„Manche Bilder haben mir den Atem geraubt“
Die World-Press-Photo-Ausstellung im Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg präsentiert ab dem 15. Februar nicht nur herausragende Pressefotos, sondern auch eine Sonderschau zum Thema Sport.
Von Daniela Krause
Die World-Press-Photo-Ausstellung im Oldenburger Schloss gilt als ein Muss für Fotografie-Liebhaber. Vom 15. Februar bis zum 16. März wird sie zum sechsten Mal durch eine weltweit exklusive Sonderschau ergänzt. „The Everyday Projects“ zeigt diesmal rund 50 Aufnahmen, die die verbindende und inspirierende Kraft des Sports beleuchten.
„Seit 2020 kooperieren wir mit dem Kollektiv“, erklärt Lisa Knoll, Organisationsleiterin der Ausstellung. „Die Gruppe bietet vor allem Fotografinnen und Fotografen aus Ländern eine Plattform, die sonst weniger im Fokus stehen.“ Wir sprachen im Vorfeld mit Rebecca Gibian. Die US-Amerikanerin ist freie Journalistin sowie Autorin, hat die Kontakte geknüpft und die Ausstellung kuratiert.

Rebecca Gibian ist die Kuratorin der Sonderschau. Foto: Amanda Ottaway
Frau Gibian, die Sonderausstellung „The Everyday Projects“ widmet sich dem Sport. Warum wurde dieses spezielle Thema gewählt?
Rebecca Gibian: „The Everyday Projects“ möchte durch Fotografie Stereotype und Missverständnisse weltweit bekämpfen. Sport sieht in verschiedenen Gemeinschaften unterschiedlich aus, ist aber weltweit eine beeindruckende Demonstration von Kameradschaft und Fairness. Wir wollten das hervorheben.
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Was möchten Sie den Besuchern mit den Geschichten der Athletinnen und Athleten vermitteln?
Wir wollen zeigen, dass es immer mehr über die Welt zu lernen gibt und dass das Eintauchen in den Alltag – sei es durch die Teilnahme an oder die Beobachtung von Sport oder auf andere Weise – die beste Möglichkeit ist, dies zu tun.
Gibt es unter den rund 50 Fotografien eine, die Sie am meisten berührt hat? Wenn ja, welche und warum?
Ich liebe alle gezeigten Arbeiten, aber besonders beeindruckt hat mich die Stärke und das Empowerment in Forough Alaeis Geschichte über Sahar, eine Boxerin aus dem Iran, die Geschlechterstereotype überwunden hat und nun anderen jungen Mädchen das Boxen beibringt. Ihr Vater war erst dagegen, heute unterstützt er sie. Ebenso bewegend ist Serhii Korovaynys Geschichte über den adaptiven Sport von ukrainischen Kriegsveteranen, der eine zentrale Rolle bei der körperlichen und psychischen Rehabilitation spielt. Beide Geschichten sind unglaublich kraftvoll und zeigen, dass Sport viel mehr ist als nur ein Spiel – er kann Leben verändern und bereichern.

Das ukrainische Invictus-Team übt vor dem Volleyballspiel in Kiew. 25. Mai 2024. Foto: Serhii Korovayny
Wie haben Sie entschieden, welche Geschichten und Fotografien in die Sonderausstellung aufgenommen werden?
„The Everyday Projects“ umfasst mehr als 400 Fotografinnen und über 40 offizielle Feeds. Der erste Schritt war, so viele dieser Arbeiten wie möglich zu sichten, um herauszufinden, ob jemand Sport in seiner oder ihrer Gemeinschaft dokumentiert hat. Ich suchte nach Beispielen, die zeigen, wie Sport Menschen zusammenbringt. Glücklicherweise waren diese sieben Fotografinnen und Fotografen alle daran interessiert, an der Ausstellung teilzunehmen. Gemeinsam haben wir sieben Bilder pro Person ausgewählt, die eine Geschichte erzählen und den Betrachtern hoffentlich etwas Neues beibringen. Manche dieser Fotografien haben mir einfach den Atem geraubt, und ich wusste, dass das Publikum genauso empfinden würde.
Warum ist es wichtig, Fotografen aus weniger bekannten Regionen eine Plattform zu bieten?
Es braucht vielfältige Perspektiven, um die Kulturen, die uns definieren, authentisch darzustellen. Es ist wichtig, den Alltag in Regionen zu zeigen, die häufig nur durch eine einzige, meist westlich geprägte Linse betrachtet werden. Fotografien vermitteln einen genaueren Blick auf das tägliche Leben als das, was in den Mainstream-Medien oder auf sozialen Plattformen oft dargestellt wird.

B-Boy Heber López (29) zeigt einen „Head Spin“ an einer Ampel im Süden von Cali, um Geld zu verdienen, am 24. Februar 2022. Foto: Jaír F. Coll
Wie tragen Ausstellungen wie diese dazu bei, gesellschaftliche und kulturelle Grenzen zu überwinden?
Solche Ausstellungen bekämpfen schädliche Fehlwahrnehmungen und feiern sowohl lokale Normen als auch globale Gemeinsamkeiten. Die gezeigten Bilder, wie hier bei World Press Photo Oldenburg, gewähren Einblicke in Teile der Welt, die das Publikum normalerweise vielleicht nicht zu sehen bekommt. Dadurch können sie helfen, historische Fehlrepräsentationen der dargestellten Regionen zu korrigieren.
Was bedeutet es für Sie, der weltweit einzige Veranstaltungsort für diese Sonderausstellung zu sein?
Das Kollektiv „The Everyday Projects“ ist unglaublich dankbar, seit sechs Jahren mit World Press Photo Oldenburg zusammenzuarbeiten. Wir hoffen, dass unsere Plattform – einschließlich unserer Webinar-Reihe, unseres Förderprogramms und unserer Lehrpläne – sowie diese Ausstellung mehr Menschen dazu anregen, über die Stereotype nachzudenken, die ihr Verständnis der Welt verzerren. Wenn wir die Themen unserer Zeit fotografieren, tun wir dies mit einem Fokus auf den größeren Kontext und die menschliche Wirkung. Wir hoffen, dass die Menschen sich darauf konzentrieren, was wir voneinander lernen können und wie wir uns gegenseitig unterstützen und füreinander einstehen können, während wir voranschreiten.
The Everyday Projects
In diesem Jahr zeigen Serhii Korovayny (Ukraine), Forough Alaei (Iran), Annice Lyn (Malaysia), Barry Christianson (Südafrika), Arlette Bashizi (Demokratische Republik Kongo), Tasneem Alsultan (Saudi-Arabien) und Jair F. Coll (Kolumbien) ihre Aufnahmen. Die Sonderschau ist im Rahmen der World-Press-Photo-Ausstellung vom 15. Februar bis 16. März zu sehen. Am Samstag, 22. Februar, findet um 11 Uhr eine kostenlose Einführung in die Sonderschau statt.
Über die Kuratorin Rebecca Gibian
Rebecca Gibian ist freie Journalistin und Autorin aus den USA. Ihre Arbeiten wurden unter anderem bei Associated Press, dem Guardian, The Atlantic, der New York Times, der Washington Post, bei VICE und bei PRI’s The World veröffentlicht. Ihr journalistischer Schwerpunkt liegt national und international auf Frauen. Sie hat aus Ländern wie dem Irak, Südafrika und Indonesien berichtet.
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