Der Sommer ist vorbei oder: Urlaub, damals und heute

Frank Schümann lässt in der neuesten Folge seiner Kolumne den jüngsten Urlaub Revue passieren – und einen, der über 30 Jahre zurückliegt.

Von Frank Schümann

Auch wenn es an diesem Wochenende noch einmal schön sein wird: der Sommer scheint vorbei, der Herbst steht in den Startlöchern, meteorologisch ist er ja ohnehin schon da. Was bleibt, ist die Erinnerung an den Sommerurlaub – jenes Konstrukt, auf das zumindest ich mich ein ganzes Jahr lang freue. Weil ich dann (für eine meistens viel zu kurze Zeit) nicht erreichbar bin, die Füße reinsten Gewissens hochlegen darf und keine Entscheidungen zu treffen habe – außer vielleicht die, welches Buch ich als nächstes lese, in welches Restaurant wir abends gehen oder welche Badehose ich am nächsten Tag anziehe.

Schöne Urlaube…

Die Wahl der Urlaubsorte passt dazu dann auch: In diesem Jahr waren es bei uns eine Woche Mallorca (im Juni) und eine Woche Cuxhaven (im August). Und Aufregung gibt’s dann auch eher selten – es ist eher der Ärger der überflüssigen Sorte, wenn die Miturlauber alle vorhandenen Liegen schon am Abend zuvor mit Handtüchern belegt haben und auch die Hotelleitung nur ratlos die Schultern zuckt: „Wir kriegen dieses Problem einfach nicht gelöst.“ Naja, unsere Erholung haben wir trotzdem bekommen.

…und die Handtuchfrage

Diese Art des Urlaubs ist vielleicht nicht mehr ganz so prickelnd wie zu früheren Zeiten, aber sie dient auf alle Fälle voll und ganz der Erholung. Und, zu meiner Entschuldigung (vor mir selber) sei gesagt: Man ist ja auch nicht mehr der Jüngste, da darf man das.

Die Katastrophe

Aber zu Hause angekommen, sorgt die Betrachtung der Tagesschau für Aufregung der anderen Art – und ebensolche Erinnerungen. Entsetzt sehe ich, wie ein Erdbeben in Marokko tausenden Menschen das Leben gekostet, abertausenden sogar Heim und Existenz geraubt hat. Noch jetzt, fast eine Woche später, sind zahlreiche Dörfer vor der Versorgung abgeschnitten, die Hilfe kommt nur schleppend voran. Furchtbar.

Erinnerungen an 1991

Betroffen einerseits, regt sich andererseits etwas sehr deutlich in mir – die Erinnerung. Ich kenne genau diese Region, ich war einmal dort; ziemlich genau in der Ecke, in der dieses furchtbare Erdbeben Häuser und Menschen in den Abgrund riss, habe ich einst meinen Urlaub verbracht. Alleine, in vollster Abenteuerlust. 1991 war es. Ich hatte gerade meinen Redakteursjob in Westfalen gekündigt, wollte in Bremen studieren und vorher noch ein bisschen reisen – etwas erleben, in diesem Fall bewusst alleine. Ich flog zunächst nach Agadir, bewegte mich dann an der Westküste entlang, übernachtete mal in Essaouira, mal in Oualidia, ehe ich nach Marrakesch weiterreiste.

Schlange um den Hals

Dort legte mir auf dem Djemaa el-Fna, der Platz der Gehenkten, ein junger Mann eine Schlange um den Hals, während ein zweiter flink nach meiner Kamera griff, ein Foto von mir (der gar nicht wusste, wie ihm geschah) samt Schlange machte und dann prompt das Weite suchte. Wäre der von mir zuvor engagierte Führer nicht ebenfalls flink hinterhergelaufen, hätte ich das Bild nie zu Gesicht bekommen – er rettete die Kamera. Und nahm mir dann auch die olle Schlange wieder ab.

Wasserfall-Dusche und Kamelritt

Kurz darauf unternahmen wir einen Ausflug in die Berge, wo er mir eine marokkanische Tajine mit Lamm, Couscous, Safran und Kurkuma zubereitete; ich sah eine unglaublich üppige, blühende Landschaft, duschte unter einem Wasserfall und fühlte mich komplett eins mit der Natur. Ein paar Tage später unternahm ich östlich von Marrakesch einen weiteren Ausflug, diesmal in die Wüstenlandschaft hinter Ouarzazate – ich ritt auf einem Kamel (eine äußerst schmerzhafte Erinnerung), machte Feuer und fotografierte unter anderem einen riesigen Skarabäus. Warum ich das alles noch so gut weiß? Ich bot meine Erfahrungen seinerzeit als Bericht einem Reiseführer-Verlag an (Reise Know How), in dem ich vieles jetzt wieder nachlesen konnte. Nicht ohne Stolz konnte ich über die Jahre feststellen, dass mein Text sehr viele weitere Auflagen überstanden hatte.

Meine Gedanken sind in Marokko

Jetzt, wo ich mit den Menschen in der Region zwischen Marrakesch und Agadir mitfühle, Anteil nehme, sind die Erinnerungen an diese Zeit vor über 30 Jahren so lebendig wie schon lange nicht mehr – ich kann die Hitze spüren, den Wasserfall, die Schlange und den Kamelritt sowieso. Und ich erinnere mich an die Freundlichkeit der Menschen, die umso größer war, umso mehr man sich von den Städten entfernte. Meine Gedanken sind bei den Menschen dieser Region – bei denen von damals und bei denen von heute, in der Hoffnung, dass man ihr Leid schnellstmöglich lindern kann.

Vielleicht doch mal wieder anders reisen?

Und noch etwas geht mir durch den Kopf, bei aller Bequemlichkeit der Urlaube in Mallorca oder Cuxhaven: Vielleicht sollten wir doch mal wieder anders reisen – so wie damals.

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