Bekennt Euch!
Der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gehört zu den schwärzesten Kapiteln in der katholischen und evangelischen Kirche. Ob die Schuld bei den Verantwortlichen angekommen ist? Daran hat unser Autor hin und wieder Zweifel.
Von Ulf Buschmann
Ich bin ein Kirchenmann. Dazu bekenne ich mich. Ich arbeite im Vorstand meiner Gemeinde in Bremen-Vegesack mit. Aus innerer Überzeugung und aus meinem Selbstverständnis heraus, das entscheidend durch die Jugendarbeit meiner Gemeinde geprägt worden ist. Umso wütender macht es mich, wie die Oberen der katholischen und evangelischen Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen umgehen. Genau genommen verspüre ich erst seit der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bremen Zorn darüber.
Dass die katholischen Würdenträger, die diesen Namen wahrlich nicht verdienen, seit Jahren damit herumeiern: Geschenkt, das bewegt mich weniger. Ich bin Protestant! Doch was muss ich gerade bei der Synode erleben? Auf Facebook fabuliert ein Sprecher der EKD von Verantwortung, Arbeitsgruppen und Aufarbeitung. Hierzu fällt mir nur die Volksweisheit „Wenn Du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“ ein.
Die Hutschnur reißt
Vollständig ist mir jedoch Anfang der Woche innerlich die Hutschnur gerissen: Beim Sport höre ich gerne Podcasts. Entschieden hatte ich mich diesmal für eine Folge aus dem „Funkstreifzug“ von BR24. Titel: „Nur Einzelfälle? – Wie die evangelische Kirche die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen verschleppt“. Ein Zeitzeuge berichtet sehr anschaulich, was ihm und anderen Jungen in einem kirchlichen Internat widerfahren ist. Die Rede ist von Schlägen und Analverkehr.
Schon lange weiß die Forschung, dass derartige Missbrauchshandlungen das Leben dieser betroffenen Menschen kaputtmachen – deren Leben ist geprägt von Psychotherapien, von Misstrauen gegenüber Mitmenschen, von Selbstmordversuchen und -gedanken. Kurz: Ihr Leben gerät komplett aus der Spur. Und Hilfe gibt es über Jahre nicht.
Hilfe mit Hindernissen
Immerhin hat die EKD schon bei ihrer Synode vor zwei Jahren einen Opferfonds auf den Weg gebracht. 20.000 Euro bekommt jeder Betroffene. Mehr aber auch nicht, wie ich fassungslos feststellen musste. In dem Podcast berichtet ein Mann, dass seine private Krankenversicherung keine Therapien bezahlen will. Diese hat er sich immerhin vom Geld leisten können, das die EKD ihm überwiesen hat. Dies habe schnell und unbürokratisch geklappt.
Und doch müssen der Mann und die anderen Betroffenen weiterhin mit ihrem Problem alleine fertig werden. Denn: Für die Aufarbeitung ihres Leidens sind Traumatherapeuten notwendig. Die jedoch sind Mangelware. Und wer einmal eine Psychotherapie gemacht hat, weiß, was eine Sitzungsstunde kostet – oder kann sich zumindest als gesetzlich Versicherter eine Vorstellung davon machen: Ich beispielsweise musste für eine versäumte Sitzung bei meiner Psychoanalyse vor mehr als zehn Jahren bereits 150 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen.
Zahlt die Therapien
Mein Schluss: Einmal eine Summe zu zahlen, das kann es nicht sein. Stattdessen ist die Solidargemeinschaft gefordert – die Krankenkassen müssen die Traumatherapien der Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kirchenmenschen ohne Wenn und Aber bezahlen. Das Geld wiederum sollten sich die Kassen gerne von der evangelischen und katholischen Kirche zurückholen.
Aber nicht nur das ist im Sinne der Opfer wichtig. Statt sich in blumigen Formulierungen zu ergehen, sollten sich Bischöfe, Pastoren, Pfarrer und Co. hinstellen und sagen: „Ja, da ist viel Scheiße gelaufen! Wir entschuldigen uns dafür!“ Immerhin heißt es schon im 32. Psalm: „Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.“
Also, liebe Kirchenmenschen: Bekennt Euch!
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