Das Früher und das Heute

War früher wirklich alles besser, und darf man das heute eigentlich überhaupt denken? Frank Schümann macht sich in diesem Text darüber so seine Gedanken.

Von Frank Schümann

„Früher war alles besser.“ – „Das gab’s zu meiner Zeit nicht.“ – „Das haben wir aber immer anders gemacht.“ – Oh, wie habe ich diese Sätze gehasst. Als Kind, wenn manchen Älteren meine Frisur nicht passte, oder ich in ein Gespräch hinein meine Frage stellte – „Kinder haben zu schweigen, wenn Erwachsene sich unterhalten.“ Oha. Oder als Jugendlicher, wenn ich mich anschickte, eigene Ideen umzusetzen. Als Zivi, der einfach nur helfen wollte; als junger Mann, der in den Journalismus strebte. Immer waren da welche, die die alten Zeiten verklärten und mir damit klar machen wollten, dass mein Weg nicht richtig sein könne. Wir waren uns einig, in unserer Jugend, in unserer Generation, dass manche dieser Ansichten einfach der Zeit und der jeweiligen Generation geschuldet waren – andere Ansichten wiederum nicht nur untragbar waren, sondern auf den Mief der Geschichte gehörten.

Telefonzellen und Wählscheiben

Und die Technik? In den 1970er-Jahren hatten wir Telefonzellen, aus denen wir erst einmal die Dauertelefonierer heraus drängen mussten, wenn wir es eilig hatten – oder aus denen wir selbst herausgedrängt wurden, je kleiner wir waren, desto vehementer. Zu Hause gab es jene Vehikel mit Wählscheibe, bei denen nach erledigtem Anruf der Hörer akkurat auf die Gabel gelegt werden musste; wenn nicht, schimpfte Opa – und, was noch schlimmer war: der Anschluss war besetzt. Wollte man zuhause telefonieren, gab es noch ein Problem: Intimität gab’s nicht, das Kabel war zu kurz; alle bekamen gleich mit, wenn ein Mädchen im Spiel war.

Als der Wum den Thoelke rief

Und dann das Fernsehen: Drei Programme, mit Lieblingssendungen, auf die man sich freuen konnte – ob nun „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ oder „Pan Tau“ im Kinderprogramm, „Mit Schirm, Charme und Melone“ oder „Auf den Straßen von San Francisco“ im Abendprogramm. Samstags gab es die große Abendshow, wie „Am Laufenden Band“, und donnerstags kamen Rosenthal und Thoelke mit „Dalli Dalli“ und „Der Große Preis.“ Bei letzterem durfte man aufbleiben, bis Wum lautstark „Thoelke“ rief – später kam dann auch noch Wendelin dazu. Aber meistens waren wir ohnehin draußen: Auf dem Bolzplatz, gerne noch auf Schlacke, oder in der Nähe des Schrottplatzes, Baumhäuser bauen.

Ist heute alles besser?

Heute ist natürlich alles noch viel besser – wir können telefonieren, wann immer wir wollen, unsere Lieblingssendungen schauen, wann immer uns danach ist, und die Hände schmutzig machen müssen wir uns gar nicht mehr. Wir können alle Zugverbindungen schnell im Internet nachgucken, dort auch die Reisen buchen und natürlich auch alles andere kaufen. Klar, alles viel einfacher, viel schneller, viel besser. Oder?

Naja. Wir sind immer erreichbar und finden vor lauter Programmen manchmal gar nichts mehr im Fernsehen. Und dann dieses komplizierte Einstellen. Gute Güte – ganz zu schweigen von Bedienungsanleitungen, die nicht nur nach wie vor schwer zu verstehen sind, sondern mittlerweile nicht einmal mehr auf Papier mitgeliefert werden. Digital ist besser, na klar.

Nostalgie oder Rückwärtsgewandtheit?

So kommt es denn immer häufiger vor, dass ich mich beim Fluchen erwische – und beim Satz: „Ey, früher war das aber echt einfacher.“ Und ich mich fast zärtlich an die drei Programme der 70er-Jahre erinnere. Ist das nur Nostalgie oder schon Rückwärtsgewandtheit? Na, wie dem auch sei – jedenfalls spreche ich mittlerweile genauso wie die, die ich einst verteufelt habe. Tja, der Lauf der Zeit.

Wenn die Zeit mal stillsteht

Umso schöner, wenn man erleben darf, dass die Zeit bisweilen auch einmal stehen zu bleiben scheint. So wie am Sonntag im Bremerhavener Schifffahrtsmuseum: Ich weiß noch genau, wie ich Anfang der 1970er-Jahre mit meinen Eltern dort die wenige Jahre zuvor gefundene Hansekogge besichtigte; damals war sie noch in einer chemischen Lösung eingelegt. Nun ist sie schon seit über 20 Jahren „freistehend“ zu sehen, gut 50 Jahre sind ins Land gegangen – und ich fühlte mich bei der erneuten Besichtigung trotzdem ganz so wie damals. Ach, wie war das schön!

Woraus wir mindestens eines lernen – es gibt immer Dinge, die zeitlos sind. Man sollte sie nur pflegen!

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