„Es sind immer kleine Schritte gewesen“
Jörg Pranger ist in der suchenden „Generation Y“ großgeworden. Von Theater über Film und Regie bis Journalismus ist für den Studenten der Kulturwissenschaften beruflich derzeit alles denkbar.
Von Daniela Krause
Offen für Neues, auf der Suche nach dem Sinn im eigenen Sein und Tun. Jörg Pranger ist im Dezember 1995 geboren. Damit gehört er zur sogenannten „Generation Y“ (sprich „Why“ oder auch Millennials), also der Generation, die zwischen 1980 und 1995 (dieser Zeitrahmen variiert in einigen Quellen) geboren ist. Dieser Generation wird unter anderem nachgesagt, eine besondere Neigung zum Hinterfragen zu haben. Eine Eigenschaft, die auf den 28-Jährigen zutrifft: „Ich lese viel Zeitung und denke über das Gelesene nach, nehme mir gerne mehr Zeit zum Reflektieren.“
Ein anderer Weg
Seine Kindheit und Jugend verbringt der gebürtige Oldenburger in seinem Elternhaus in Petersfehn im Landkreis Ammerland. Seine Mutter ist damals Lehrerin, sein Vater Künstler im Varieté-Bereich. Obwohl ihn der außergewöhnliche Beruf seines Vaters fasziniert, tritt er nicht in dessen Fußstapfen. „Es hätte nicht in die Zeit gepasst, und auch nicht eins zu eins zu mir, wenn ich dasselbe gemacht hätte.“ Stattdessen zieht es ihn, der damals sehr neugierig, aber auch schüchtern ist und in der Schule zum Teil gemobbt wird, anderweitig auf die Bühne.
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Schicksalhafter Zeitungsartikel
„Es war 2014. Am Frühstückstisch zeigte mir meine Mutter die Zeitung: Im Rahmen der Jugendkulturarbeit in Oldenburg wurden Leute für einen Theater-Jugendaustausch gesucht. Sie meinte: Trau dich, melde dich da mal an.“ Jörg Pranger ergreift die Chance. Für ihn ist es der erste Schritt in die Kulturarbeit und in die Theaterszene. Nach seinem Fachabitur Wirtschaft spricht er an Schauspielschulen vor. „Obwohl es nicht ganz geklappt hat, war es eine wertvolle Erfahrung“, sagt er. Nach einem abgebrochenen Studium „Medienwirtschaft und Journalismus“ startet er einen neuen Versuch und bewirbt sich für das Studium Kulturwissenschaften in Bremen.
Neuanfang in Frankfurt an der Oder
„Die Absage, die dann kam, war ein Glücksfall, denn so bin ich an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder gelandet, was für mich gut gepasst hat“, erzählt Pranger. So wie viele seiner Generation, strebt er mit dem Studium einen höheren Bildungsabschluss an und schreibt in diesem Jahr seine Bachelorarbeit. Was danach kommt, weiß er noch nicht so genau. Sowohl Theater als auch Film und Journalismus reizen ihn. „Denkbar wäre, alles miteinander zu vermixen. Regie könnte ich mir ebenfalls gut vorstellen.“
Reinschnuppern in den Radiojournalismus
2023 absolviert er ein Praktikum als Radiojournalist in der deutschen Redaktion innerhalb des tschechischen Rundfunks „Radio Prag International“. Drei Monate in Prag, die ihn begeistert haben. Er berichtet unter anderem über das internationale Cinefest, porträtiert den in Prag lebenden deutschen Fotografen Björn Steinz und führt ein Interview mit der tschechischen Dramaturgin Viktorie Knotková, die sechs Jahre lang am Bremer Theater beschäftigt war. Dort absolvierte Jörg Pranger 2015 ein Praktikum in der Pressestelle. „Die Arbeit beim Radio in Prag war eine gute Möglichkeit, um meine Public Speaking Skills zu verbessern“, sagt Pranger, der auch schon auf mehrere Komparsenrollen zurückblicken kann, etwa bei der bekannten Netflix-Serie „1899“.
