Hinterm Horizont: Unsichtbare Mauer eingerissen
Was hat das Projekt Hinterm Horizont macht Schule gebracht? Antworten brachten Feedbackgespräche.
Von Andree Wächter
Der letzte Vorhang fiel im Schulforum Bruchhausen-Vilsen. Zur Nachbesprechung kamen die Coaches der Udo-Lindenberg-Stiftung ein letztes Mal in den Luftkurort. Drei Monate nach der Aufführung von „Hinterm Horizont macht Schule“ im Bremer Metropol-Theater gab es Feedback-Gespräche, Zertifikate und die Abschlussparty.
Zwischen den Abschlussgesprächen und der Zertifikatsübergabe an die Schüler trafen sich zum Pressegespräch mit den NORD WEST REPORTAGEN: Thomas Müller (Initiator und Lehrer), Lena Brickwedel (Lehrerin), die Schulleitungen Lisa Peitzmeier-Stoffregen (Gymnasium) und Regina Meyer (Oberschule) sowie die Coaches Noah Fischer und Elisabeth Engstler.
Hinterm Horizont: Unsichtbare Mauer eingerissen
Das Ziel, ein Schulzentrum ohne Grenzen zwischen Oberschule (OBS) und Gymnasium zu schaffen, isterreicht. Dass die Teenager unterschiedlicher Schulformen ihre Pausen zusammen verbringen, ist inzwischen völlig normal. Auch bei der Abschiedsparty hätte ein Außenstehender keinen Unterschied festgestellt. Elisabeth Engstler sagt: „Die sozialen Kontakte waren das Wichtigste für die Schüler. Zusammen zu sein und gemeinsam etwas zu erleben und zu schaffen, hat sie glücklich gemacht.“ Noah Fischer ergänzte: „Sie feiern immer noch ihre Freundschaft.“
Das Zusammenwachsen war ein Prozess. In den ersten Projektwochen bildeten die Coaches die Klammer. Im Laufe der Zeit nahm der Prozess aber eine Eigendynamik auf, sodass diese Klammer an Bedeutung verlor.

Die Schüler singen zusammen „Mach dein Ding“.
Jeder der rund 250 Projektteilnehmer hat eine persönliche Entwicklung durchgemacht. Die beiden Schulleitungen Lisa Peitzmeier-Stoffregen (Gymnasium) und Regina Meyer (Oberschule) waren sich einig, dass die Mädchen und Jungen über sich hinausgewachsen sind. Auch Disziplin und Verantwortungsübernahme beeindruckten die Schulleitungen. „Egal, ob auf oder hinter der Bühne“, so Peitzmeier-Stoffregen. Die Aktiven haben erlebt, dass sie als Person an dieser Stelle im Projekt wichtig sind und eine tragende Rolle haben. Peitzmeier-Stoffregen: „Das Projekt lebte davon, dass alles Hand in Hand funktioniert.“ Regina Meyer schloss sich den Worten an und ergänzte: „Es lohnt sich. Ich kann nur jeder Schule raten macht es. Der Weg ist das Ziel, und zwar Schritt für Schritt.“
„Dazu gehörten auch die Eltern“, so Thomas Müller. Lena Brickwedel erinnerte an die Situation am Bahnhof Kirchweyhe. Auf der Fahrt zum Metropol-Theater strandete dort der Zug. Innerhalb kürzester Zeit organisierten Eltern Fahrgemeinschaften.
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Obwohl es ein Schulprojekt war, kamen die Schüler raus aus dem Schulalltag. „Schule ist mehr als Unterricht“, fasste Peitzmeier-Stoffregen zusammen. „Die Schüler hatten das Gefühl, etwas erreicht zu haben, außerhalb von Noten“, sagt Müller. Dies bestätigten auch die Coaches anhand der Feedbackgespräche.
„Die Persönlichkeit der Schauspieler prägte das Stück. Wir haben uns von den Schülern inspirieren lassen, und dies machte die Aufführung individuell“, sagt Elisabeth Engstler. Der Regisseurin ist deutlich geworden, dass man immer offen sein muss. „Bloß nicht ins Schema fallen.“ Konkret ging es um die Besetzung von Udos Nachwuchs. Am ersten Aufführungstag hatte er einen Sohn und am zweiten eine Tochter. Geschuldet war dies der Umbesetzung der Rolle während der Proben nach den Sommerferien. Eine weitere Herausforderung war die große Zahl an Aktiven. Die vorherigen Projekte hatten deutlich weniger Schüler.
