Die Fußgängerzone ist mein Social Media

Alles redet über Social Media – dabei gibt es dieses Phänomen nicht erst seit Twitter, Facebook und Instagram. Social Media war schon da, nur heißt diese frühe Form Fußgängerzone – auch in Buschmanns Kosmos.

Von Ulf Buschmann

„Mit dir gehe ich samstags nie wieder los!“ So oder ähnlich motzte vor gut und gerne 20 Jahren mein Kumpel Uwe. Damals wohnten wir zusammen in einer WG. Logisch, dass wir hin und wieder auch mal durch unsere örtliche Fußgängerzone zogen. Womit Uwe nicht gerechnet und ich nicht gedacht hatte: In meinem Stadtteil Vegesack bin ich aufgewachsen und arbeite dort auch als Journalist. Entsprechend viele Menschen kenne ich und entsprechend häufig bleibe ich für einen Schnack stehen. Uwe hatte das Nachsehen.

Vor 20 Jahren gab es kein Social Media

Als er diese für ihn frustrierende Erfahrung machte, gab es noch kein Social Media. Oder es steckte in den sprichwörtlichen Kinderschuhen. Wenn ich als Journalist etwas erfahren wollte, machte ich mich eben auf den Weg durch unsere Fußgängerzone. 500 Meter auf der einen Seite, 500 Meter auf der anderen Seite schlendern: Das war die Formel der Informationsbeschaffung. In der Tat, nach 1000 Metern laufen, zwischendurch vielleicht noch ein Eis essen und diversen Stopps war ich um einiges an Information reicher. Dass ich nicht alles verwerten konnte, steht auf einem anderen Blatt. Aber ich hatte eben die Informationen.

Die Fußgängerzone ist Social Media

Wobei die Vergangenheitsform nicht ganz korrekt ist. Denn ich informiere mich zwar heute sehr viel über Social Media; doch meine gute alte Fußgängerzone am Sonnabend hat nach wie vor ihren Platz in der Informationsbeschaffung. Heute jedoch sind die Wege andere, weil die Vegesacker Fußgängerzone a) nicht mehr so belebt ist wie noch vor einigen Jahren und b) die Menschen andere Routen haben. Statt komplett durch die Gerhard-Rohlfs-Straße zu schlendern, besuchen viele Menschen nur den Wochenmarkt und sind dann schon wieder auf dem Weg nach Hause.

Also gehe ich des Samstags gemächlich die Kirchheide hoch, an der Stadtkirche vorbei, winke dem einen oder anderen Zeitgenossen zu, lasse das Gustav-Heinemann-Bürgerhaus links liegen, biege links an der Polizei vorbei und stehe auf dem Sedanplatz mitten im Geschehen des Wochenmarktes.

Social Media auf dem Wochenmarkt

Es duftet zwar lecker nach frisch gebratenem halben Hähnchen, doch die Braten interessieren mich nicht. Die Informationsquellen auf zwei Beinen tummeln sich weiter vorne zwischen dem Stand mit meinem Lieblingskäse aus Österreich, dem Schlachter, dem Stadthaus und dem Stand mit der leckeren Schokolade namens „Onkel Erwin“. Die Investitionen in das leckere Heißgetränk lohnt sich auch an diesem Tage wieder: Ich vernehme Gerüchte, dass irgendwas im Kulturbüro nicht stimmt. Einen Meter weiter treffe ich eine gerade neu gewählte Bürgerschaftsabgeordnete. Doch meine unverfänglichen Fragen nach den Koalitionsverhandlungen durchschaut sie – doof, dass sie mich schon seit 30 Jahren kennt und weiß, wie ich ticke.

Social Media ohne Smartphone

Übrigens bleibt das Smartphone an diesem Sonnabend in der Hosentasche. Wenn ich meine Social Media-Plattform im wirklichen Leben bediene, ist die virtuelle Welt fehl am Platze. Das findet sicherlich auch mein Kumpel Uwe.

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