Gartenbahn, Fiete, Plätzchen und Polen

Viele Menschen verbinden mit Weihnachten besondere Erlebnisse und schöne Erinnerungen. Die Nord West Reportagen-Autoren erzählen davon – jeden Tag gibt’s eine neue Geschichte.

Von Andree Wächter, Daniela Krause, Frank Schümann, Anuschka Bacic und Ulf Buschmann

Ulf Buschmann: Weihnachten in der Kaschubei

Papa seit zwei Jahren tot, Mama im Sommer beerdigt. Im Herbst 2018 stand für mich die Frage im Raum: Was machst Du Weihnachten? Die vergangenen Jahre hatte ich nämlich mit meinen Eltern verbracht. Etwa Mitte Oktober wurde die Weihnachtsfrage für mich akuter. Aber eine Idee hatte ich bis dato nicht. Zum Glück kam meine Kollegin und inzwischen alte Freundin Kasia um die Ecke. „Du bist eingeladen, zu uns zu kommen“, bot sie mir an. Die Idee, Weihnachten mal ganz anders zu verbringen, elektrisierte mich.

Kasias Einladung war mir alleine schon deshalb entgegengekommen, weil ich merkte: Ich muss nach den vergangenen Monaten mit meiner sterbenskranken Mama und dem Auflösen des Hausstandes meiner Eltern einfach mal raus. Ich nutzte also die Zeit, nicht nur über Weihnachten und Neujahr zu Kasia zu fahren. Vielmehr fragte ich bei meinen Auftraggebern nach, ob ich vielleicht die eine oder andere Geschichte liefern sollte. Ich sollte: Also packte ich Mitte Dezember meine Sachen und war bis fast Mitte Januar unterwegs. Bitterfeld, Guben und Gubin, Frankfurt/Oder und Usedom waren meine Reiseziele.

Weihnachten-Polen-Zukowo

Von meinem Fenster aus gesehen: das winterliche Zukowo. Foto: Ulf Buschmann

Auf dem Weg nach Osten

Von Deutschlands östlichster Insel aus startete ich über Wollin und Stettin, heute Szczecin, in Richtung Kasia. Otomino heißt der kleine Ort, in dem sie wohnt. Er gehört zur 35.500-Einwohner-Gemeinde Zukowo, dem früheren Zuckau. Von dort bis ins Zentrum der Ostsee-Metropole Danzig sind es nur 20 bis 25 Kilometer. Und doch bin ich mitten in der Kaschubei. Am späten Vormittag fuhr ich von der Stadt Usedom los – eine wirklich abenteuerliche Reise. Ich nutzte das Navi meines Smartphones. Dieses führte mich aber nicht etwa über die großen Straßen. Nein, irgendwann sagte mir die freundliche Stimme nur wenige Kilometer hinter Słupsk: „In 300 Metern rechts abbiegen.“

Bei einbrechender Dunkelheit ging es über die S21 und S20 durch kleine Städte mit Namen wie Bytów nach Zukowo beziehungsweise nach Otomino. Je weiter ich nach Osten kam, desto mehr schneite es. Ich hatte Mühe, mich bei dichtem Schneegestöber zu konzentrieren. Aber bald hatte ich es geschafft: „Rechts abbiegen“, sagte das Navi. Doch an der angeblichen Adresse wohnte keine Kasia – dort gab es nur einen Steinmetz mit einer schönen Grabstein-Dauerausstellung. Also fuhr ich zurück zur großen Tankstelle in Zukowo, wo Kasia mich abholte.

Vierbeinige kaschubische Mettwurst

Hui, war das ein Willkommen. Bei Kasia begrüßten mich ihre Hunde, zwei Jack Russel. Mimi, die Ältere, erkannte mich sofort wieder. Tola, die Kleine, folgte Mimi und schnüffelte mich neugierig ab. Mein erster Eindruck: Ui, Tola ist aber rund. Sie hatte schnell ihren Spitznamen weg: kaschubische Mettwurst. Ich brachte mein Gepäck aus dem Auto in mein Zimmer und sorgte dabei noch für eine Sauerei: Mit entglitt eine der Flaschen Weichspüler, die ich kurzfristig in Ahlbeck für Kasia gekauft hatte. „Die deutschen Waschmittel duften mehr“, schrieb sie mir per Messenger.

