Release: 50 Jahre Hilfe für Suchtkranke

Alkohol ist Suchtmittel Nummer eins in Deutschland. Ein Weg aus der Suchtfalle kann mit der Hilfe von Release gelingen.

Von Andree Wächter

235 Männer und Frauen hat Release, ein Netzwerk für psychosoziale Hilfen, in Brinkum 2021 betreut. Wobei Männer mit 136 Klienten den Großteil ausmachten. In den fünf Nordkreiskommunen (Bruchhausen-Vilsen, Bassum, Stuhr/Brinkum, Syke und Weyhe) kamen im selben Zeitraum 854 Klienten in die Beratungsstellen.

Ein weiterer Blick in die Statistik zeigt, dass Alkohol immer noch das Suchtmittel Nummer eins ist. Dahinter folgen Opioide und Cannabinoide. Personen, die die Hilfe in Anspruch nehmen, sind größtenteils zwischen 30 und 59 Jahre alt. Die Zahlen für das Jahr 2022 sind noch nicht veröffentlicht. Sie werden aber in der gleichen Größenordnung liegen.

Release-Geschäftsstelle in Brinkum.

Release-Geschäftsstelle in Brinkum.

Wenn es Betroffene in die Statistik geschafft haben, wurde schon ein steiniger Weg zurückgelegt. Denn es geht um die Frage: Bin ich süchtig? Die Antwort auf diese Frage erkennen Angehörigen, Arbeitskollegen und Freunde meist deutlich früher als die Betroffenen selbst. „Oder sie merken es und können es sich noch nicht eingestehen“, ergänzt Marion Bödeker. Sie ist Geschäftsführerin bei Release.

Wobei das Wort „Süchtig“ nicht nur Alkohol beinhaltet, sondern auch andere Abhängigkeiten wie Drogen- und Spielsucht. Im Kampf gegen die Sucht können die Berater von Release eine erste Anlaufstelle sein.

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Die kostenlose Kontaktaufnahme erfolgt laut der Geschäftsführerin über verschiedene Wege. Es gibt auf der Homepage ein Kontaktformular oder den Anruf in einer der Beratungsstellen. Auch zu einem der offenen Treffs kommen die Männer und Frauen und merken dort, dass sie mehr Hilfe benötigen.

Es folgt der Erstkontakt, auf Wunsch auch anonym. Dieser Schritt ist meist auch der Schwerste. „Der Motivator ist fast immer eine Person aus dem Umfeld“, sagt Bödeker. Nur wenige Süchtige kommen aus eigenem Antrieb.

Neben dem familiären Umfeld kann auch der Freundes- oder Bekanntenkreis den Anstoß geben. Teilweise nahmen diese selbst schon ein Hilfsangebot von Release in Anspruch. Sie empfehlen dann die Einrichtung weiter.

Release: 50 Jahre Hilfe für Suchtkranke

Dabei hilft auch, dass Release seit 50 Jahren im Nordkreis aktiv ist. „Man kennt uns und die Leute wissen, was mir machen“, so Bödeker. Besuche in Schulen und Infostände haben die Beratungsstelle in den Köpfen der Menschen verankert. Ein Vorteil, den keine Internetsuche ersetzen kann. Wobei auch Google & Co immer wichtiger werden. Mit entsprechenden Suchbegriffen landen die Betroffenen auch bei Release.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Beratungsstelle vor Ort ist. Zwar wird nicht in allen Treffpunkten alles angeboten, aber die therapeutisch geschulten Mitarbeiter können überall eine erste Einschätzung geben. Die Anlaufstellen sind auch per ÖPNV zu erreichen. Eine Sucht kann oft das Nutzen des eigenen Autos einschränken oder man möchte das Hilfsangebot lieber anonym im Nachbarort aufsuchen. Grundsätzlich lässt sich sagen: Von Montag bis Freitag gibt es Angebote zur Hilfe. Bödeker: „Und wenn die Türen mal verschlossen sein sollen, Telefon und E-Mail geht immer.“

Marion Bödeker, Geschäftsführerin

Marion Bödeker, Geschäftsführerin

Bevor ein Alkoholiker körperlich abhängig wird, setzt eine psychische Abhängigkeit ein, also der Kopf sagt: Ich brauche Alkohol. Beispiel: Man kommt abends von der Arbeit nach Hause und nutzt zur Entspannung eine Flasche Bier. Grundsätzlich erst einmal kein Problem, nur wenn man es andauernd macht, dann kann das Gehirn diesen Vorgang abspeichern. Motto: was mir guttut, das wiederhole ich. Bessere wäre es, ein Entspannungsbad zu nehmen oder der Gang zum Sport.

Noch schlimmer sind Probleme im privaten oder Arbeitsumfeld. Dann werden die Probleme ertränkt, „dann spüre ich es nicht mehr“.

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Egal, ob der erste Kontakt per Telefon oder E-Mail zustande kam, „Ziel sollte es sein, ein persönliches Gespräch in einer der Beratungsstellen zu führen.“ Bödeker: „Es geht um die Frage: Wo stehst du und was willst du ändern?“ Dies kann auch der Wunsch sein, nur weniger Suchtmittel zu konsumieren. Release begleitet die Süchtigen auf dem Weg der gesteckten Ziele.

Will der Süchtige ein weiterführendes Hilfsangebot, wie eine Therapie in Anspruch nehmen, dann unterstützt Release. Sie stellen beim Kostenträger (Renten- oder Krankenkasse) die Anträge. Zusammen mit dem Klienten geht es dann um die passende Form der Therapie: Stationär oder ambulant oder eine Mischung aus beidem. Eine ambulante Therapie erfolgt im gewohnten Umfeld zu Hause. Der Süchtige kann weiter Job und Hobbys nachgehen. „Was aber gerne vergessen wird – diese Form ist anstrengender“, erklärt Marion Bödeker. Bei einem Klinikaufenthalt hält Release Kontakt.

Nach Abschluss der Therapie kommt die nächste Phase: die Nachsorge. Hier rücken die Angehörigen in den Fokus. „Dies ist ganz wichtig, denn für die Familie ändert sich viel“, sagt Bödeker. Denn der Süchtige kommt zurück und ist anders. Vorher dreht sich alles um den Süchtigen und oft um die Frage: Was kann ich tun, damit er nicht trinkt? Nun müssen die Angehörigen lernen, ihre Bedürfnisse wieder wahrzunehmen. In Syke hat Release eine Hilfsgruppe, extra für Angehörige aus den Nordkreiskommunen.

Über Release

Release ist ein gemeinnütziger Verein. Die fünf Fachstellen des Vereins bieten ein gemeindenahes Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen in verschiedensten Problemlagen an.

Der Verein Release wurde 1970 von sozial engagierten Menschen gegründet. Im Laufe der Jahre entstanden bei Release viele Selbsthilfegruppen als ein wesentlicher Baustein der Arbeit. Alles das fiel zusammen mit der Entstehung und Entwicklung der Selbsthilfebewegung, die sich als eine Alternativ- oder sogar Gegenbewegung zu etablierten Systemen der gesundheitlichen und sozialen Versorgung verstand. Diese wurden oft von Fachleuten wie den „Halbgöttern in Weiß“ dominiert und räumten den Betroffenen wenig Mitsprache ein. Sie war eine von etlichen „sozialen Bewegungen“ aus den „nach 68er“ Jahren. Seither ist „die Selbsthilfe“ in der Mitte der Gesellschaft angekommen, hat einen ausgesprochen guten Ruf und wird meist positiv bewertet.

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