Rock, Poesie und FDJ-Hemden
Am Metropol Theater Bremen sorgt ein prominenter Überraschungsgast für Freude: Udo Lindenberg selbst besucht die Premiere seines Musicals „Hinterm Horizont“. Die Schüler des Gymnasiums und der Oberschule Bruchhausen-Vilsen begeistern mit ihrer Interpretation der bewegenden West-Ost-Liebesgeschichte.
Von Ulf Buschmann
„Komm mal zum Seiteneingang!“, ruft der Kollege, „dort wo der Staatsschutz ist.“ Staatsschutz? Personenschutz? Am Metropol Theater Bremen herrscht Aufregung! Kurz vor Beginn zeigt sich, dass wichtige Leute an die Weser gekommen sind: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher ist da! Nach der Pause erscheint auch der Maestro selbst: Udo Lindenberg begrüßt die jubelnden Menschen, gewohnt lässig. Udo ist hier aus einem klaren Grund: Die Schüler des Gymnasiums und der Oberschule Bruchhausen-Vilsen präsentieren ihre Version von „Hinterm Horizont“, dem Musical über Udo Lindenbergs Leben, nach mehr als einem Jahr harter Arbeit.
Seit Beginn berichten die Nord West Reportagen und lokale Medien über das Projekt. Trotzdem bleibt die Spannung groß. Licht aus, Leinwand runter, Film ab. Udo-Darsteller Maxim Behrendt stimmt die ersten Töne von „Mädchen aus Ost-Berlin“ an. Diese Multimedia-Kombination erzeugt Gänsehaut. Eigene Erinnerungen des Autors an Reisen in die „Hauptstadt der DDR“ kommen hoch – mit stundenlangem Warten an der Grenzübergangsstelle Friedrichstraße, Zwangsumtausch und Stasi-Begleitung.

Die alte Jessi, Udo und die junge Jessi liefern wie alle Akteure eine tolle Performance. Foto: Wächter
Eine West-Ost-Liebesgeschichte
„Hinterm Horizont“, erzählt die Geschichte von Udo und dem Ost-Berliner Mädchen Jessi. Beide lernen sich während seines legendären Konzerts am 25. Oktober 1983 im „Palast der Republik“ kennen. Doch Zeit für Zweisamkeit haben sie nicht. Deshalb treffen sie sich in „Moskau, der Hully Gully-Stadt“. Udo nennt Jessi seine „Nachtigall“. Was er nicht weiß: In den heißen Nächten mit Jessi entsteht Nachwuchs. Jessi zieht ihn alleine groß.
Dann greift die Staatssicherheit ein. Sie nimmt Jessi in die Mangel. Sie wird mit ihrem Bruder, ebenfalls ein großer Lindenberg-Fan, unter Druck gesetzt. Jessi unterschreibt eine Verpflichtungserklärung. Die Stasi will alles wissen, was sie über Udo weiß. Nach dem Mauerfall versuchen die einstigen Stasi-Leute, ihr Wissen zu verkaufen. Sie informieren Udo, dass seine Nachtigall ihn verraten hat. Der Kontakt bricht ab. Erst Jahre später bringen findige Journalisten Rockstar, Nachtigall und den Nachwuchs zusammen.

Die Berliner Mauer im Zustand der 1980er-Jahre. Foto: Ulf Buschmann
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Die letzten Jahre der DDR
Diese anrührende Liebesgeschichte spielt in den letzten Jahren der DDR. Oft sieht man bekannte Bilder der ersten Demonstrationen 1988 und vor dem Dresdner Hauptbahnhof. Die Staatssicherheit und die Volkspolizei unterbinden diese gewaltsam. Doch dann fällt die Mauer und Udo kann seine Fans in der Noch-DDR endlich treffen.

Lindenberg-Fans vor dem Bühneneingang des Palastes der Republik. Foto: Bundesarchiv/BStU, MfS, HAXX, Fo, Nr. 934, Bild 7
Die Schüler und ihre Coaches um Noah Fischer (Musik und Gesang) und Elisabeth Engstler (Regie) bieten eine beeindruckende Show. Da sind die überzeichneten Typen von der Stasi, der leicht debile Minister und die „stillgelegte Primaballerina Saftig“. Aber auch die leise-traurigen Momente, wenn Jessi und ihr Bruder Elmar über ihre Zukunft nachdenken, oder das Knistern zwischen der jungen Jessi und Udo.
Mit dem Ende der drei Aufführungen endet das große Abenteuer Musical für die Schüler aus Bruchhausen-Vilsen. Die Karawane der Lindenberg-Stiftung zieht weiter: In gut einem Jahr soll „Hinterm Horizont“ in Limburg an der Lahn Premiere haben.

Noah Fischer singt am Ende noch „Ich mach‘ mein Ding. Foto: Wächter