Weihnachten-Hund-Mimi.

Hundeweihnacht mit Mimi.

Ausruhen, nein, das war auch nach gut zehn Stunden Autofahrt nicht drin. Im Gegenteil, Kasia spannte mich, kaum dass ich meine Sachen soweit ausgepackt hatte, sogleich mit in die Weihnachtsvorbereitungen ein. Die verbleibenden zwei Tage bis Heiligabend schnibbelte ich bis in die Nacht Salatgurken, Pilze und einiges anderes. Da Kasia am Montag einen Termin hatte, bat sie mich, eine der Tannen im Garten zu fällen. Wir hatten ja noch keinen Weihnachtsbaum. Doch sämtliche Tannen in Kasias Garten erwiesen sich als Fake: vorne gut gewachsen, hinten komplett braun und trocken. Also brachte ein Händler spätabends noch eine schön gewachsene Tanne, die wir gemeinsam aufstellten. Es folgten: Hausputz und wieder schnibbeln. Gegen 17.30 Uhr verzog sich Kasia ins Bad und machte sich abendfein. Ihre Eltern hatten sich für 19 Uhr angekündigt.

„Du gehörst jetzt zu unserer Familie“

Ich lernte Kasias Mama und Papa, Jola und Lodek, kennen. Auch einige Nachbarn feierten mit. Oder besser gesagt: Wir aßen vor allem. Denn das, was ich von polnischen Weihnachtsfeiern gehört hatte, bewahrheitete sich: Der Tisch bog sich förmlich vor allerlei Köstlichkeiten. Und obwohl ich meistens nichts verstand, hatten wir viel Spaß. Ganz in der Tradition unserer Nachbarn stand zum Beispiel ein Gedeck mehr auf dem Tisch und es gab Oblaten für jeden – als Glücks- und Segenswunsch fürs neue Jahr. Da musste ich mir eine Träne wegdrücken. Dass Mama und Papa jetzt beide auf ihrer Wolke sitzen, machte mich traurig. Doch dies dauerte nicht lange, denn im Laufe des Abends meinte Jola: „Du gehörst jetzt zu unserer Familie.“ Darüber freute ich mich ganz doll. Seitdem spreche ich nur noch von meiner „Ersatzfamilie“, Kasia ist für mich so etwas wie eine kleine Schwester. Leider ist Lodek inzwischen verstorben.

Ich genoss die folgenden Tage mit ein bisschen Arbeit und Besuchen in Danzig. Polen in der Zeit von Weihnachten bis Neujahr mit seinen vielen Lichtern hat einen besonderen Reiz. Den Jahreswechsel 2018/2019 feierten wir zu Hause. Kasia hatte eine große Party organisiert. Doch den Tag über sah ich sie kaum – sie hatte einen Termin bei ihrer Kosmetikerin. Das ist an sich nichts Besonderes, aber dass sich jemand ordentlich schminkt, um zum Styling zu gehen, wunderte mich schon. „Da sind auch andere Frauen, die Konkurrenz ist groß“, eröffnete mir Kasia. Dass ich darüber herzlich lachen musste, fand Kasia in dem Moment glaube ich nicht witzig.

Polen-Weihnachten

Kasia und Mama Jola machen Weihnachts-Selfies. Foto: Ulf Buschmann

Kosmetik-Termin mit Beule

Wenige Minuten später stand meine Quasi-Adoptivschwester völlig aufgelöst wieder im Haus: Kasia wollte rückwärts aus ihrer Garage fahren und war in mein ganz links am Zaun stehendes Auto gebumst. Ich schaute mir die große Beule an und winkte ab: Mein Auto war damals schon 13 Jahre alt und verbeult. Die Tür ließ sich öffnen, also war alles gut. Kasia verschwand für die nächsten knapp drei Stunden, während ich diverse Gerichte vorbereiten durfte. Natürlich fiel für Mimi und Tola das eine oder andere Leckerli ab.

