Streit ums Windrad: Bürgerwille gegen die Physik
Kann man die Rotorblätter eines Windrades per Hubschrauber zur Baustelle bringen? Nein, denn die Physik spricht dagegen.
Von Andree Wächter
Wo viel Licht ist, ist bekanntlich auch viel Schatten. Für das Gelingen der Energiewende ist der Ausbau der Windenergie an Land notwendig. Doch gegen diesen Ausbau regt sich Widerstand auf verschiedenen Ebenen. Die Menschen kritisieren, dass die Windräder zu nah an ihren Häusern stehen oder dass die Gewinne aus dem Stromverkauf an die Konzerne gehen und nicht vor Ort bleiben. Andere bemängeln, dass der Transport der großen und schweren Bauteile wie Mastsegmente und Rotorblätter zu den Windparks die Umwelt schädigt.
Konkretes Beispiel: Für die Zufahrt der Schwertransporte mit den Rotorblättern zum Windpark Süstedt sind nach einem Bericht der Kreiszeitung zirka 40 Bäume gefällt worden. Zwar wurde dem Projektierer eine Neubepflanzung im Verhältnis 1:3 auferlegt. Das heißt: Für jeden gefällten Baum müssen drei neue gepflanzt werden. Doch in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram kochte das Thema hoch. Die Kommentatoren hatten gleich ein paar Tipps parat, wie die Ingenieure das Problem besser hätten lösen können. Am spektakulärsten war die Idee, die rund 78 Meter langen Rotorblätter per Hubschrauber anzuliefern. Das hätte das Fällen von Bäumen überflüssig gemacht, hieß es.
Streit ums Windrad: Bürgerwille gegen die Physik
In der Theorie klingt der Bürgerwille plausibel, allerdings haben die User die Rechnung ohne die Physik gemacht. Ein über 20 Tonnen schweres Rotorblatt lässt sich nicht mal eben hochheben und von A nach B transportieren.
Auf Nachfrage von Nord West Reportagen schreibt Manuell Kessler, Doktor für Aerodynamik und Gasdynamik an der Universität Stuttgart : „Nach meiner Kenntnis kann nur die russische Mi-26 überhaupt 20 Tonnen heben. Die Super Chinook CH-47F schafft nur die Hälfte und die CH-53K King Stallion maximal 16 Tonnen.“ Die Chinook ist ein zweimotoriger Transporthubschrauber mit Tandem-Rotoranordnung, die in vielen Armeen zum Einsatz kommt.
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Ein weiterer Punkt ist die Aerodynamik. Die riesigen Rotorblätter haben eine enorme Windangriffsfläche von mehreren hundert Quadratmetern. Manuell Kessler: „Dadurch wirken enorme Kräfte – egal ob durch Wind von außen oder Fahrtwind während des Fluges – auf den Hubschrauber, die so nicht mehr zu bewältigen sind. Allenfalls bei Windstille und mit sehr geringen Fluggeschwindigkeiten könnte es denkbar sein. Dann aber auch nur kurze Entfernungen, vielleicht über Engstellen hinweg.“ Ähnlich äußerte sich auch die Hubschrauber-Sparte von Airbus.
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