Prägendster Aufenthalt im Ausland
Seine Zeit in Tschechien ist für Jörg Pranger bislang der längste und prägendste Auslandsaufenthalt gewesen. „Es zieht mich immer wieder nach Zentral- und Osteuropa“, erzählt er. Erasmusprojekte führen ihn im Jahr 2016 für einen knapp einmonatigen europäischen Freiwilligendienst nach Slowenien und 2018 für einen „Training Course“ zum Thema Migration für sieben Tage nach Georgien. Ein Jahr später unternimmt er in den Semesterferien mit dem Geschichtskurs eine Exkursion in die Ukraine mit dem Thema „Das jüdische Leben damals und heute“.
Weltpolitische Fragen
Überhaupt ist Jörg Pranger ein Mensch, der sich viel mit weltpolitischen Fragen auseinandersetzt und versucht, selbst etwas zu bewegen. Im vergangenen Jahr stellt er zusammen mit dem Schauspieler Orhan Müstak ein Theaterprojekt zum Thema Rassismus auf die Beine. „Aktuell plane ich an der Universität eine Expertenrunde zu Antisemitismus und Medienkompetenz. Antisemitismus ist ein allgemeines, komplexes Problem in jeder Gruppe der Gesellschaft. Ich habe aber beobachtet, dass besonders im linken Spektrum auch die jüngere Generation dafür sehr empfänglich ist.“
Die kulturwissenschaftliche Brille
In den sozialen Medien diskutiert er mit anderen Menschen. „Ich betrachte die Dinge dabei durch die kulturwissenschaftliche Brille und möchte herausfinden, warum ein Thema so stark polarisiert.“ Die Frage nach dem „Warum?“ – sie ist prägnant für die Generation Y, die heftige politische Spannungen, Umweltkatastrophen, Terroranschläge und globale Kriege miterlebe, sagt der Sozial- und Jugendforscher Prof. Dr. Klaus Hurrelmann. Jörg Pranger beschäftigt derzeit der Nahostkonflikt, aber auch die Lage in der Ukraine – nicht zuletzt auch deshalb, weil er Freunde mit palästinensischen und ukrainischen Wurzeln hat.
Suche nach der eigenen Identität
Neben dem Versuch, das aktuelle Weltgeschehen zu begreifen, ist da auch noch die Suche nach der eigenen Identität, die den jungen Millennial umtreibt. Hierzu gehört zum Beispiel seine rote Haarfarbe, die ihn 2018 zu den „Redhead Days“ im holländischen Breda führt. „Das war cool, so viele Rothaarige zu treffen und nette Leute kennenzulernen.“ Bisher ist es jedoch für ihn bei einem Festival dieser Art geblieben.
Den Vater interviewt
Auf der Suche nach dem eigenen Ursprung, spielt auch sein Vater für Jörg Pranger eine große Rolle, der für ihn eine wichtige Bezugsperson ist. „Ich habe mir nach meiner Zeit in Prag ein Aufnahmegerät gekauft und ihn interviewt – über seinen persönlichen und beruflichen Werdegang, seine Nazi-Eltern, die ich noch kennengelernt habe und seine damalige Außenseiterrolle, die ihn letztlich zur Schaustellerei geführt hat.“ Was er mit dem Material später macht, überlegt er sich noch.
Zukunftspläne: Job und Familie vereinbaren
Wo er sich selbst in fünf bis zehn Jahren sieht – eine Vorstellung hat Jörg Pranger schon: „Ich möchte dann gerne eine Familie haben, einen Job, der mich glücklich macht und zufriedenstellt und der mir ermöglicht, beides gut zu koordinieren.“ Der unsicheren Zukunft, mit der die Generation Y zurecht kommen muss, sieht er optimistisch entgegen. „Es sind immer kleine Schritte gewesen, die mich dorthin gebracht haben, wo ich heute stehe. Und das wird auch künftig nicht anders sein. Ich habe gelernt, zu reflektieren und meinen eigenen Kopf zu bewahren. Manche Sachen kann ich nicht ändern, aber ich kann versuchen, das Beste daraus zu machen.“
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