Die folgende Party war sehr lustig und unvergesslich – so wie alle meine Reisen nach Kaschubien, Danzig und Masuren. Und das alles von der Homebase Otomino.

Anuschka Bacic: In der Ausbildung zur Weihnachtsfrau

Manch einen mag es vielleicht verwundern oder wie ein Weihnachtsmärchen vorkommen: Auch bei uns im Nordwesten wird die nächste Gerneration an Weihnachtsboten in der Funktion als Weihnachtsmann und Weihnachtsfrau ausgebildet. Unsere Nordwest-Reporterin Anuschka erinnert sich an ihr erstes Lehrjahr. Zum Glück hatte sie sich irgendwann doch für den Weg in die Medienbranche entschieden und kann seither die Feiertage wieder mit ihren Liebsten verbringen und an Heiligabend ausschlafen. Frohe Weihnachten!

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Frank Schümann: Die Katze und die Christbaumkugel

Was für eine Weihnachts-Anekdote kann man schon schreiben, wenn man Katzenbesitzer ist? Und Jahr für Jahr einen Weihnachtsbaum aufstellt? Eben, da gibt es nur eine: die Katze und die Christbaumkugeln. Viele Jahre lang hatten wir unseren Charlie, einen zunächst sehr munteren, im Alter dann recht milden Kater – aber wehe, wenn es grün wurde in der Bude. Schon beim „Zwischenlagern“ der Tanne konnte Charlie seine Freude kaum verbergen. Mit großen Augen blickte er zunächst ihn (den Baum), dann mich an, als ob er sagen wollte: Nun stell ihn doch endlich auf, ich will ihn umschmeißen!

Fiete-Katze-Weihnachten

Ich bin Fiete und finde Christbaumkugeln toool. Foto: Frank Schümann

Das ist ihm zum Glück nicht gelungen – wohl aber flogen über die Jahre reichlich rote und goldene Christbaumkugeln durch die Gegend. Alle Jahre wieder ein Bild für die Götter: die vorsichtig ausfahrende (Schritt 1), fast zärtlich anstupsende (Schritt 2) und schließlich heftig attackierende (Schritt 3) Pfote, die quasi aus dem Nichts heraus den bösen Baum mit seinem noch böseren und so schön wackelnden Kugeln bekämpft. Bis sie denn abfallen, was ein lustiges Wegspringen unseres Katers zur Folge hat, bisweilen mit einem mutmaßlich schuldbewussten, meistens aber doch mit einem äußerst frechen Blick.

Gerne wird sie auch fotografiert, diese Szene, um sie dann via Facebook oder Instagram liken zu lassen – was wunderbar funktioniert, denn klar, kaum etwas geht über niedliche Katzen. Bei seinem Nachfolger, dem zweieinhalbjährigen Fiete ist es kaum anders – nur dass dieser, weil jünger, noch ein bisschen wilder agiert. Hatten wir uns in seinem ersten Weihnachtsjahr vorsichtshalber nur einen recht kleinen Baum gekauft (der auch standhaft blieb), so sind wir dann doch wieder auf eine mittlere Größe umgestiegen. Denn, es hilft ja nichts: Katzen brauchen eben auch was zum Spielen, es ist doch Weihnachten – und schön anzusehen ist diese Spielerei ebenfalls. Zumindest so lange, bis der Baum nicht fällt; aber das ist eben das Risiko, das wir gerne tragen.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

Daniela Krause: Besinnliche Zeit?

Vorweihnachts- und Weihnachtszeit – damit verbinden wir als Familie schöne Stunden mit unseren Liebsten, die obligatorischen Zipfelmützen-Fotos, leckeres Essen, die Vorfreude auf das Plätzchenbacken, Tannenbaumaussuchen, Schmücken und Geschenke auspacken. Aber kann man diese Zeit als „besinnlich“ bezeichnen?

