Neue Wege zum Kunden

Die Einzelhändler stehen auf dem Schlauch. Wegen des Corona-bedingten Lockdowns dürfen sie bis auf wenige Ausnahmen nichts verkaufen. Vor allem bei inhabergeführten Geschäften entstehen neue, digital gestützte Wege zum Kunden. Einer davon ist das sogenannte Schaufenster-Shopping.

Von Anuschka Bačić, Daniela Krause und Ulf Buschmann

Am 16. Dezember platzten die Hoffnungen des Einzelhandels. Coronapandemie, hohe Infektionszahlen, ein landesweiter sogenannter harter Lockdown. Die Geschäfte mussten schließen und konnten das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft nicht mitnehmen. Das wollte Gülseren Güselkücük nicht so einfach hinnehmen. Die Inhaberin von Juwelier Eckelt im Bremer Stadtteil Vegesack suchte nach Alternativen – und fand sie auf Fachportalen ihrer Branche. Seitdem gibt es bei Eckelt das sogenannte Schaufenster-Shopping.

Das Prinzip ist einfach: Die Kundin oder der Kunde sucht sich ein Schmuckstück aus, macht davon mit dem Smartphone ein Foto und schickt es per Messenger an die Geschäftsnummer. Dann wird die Ware nett verpackt, dem Kunden geliefert oder an der Ladentür ausgehändigt. Hin und wieder ist ein Beratungsgespräch notwendig.

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Buchhändler Martin Mader hat gute Erfahrungen mit dem Schaufenster-Shopping gemacht. Foto: Ulf Buschmann

„Das Prinzip von Windows-Shopping“

Schaufenster-Shopping gibt es auch gleich um die Ecke: Die Buchhandlung Otto und Sohn hat sich die Idee abgeguckt. „Das ist das Prinzip von Windows-Shopping“, sagt Inhaber Martin Mader mit einem verschmitzten Lächeln. Auch für ihn und sein Team ist Schaufenster-Shopping die Möglichkeit, trotz Lockdowns Umsatz zu machen. „Wir dürfen ja durch die Tür verkaufen“, erklärt der Buchhändler. Schaufenster-Shopping hat für Martin Mader zahlreiche Vorteile: „Das ist auf einmal ein ganz anderer Weg zum Kunden oder auch ein Miteinander mit den Kunden.“

Die Umsetzung des Vorhabens war sowohl für Gülseren Güselkücük als auch für Martin Mader einfach. Denn: Die Wege unter den Einzelhändlern sind kurz. Um das Schaufenster-Shopping auf den Weg zu bringen, hat Anne Köhler, Geschäftsführerin der Agentur Vege.net, innerhalb kurzer Zeit ein Plakat entworfen. Schon konnte es losgehen. Die Resonanz bei den Kunden sei gut, erklärt Martin Mader – so gut, dass er und seine Mitarbeiterinnen motiviert seien, die zahlreichen Schaufenster „noch mehr umzudekorieren“.

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Eine besondere Deko im Schaufenster bei Leder Brüning. Dort ist das Schaufenster-Shopping angekommen. Foto: Daniela Krause

Handtaschen-WSV per Nummer

Aber nicht nur im Bremer Norden hat sich etwas in Sachen Schaufenster-Shopping getan. Auch knapp 40 Kilometer weiter südlich, im niedersächsischen Weyhe, setzt Hannelore Meyer darauf. Sie ist Inhaberin von Leder Brüning an der Bahnhofstraße. Eigentlich wäre für sie wie für tausende andere Einzelhändler so etwas wie der gute alte Winterschlussverkauf (WSV). Deshalb hat Hannelore Meyer ihr Schaufenster auffallend dekoriert: mit Flatterband und großen „Reduziert“-Schildern.

Aber nicht nur das: Fürs Schaufenster-Shopping prangen neben den Preisschildern schwarze Nummern auf gelbem Grund, die verschiedenen Lederhandtaschen zugeordnet sind. „Sonst kommen die Kunden in den Laden, um sich beraten zu lassen und Taschen Probe zu tragen. Wegen des Lockdowns müssen sie jetzt draußen bleiben“, beschreibt Hannelore Meyer ihre geschäftliche Situation.

