch Behörden

Zielona Gora, Gorzow Wielkopolski – auch noch fast ein Jahr nach dem Beginn des Ukrainekrieges kommen viele Menschen mit nicht viel mehr als dem, was sie am Leib tragen. Maximal einen kleinen Rollkoffer haben sie dabei. Dies beobachten Möller und seine Kollegen immer wieder, wenn sie vor Ort waren. Die Verdener haben ebenso die Erfahrung gemacht, dass die Menschen, die aus der Ukraine ins Land kommen, individuelle Hilfe bekommen. „Die Behörden leisten hervorragende Arbeit“, findet Möller.

Menschen in einem Flüchtlingscamp.

Eines der vielen Flüchtlingscamps in Polen. Foto: DPG-Verden

Auf diese inzwischen gut entwickelten Strukturen satteln die DPG-Leute auf. Heißt: Sämtliche Spenden werden im vereinseigenen Lager kontrolliert, sortiert und dann auf die Fahrzeuge verladen. In Zielona Gora werden alle Hilfsgüter entladen und der Stadt übergeben. Sie übernimmt dann die Weiterverteilung an die ukrainischen Geflüchteten.

Wie Möller weiter berichtet, seien die Menschen unheimlich dankbar. Aber es gebe auch noch immer viele Fragen nach dem Verbleib der Angehörigen. Denn noch immer dürfen Männer von 18 bis 60 Jahren nicht aus der Ukraine ausreisen, weil für sie die Wehrpflicht gilt. Möller hat die Erfahrung mit den vom Krieg Betroffenen gemacht, dass sie sich zum Beispiel sorgen, wenn sich der Mann oder der Vater mehrere Tage nicht gemeldet hat.

Ein ukrainischer Soldat gönnt sich eine Kmapfpause in Bakhmut.

Ein ukrainischer Soldat bei den Kämpfen in Bachmut im November 2022. Foto: Verteidungsministerium der Ukraine/CC BY-SA 4.0

Menschen möchten nach Hause

Aber die DPG-Leute wissen auch, dass viele der Geflüchteten möglichst schnell wieder nach Hause möchten. „Wenn die ukrainische Armee Geländegewinne gemacht hat, trauen sich die Menschen zurück“, sagt Möller. Seine Beobachtungen werden durch Erkenntnisse des UN-Flüchtlingswerks gestützt. Bereits im Mai vergangenen Jahres hieß es in einer Mitteilung: „Wir haben auch mehr ,Pendelbewegungen’ beobachtet, bei denen Menschen aus verschiedenen Gründen über die Grenze in die Ukraine hin und her reisen, um ihre Familien zu besuchen, nach ihrem Eigentum zu schauen oder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.“

Allerdings rechnet das Flüchtlingswerk der Vereinen Nationen (UNHCR) nicht mit einem schnellen Ende der Flüchtlingsbewegungen. Angesichts der großen Binnenvertreibung, der massiven Zerstörungen und der anhaltenden Feindseligkeiten gehe Polen weiterhin von „der Aufnahme einer beträchtlichen Zahl von Flüchtlingen“ aus. Es gibt also noch genug zu tun für die Verdener DPG.

Ein zerstörter russischer Panzer.

Ein von der Ukraine laut Verteidigungsministerium zerstörter russischer Panzer, aufgenommen bei Mariupol im März 2022. Foto: Ukrainne Defence/CC BY-SA 4.0

Menschen auf der Flucht

Seit dem 24. Februar vergangenen Jahres ist alles anders. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind Millionen Menschen auf der Flucht. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht alleine in der Ukraine von mindestens acht Millionen Binnenflüchtlingen aus. Alleine ins Nachbarland nach Polen sind nach Angaben des Flüchtlingswerks rund 3,5 Millionen Menschen geflohen. Damit ist Polen das Hauptzielland für Ukrainer. Bis Ende November 2022 haben dort etwa 1,5 Millionen Geflüchtete vorübergehenden Schutz erhalten – auch damit liegt Polen innerhalb der Europäischen Union an der Spitze. In Deutschland sind von Ende Februar 2022 bis 5. Januar genau 1.045.194 Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister (AZR) registriert worden. Dies berichtet der Mediendienst Integration. Davon leben in Niedersachsen 109.000 sowie 10.750 im Bundesland Bremen. Fragen rund um das Thema gibt es auf der Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

DPG Verden: Weitere Transporte

Die Deutsch-Polnische Gesellschaft setzt ihre Hilfe für die Ukraine in diesem Jahr fort. Zwölf Transporte seien bereits jetzt fest terminiert, heißt es in einer Mitteilung. Aktuell würden „warme Bekleidung wie Jacken, Mäntel und Hosen, Lebensmittel und Hygieneartikel benötigt“. Und: „Aber auch soziale Brennpunkte in Polen sollen wieder insbesondere in der Region von Verdens Partnerstadt Zielona Gora sowie Achims Partnerkommune Nowa Sol sowie in Gorzow Wielkopolski mit Sachspenden bedacht werden.“ Die Sammelstelle der DPG ist deshalb für Selbstanlieferer am Sonnabend, 25. Februar, von 10 bis 12 Uhr wieder geöffnet. Sachspenden werden also dringend erbeten. Die Sammelstelle befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Futtermittelfabrik Anton Höing in Verden am Brunnenweg 1 im Innenhof rechts an der Rampe.

Im Raum Achim können die Sachspenden beim dortigen DPG-Repräsentanten Fritz-Heiner Hepke, Wiesenstraße 8, Telefon 04202/2217, sowie bei Katharina und Daniel Weßlowski, Philosophenweg 21, Telefon 04202/5 19 90 76, abgegeben werden. Die DPG-Sammelstelle für die Samtgemeinde Thedinghausen ist ebenfalls geöffnet. Dort können die Sachspenden bei Anne und Dr. Hans-Michael Künnemeyer, Thedinghausen, Hagenring 20, Telefon 04204/7866, angeliefert werden. Weitere Informationen gibt es zu den Transporten beim DPG-Lagermeister Heinrich Habighorst unter der Rufnummer 04233/1617 oder bei Transportleiter Heinz Möller unter der E-Mail-Adresse moeller.heinz@t-online.de.

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