Nein, denn es gilt, insbesondere für uns Eltern, eine gefühlt endlos lange Liste abzuarbeiten. Die Vorbereitungen beginnen ja nicht erst im Dezember, sondern schon Wochen vorher. Ich habe mal einen selbstgefüllten Adventskalender gemacht mit liebevoll ausgesuchten Kleinigkeiten, Zeit-Gutscheinen und Naschereien. Der kam bei den Kindern super an. Aber niemand möchte wissen, wie lange ich daran gesessen habe.

Weihnachten-Vorweihnachtszet-Liebkuchen

Lebkuchen gehören zur (Vor-) Weihnachtszeit – die sollte besinnlich sein. Foto: Jens Krause

So stand ich vor der Wahl: Mache ich das jetzt jedes Jahr? Und muss das sein, wenn die beiden von Oma und Opa doch auch noch je einen Adventskalender bekommen? Ich habe mich für „Nein“ entschieden. Genauso wie ich beschlossen habe, den „Wichtel-zieht-ein-Trend“ nicht mitzumachen, den die Lütte kurzerhand selbst umgesetzt hat. Dann lieber mehr Vorlesezeit und ein paar Unternehmungen an den Wochenenden. Weihnachtsmarkt, Zirkus und Kino hatten wir geplant.

Wie naiv wir doch waren! Wir hatten die Rechnung ohne Corona & Co. gemacht. So haben wir von drei geplanten Aktivitäten EINE geschafft – den Zirkus – und den leider Corona bedingt ohne mich. Die Kinder hatten zum Glück auch so eine schöne, ausgefüllte Adventszeit dank Theater, basteln, backen und Julklapp – alles von der Schule organisiert mit Hilfe gesunder Eltern.

Vielleicht wird die Vorweihnachts- und Weihnachtszeit 2024 etwas besinnlicher, wenn wir uns nicht mehr ganz so viel vornehmen, uns weniger Druck machen und in unseren Unternehmungen spontaner sind. Planen kann man eh nicht alles, erst recht nicht, wenn Infekte dazwischen grätschen. Also, lasst uns nächstes Jahr alles ruhiger und gelassener an. Einen Versuch ist es wert, oder?

Andree Wächter: Die Gartenbahn

Wie wohl jeder kleine Junge wünschte auch ich mir als Kind eine Eisenbahn zu Weihnachten. Die Augen leuchteten, als ich beim Betreten des festlich geschmückten Wohnzimmers schon die Schienen sah – es waren große stabile von LGB, auch bekannt als Lehmann Gartenbahn. Mein Wunsch schien in Erfüllung zu gehen. Die Schienen führten einmal um den festlich geschmückten Weihnachtsbaum herum. Strohsterne und Glaskugeln hingen an den Zweigen. Die echten Kerzen brannten und rundeten die Stimmung ab. Das Wachs perlte von den Kerzen bis zu den Kerzenhaltern. Von dort ging es steil bergab auf den Teppich. Zum Glück verfehlten sie die Schienen.

Weihnachten-Kinderwunsch-Gartenbahn

Es gab sie doch für den kleinen Andree: die Gartenbahn. Foto: Pixabay

Da stand sie nun, mein Weihnachtsgeschenk: eine Lokomotive auf Schienen. Aber was sollte ich mit einer Lokomotive ohne Waggons? Schnell schlug die Freude in Enttäuschung um. Ich hatte mir schon ausgemalt, wie es wäre, wenn die vielen gesammelten Kastanien und Eicheln nicht nur mit Traktor und Anhänger durchs Kinderzimmer transportiert würden, sondern auch mit der Eisenbahn.

Meine Eltern meinten, ich solle doch mal mit der dampfenden Lokomotive fahren. Mit einem vermutlich langen Gesicht drehte ich am Regler des Trafos. Die Lok setzte sich in Bewegung und fuhr hinter den Weihnachtsbaum. Dort klickte es plötzlich. Als die Lok auf der anderen Seite des Baumes wieder zum Vorschein kam, schob sie ein paar Waggons vor sich her.

Weihnachten war gerettet und die Eicheln und Kastanien wurden hunderte Male auf- und abgeladen.

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