Kostenloser Lieferservice innerhalb von Weyhe

Schaufenster-Shopping funktioniert bei ihr so: Wer sich eine Handtasche gönnen möchte, muss sich nur die Zahl zur Tasche merken und diese per E-Mail oder Telefon durchgeben. Die Tasche kann dann vor dem Geschäft begutachtet und bar bezahlt werden. „Zusätzlich bieten wir innerhalb der Gemeinde Weyhe einen kostenlosen Lieferservice an“, sagt die Geschäftsfrau. Dieser sei bereits einige Male in Anspruch genommen worden – kontaktlos und mit gebührendem Abstand werden Waren und Bargeld ausgetauscht. Auch Geschenkgutscheine können die Kunden auf diese Weise erwerben.

Weil immer mal wieder Geschäfte mit dem Spruch „Haben Sie noch etwas Schönes in unserer Auslage entdeckt?“ geworben hatten, habe sie beschlossen, das Schaufenster-Shopping auszuprobieren. Bereits im ersten Lockdown im Frühjahr hatte Hannelore Meyer die Taschen in der Auslage mit Nummern markiert. „Diesmal ist es besser angelaufen“, berichtet sie.

„Da ich keine Internetpräsenz oder einen Online-Shop habe, ist Schaufenster-Shopping für mich derzeit die einzige Chance, um gesehen zu werden und in Erinnerung zu bleiben“, sagt Hannelore Meyer, die das Geschäft seit 30 Jahren führt. Nun hofft sie, dass sich die Aktion schnell unter ihren Stammkunden herumspricht, damit sie nach dem Lockdown die Regale mit neuer Ware füllen kann.

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Tanja Grave vom Schuhhaus Laing freut sich über den Zuspruch der Kunden. Foto: Anuschka Bačić

Schokolade als Dank

Nicht nur in Vegesack und Weyhe ist Schaufenster-Shopping angekommen. Ihr Glück versucht auch Tanja Grave vom alteingesessenen Schuhhaus Laing in Visbek. Der Lockdown hat auch sie beziehungsweise ihr Geschäftsmodell inklusive Service wie zum Beispiel die Anprobe von bis zu vier Paaren Schuhe oder die Schuhreparatur über den Haufen geworfen.

Also versucht es Tanja Grave mit Onlineverkauf beziehungsweise Schaufenster-Shopping – mit Erfolg. „Das wird wirklich gut angenommen“, freut sie sich über den Zuspruch ihrer Kunden: „Zum Dank gibt’s auch mal Schoki. Das baut einen wirklich auf. Es sei nicht einfach, aber die Visbeker unterstützten das Geschäft und damit den lokalen Einzelhandel, freut sich Tanja Grave. (Mehr dazu unten im Video.)

Blick in die Zukunft

Schaufenster-Shopping, so scheint es, ist für die Einzelhändler nicht nur eine Möglichkeit wenigstens einen Bruchteil ihres gewöhnlichen Umsatz zu generieren. So ist für Juwelierin Gülseren Güselkücük und für Buchhändler Martin Mader klar, dass sie diese Art des Verkaufs beibehalten werden. Gleiches gilt auch für die Visbekerin Tanja Grave. „Das ist ja kein zusätzlicher Aufwand“, sagt Martin Mader, „diese Kombination von Digital und Analog ist die Zukunft und macht Spaß.“ Die Kunden hätten beispielsweise die Möglichkeit, auch nach Geschäftsschluss beim örtlichen Einzelhandel mit einem Klick einzukaufen.

Ähnlich sieht es Gülseren Güselkücük. Für sie heißt es: „Abwarten und gucken. Wenn der Kunde es wünscht: Ja!“ Es gehe allerdings schon jetzt in die Richtung, das Schaufenster-Shopping nach dem Lockdown beizubehalten – alleine schon deshalb, weil sie nach eigenen Worten festgestellt hat, dass die Kunden bequemer geworden sind: Statt mal an den Schaufenstern vorbeizubummeln, kauften die Menschen lieber online.

Über Kammern und Förderprogramme

Die Industrie- und Handelskammern unterstützen den Einzelhandel bei der Digitalisierung. Außerdem hat das Land Niedersachsen ein spezielles Förderprogramm aufgelegt. Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag.

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