Die Coaches stellten fest, dass „die Schüler verstanden hatten, dass die Aufführung eine Belohnung war und nicht das Ziel“, sagt Fischer. Und weiter: „Keiner hat gesagt, es ist ihm zu viel. Sie haben entdeckt, wie viel Kraft sie haben.“ Auch nach einem Acht-Stunden-Tag hätten die Schüler noch Lust und Energie zu weiteren Proben gehabt. Diese Energie haben die Jungen und Mädchen auf die Bühne gebracht. „Sie haben sich alle super Backstage unterstützt“, sagt der Saxophonist.
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Die Entscheidung, das Musical in Bremen aufzuführen, war eine mutige. „Normalerweise will man es vor Ort zeigen“, so Fischer über die Erfahrungen der vergangenen Projekte. Mit dem Metropol-Theater hatten sich die Verantwortlichen für ein sehr großes Haus entschieden. Hieß aber auch: Schauspiel, Tanz und Requisiten mussten zur Größe der Bühne passen. Die Coaches waren sich früh sicher: Ihr bekommt das hin. Viele der Requisiten wie die Berliner Mauer bauten andere Schüler im Werkunterricht.
Projekt Hinterm Horizont würdigt stille Helden
Und genau die Gruppen, die nicht direkt am Projekt beteiligt waren, sind die stillen Helden des Projektes. Hausmeister und Lehrer haben ihren Kollegen den Rücken freigehalten, wenn sie für „Hinterm Horizont“ im Einsatz waren. Dieses Engagement haben die Schulleitungen wie auch die beiden verantwortlichen Lehrer Müller und Brickwedel geschätzt.
Dass es bei einem so großen und langen Projekt nicht ohne Reibereien abgeht, dürfte klar sein. „Ich glaube, wir haben gute Lösungen gefunden – auch mithilfe der Coaches“, sagte die Leiterin des Gymnasiums.

Jeder Schüler bekommt ein Zertifikat. Foto: Runge
Die Coaches der Lindeberg-Stiftung hatten weitere Fragestellungen. Angelehnt an die Udo-Lindenberg-Tour in den 1980er-Jahren mit dem Titel „Ich mach mein Ding“ sollten die Jungen und Mädchen in den rund 18 Monaten ihr Ding finden. Wobei „Ding“ durch Talent oder Interessen zu ersetzen war. Im Gespräch sagten einige, dass sie Musik und Schauspiel weiterverfolgen wollen. Andere entdeckten ihre Stärken im Handwerk.
Auch für den Schulunterricht nahmen die Jungen und Mädchen viel mit. Angst, vor der Klasse eine Präsentation zu halten? Fehlanzeige – „Ich habe schon vor 1.400 Menschen auf der Bühne gestanden“, war eine Aussage. Ein anderer Schüler sagte, dass es ihn bei der Generalprobe gestört habe, dass es im Publikum unruhig war. Ergo, er will jetzt zuhören, wenn andere Schüler etwas vortragen.
„Es war die glücklichste Zeit meines Lebens
In den Feedbacks lobten die Schüler beider Schulen das Projekt. „Es war die glücklichste Zeit meines Lebens“ und „Mega cool – Danke an die Schule, dass sie so ein Projekt mit uns gemacht haben“, spiegelten den Stellenwert wider. Ganz nebenbei lernten die Schüler viel über das Leben in der DDR. Ihnen war nicht klar, dass es damals so krass war.
Im Anschluss an das Pressegespräch bekamen jeder der rund 250 beteiligten Schüler ein Zertifikat und sahen zum ersten Mal ihre Aufführung. Im Forum gab es einen Mitschnitt. Für die Coaches hatten die Aktiven Präsente vorbereitet. Der Abend klang mit einer Party aus und auch einige Tränen verdrückten nicht nur die Teenager.
Über die Grenzen
Eltern, Großeltern und Freude waren ebenfalls von der Aufführung begeistert. Teilweise organisierten Ortsteile Busse, um nach Bremen zu kommen. „Im Metropol-Theater war es, als wenn man durch den Ort ging. Nur bekannte Gesichter“, war ein viel genutzter Satz in den Tagen nach der Aufführung. Die Eltern haben sich im Namen aller hinterher noch einmal herzlich bei den Coaches und Lehrkräften bedankt und hatten eine besondere Überraschung für sie vorbereitet.