Der Parteiaustritt

Unser Autor ist aus der SPD ausgetreten. Das ist für viele überraschend. Die Gründe dafür nennt er in Buschmanns Kosmos.

Von Ulf Buschmann

Ich kann mich noch ziemlich genau an mein erstes Mal erinnern. Es war mit Henning Scherf. Und es war brechend voll – so voll, dass ich mir irgendwo hinten in der Ecke einen Platz suchen musste. Stolz war ich auch, dass ich ausgerechnet von Henning Scherf als Neumitglied begrüßt wurde. Dies alles spielte sich im September 1985 ab. Ich besuchte die erste Versammlung meines Ortsvereins Aumund-Vegesack – wie mein Papa 25 Jahre zuvor, war nun auch ich in die SPD eingetreten. Damit ist es nun vorbei. Nach fast 40 Jahren habe ich mein Parteibuch zum 1. Januar abgegeben.

Freunde, Bekannte und Kollegen waren überrascht. „Du und die SPD, das habe ich immer als eine Einheit betrachtet“, meinte einer. Da war bis vor nicht allzu langer Zeit viel dran – zumindest mit Blick auf die Grundüberzeugungen. Doch diese und die praktische Politik hatten längst nichts mehr miteinander zu tun. Deshalb war ich in den vergangenen Jahren immer wieder kurz davor, mein Parteibuch an die für mich zuständige Landesorganisation Bremen zurückzugeben. Aber ich ließ mich bislang immer wieder überzeugen. Und doch blieb ein komisches Bauchgefühl: „Irgendwas stimmt hier nicht.“

Ampel-Skepsis

Die Bundestagswahl und die neue Regierung: Dass die SPD jetzt zusammen mit den Grünen und der FDP regiert, registrierte ich natürlich sehr aufmerksam. Aber ich war von Anfang sehr skeptisch: Schließlich hatte ich die erste Regierung in der gleichen Konstellation, der sogenannten Ampel, in Bremen und ihr Ende im Jahr 1994 mitbekommen. Stichwort: „Piepmatz-Affäre“. Schon damals hatte sich die FDP als Quertreiber-Partei entpuppt. Meine Skepsis hat sich übrigens bis in die Gegenwart bestätigt.

Anfang 2022: Es zeichnete sich ab, dass Russland sein Nachbarland Ukraine angreifen würde. Nun begann das Herumgeeiere des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz. Während vor allem die östlichen Nachbarn vor Russland warnten, und das seit Jahren, versuchte Olaf Scholz irgendwie, den aktuellen Zustand zu bewahren. Und der hieß für mich damals: Hauptsache, es fließt weiter russisches Gas nach Deutschland. Die Aussage in einer Pressekonferenz, die Ostsee-Pipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ seien rein privatwirtschaftlich, schockte mich zutiefst – ich empfand es als eines deutschen Bundeskanzlers zutiefst unwürdig.

Aber es sollte für mich noch schlimmer kommen. Am 24. Februar vergangenen Jahres begann Russland seinen durch nichts gerechtfertigten Angriffskrieg auf die Ukraine. Drei Tage später, am 27. Februar, hielt Olaf Scholz seine berühmte Rede von der Zeitenwende. Ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die in 16 Jahren Merkel-Regierung zur Trümmertruppe herunter gesparte Bundeswehr, dafür musste ich Olaf Scholz Respekt zollen. Ich dachte mir: „Scheinbar hat er erkannt, dass besondere Zeiten besondere Maßnahmen erfordern.“

Der Bundeskanzler eiert herum

Aber es kam anders, ja noch schlimmer: Statt der Ukraine, wie insbesondere die USA, von Beginn an massiv zu helfen, eierte die Bundesregierung weiter durchs Weltgeschehen. Den Vogel schoss dabei die inzwischen gegangene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ab: Die Lieferung von 5.000 Helmen an die Ukraine bezeichnete sie als „starkes Signal“. Meine erste Reaktion auf diese Meldung: „Der brennt doch der Helm!“

Dies war ein echtes Kommunikationsdesaster – nicht nur für die Ministerin, auch für Olaf Scholz. Ich hätte in den folgenden Monaten vielleicht ein gewisses Verständnis für dessen Politik aufgebracht, wenn er sie erklärt hätte. Aber nichts dergleichen geschah. Bis heute. Statt den Menschen zu erläutern, welche Linie der Bundeskanzler verfolgt, igelt er sich im Bundeskanzleramt ein.

Je weiter der Krieg Russlands gegen die Ukraine fortschritt, desto mehr bekam ich Bauchschmerzen. „Nein“, dachte ich mir im Laufe des vergangenen Jahres, „das ist nicht mehr meine Partei!“ Dies hatte übrigens nicht nur mit Olaf Scholz’ Politik zu tun. Eins drauf setzten die Enthüllungen der Verquickungen der SPD in Mecklenburg-Vorpommern mit Russland. Die für mich etwas befremdlichen Aussagen in Sachen „einen Kanal nach Russland aufhalten“ von Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, taten ein Übriges.

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Blick auf Bremen

Grund Nummer zwei meines Austritts: der Zustand der Bremer SPD und ihre Politik. Ich hielt es schon 2019 nach der krachend verlorenen Bürgerschaftswahl der SPD für unredlich, mit Grünen und Linken ein Bündnis einzugehen. Die SPD hatte die Rolle der stärksten Fraktion an die CDU abgegeben. Also hätte die CDU in guter parlamentarischer Tradition das Recht zur Regierungsbildung zugestanden. Ebenso unredlich, wie nicht in die Opposition war der Wechsel von Carsten Sieling zu Andreas Bovenschulte als neuem starken Mann an der Spitze des Senats – wobei er zeigt, dass er Politik kann.

Aber alles unterhalb des Bürgermeisters ist sehr fragwürdig. Allen voran die aktuelle Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp. Ihre Vorgängerin Claudia Bogedan war eine Macherin, die letztlich an den Umständen scheiterte. Folgerichtig setzte sich Claudia Bogedan ab und ist nun Geschäftsführerin der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sascha Karolin Aulepp hingegen glänzt durch Inaktivität. Sie ist die schlechteste Senatorin, die ich bislang über alle Ressorts hinweg in Bremen erlebt habe.

Keine Präsenz im Stadtteil

Tja, und bleibt da noch mein Ex-Ortsverein. Genau, der bei dem alles angefangen hat und bei dem ich als Mitglied alle Höhen und Tiefen miterlebt habe. Hierzu gehören vier Fusionen; die letzte ging Anfang 2022 über die Bühne. Wir wählten zwei Co-Vorsitzende – die eine musste aus beruflichen Gründen die Segel streichen, der andere hat sich inzwischen von der Öffentlichkeit unbemerkt aus dem Staube gemacht und wohnt in einem anderen Stadtteil.

In der Stadtteilpolitik findet die SPD nicht mehr statt. Bau- und Entwicklungsprojekte wie das neue Quartier am Vegesacker Hafen, die Pläne für das „Strandlust“-Quartier und einiges mehr – die SPD hat zu allem nichts zu sagen. Angesichts dieser Gemengelage habe ich mit Datum vom 15. November 2022 meine Austrittserklärung geschrieben und mein Parteibuch abgegeben.

Hin und wieder werde ich gefragt: „Willst Du einer anderen Partei beitreten?“ Meine Antwort ist ein klares: „Nein!“. Ich werde nie mehr irgendeiner Partei beitreten.

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