Rumpeln, schaukeln, gleiten

Wer heute mit der Straßenbahn fährt, der gleitet förmlich dahin. Wer dies früher tat, wurde kräftig durchgeschaukelt – Betrachtungen in Buschmanns Kosmos.

Von Ulf Buschmann

Hinsetzen und gleiten – so oder ähnlich fühlt sich es sich an, mit einer der ultramodernen Bremer Straßenbahnen zu fahren. Dieses sanfte Gleiten gilt übrigens nicht nur für die Sitzposition. Auch für stehende Menschen ist die Tram heute ein eher sanftes Verkehrsmittel. Und vor allem gibt es keine hohen Einstiege mehr. Kaum zu glauben, dass es vor noch gar nicht allzu langer Zeit rumpelte und schaukelte. Tja, und die Menschen mit Behinderungen hatten fast keine Chance in Busse und Bahnen hineinzukommen. „Bremer kommen immer gut an!“, war einst der Slogan der Bremer Straßenbahn AG – dies galt aber eben nicht für alle.

Wer in die Vergangenheit eintauchen möchte, dem sei ein Besuch im Bremer Straßenbahnmuseum empfohlen. Unter dem Dach des Depots Sebaldsbrück haben die Freunde der Bremer Straßenbahn von alter Signaltechnik bis hin zu Drehgestellen alles Mögliche aus dem Leben des hiesigen Nahverkehrs zusammengetragen. Der Hit ist natürlich die Sammlung historischer Fahrzeuge, die Kinder staunen und Erwachsene in Erinnerungen schwelgen lassen. Übrigens heißt das Museum auch „Depot“.

Es rumpelt und schaukelt

Schon der Weg vom Bremer Hauptbahnhof nach Sebaldsbrück und zurück ist eine Schau. Früher hielten die Gefährte auf dem sogenannten Gleisdreieck. Heute haben die historischen Bahnen eine eigene Haltestelle. Dort hält die Linie 9. Bevor die Fahrgäste zusteigen können, muss der Fahrer jedoch ziemlich kurbeln. Eine Straßenbahn zu fahren, war in den 1950er-Jahren eben kein Vergnügen – zumal mit dem Triebwagen 917, dem „Ackerwagen“. Baujahr: 1957.

Stehen, ne, das geht gar nicht, weil es wirklich ordentlich schaukelt. Wer dieses urwüchsige Fahrgefühl der Wirtschaftswunderzeit genießen möchte, sollte sich schnellstens hinsetzen. Fahrkarten? Dafür sorgt der Schaffner, denn den gab’s damals noch. Eine Fahrt hin und zurück mit Besuch im Museum kostet zehn Euro. Das ist für meine Begriffe ein akzeptabler Preis. Im Gegenwert gibt es auf Fotografien nicht nur Technik-, sondern auch Bremer Stadtgeschichte.

Türtechnik

Was mich bei Straßenbahnen stets fasziniert, ist die Türtechnik. Bei den modernen Typen ist es eigentlich nichts Besonderes. Nicht so bei unseren Omas und Opas. Hier war echte analoge Technik mit E-Motoren und graziler Technik am Werk. Und während ich eher etwas verträumt auf den Öffnungs- und Schließmechanismus des „Ackerwagens“ schaue, muss ich an mein erstes Straßenbahnerlebnis in der DDR beziehungsweise Ost-Berlin denken.

Es war im Juli 1982. Mit einer Jugendgruppe unserer Kirchengemeinde sowie unseren Partnern aus Leeds weilten wir eine Woche lang in West-Berlin. Ein Besuch in der „Hauptstadt der DDR“, wie sich der Ostteil damals nannte, war obligatorisch. Aber eines war bereits klar: Auf Museen und anderes Kulturgedönz hatten wir wegen der Bullenhitze mit weit über 30 Grad keine Lust. Alle hatten wohlweislich ihr Badezeug eingepackt – es ging ins Strandbad Müggelsee.

Es knallte

Wie wohl die meisten Berliner fuhren wir mit der Straßenbahn. Diese rumpelte und schaukelte wie der Bremer „Ackerwagen“. Allerdings war die Türtechnik eine spezielle: Bei jedem Öffnungs- und Schließvorgang sprang ein lauter Elektromotor an und ließ die Türen mit lautem Knall zu- oder auffliegen. Die ersten Male erschreckten wir uns gehören. Spätestens dann wussten die Menschen um uns herum: ah, Leute aus dem Westen.

Wenn wir schon einmal in einem beliebten Ost-Strandbad waren, probierten wir logischerweise die gastronomischen Highlights aus: Pommes, Bockwurst und „Club Cola“. Ersteres und Zweiteres schmeckten ganz okay. Aber die „Club Cola“ war wirklich schrecklich. Sie hinterließ nicht nur einen faden Geschmack im Mund. Eines unserer Mädchen aus Leeds stürzte bei der Rückfahrt aus der schaukelnden Bahn, um den Inhalt ihres Magens auf den Schienen zu verteilen. Wie gut, dass wir heute mit unseren Straßenbahnen gleiten können.