Spannen, zielen, lösen
Einmal wie Robin Hood sein: Ein Selbstversuch im Bogenschießen bei den Dreyer Rednocks. Und was die Wildsau Dörte damit zu tun hat.
Von Daniela Krause
Bei Robin Hood sieht es so leicht aus: Spannen. Zielen. Schießen. Im besten Fall das Ziel treffen. Doch was Profis scheinbar mühelos von der Hand geht, ist für Anfänger wie mich eine große Herausforderung. Ich stehe in der Halle der Rednocks, der Bogensportabteilung des SV Dreye, und darf zum ersten Mal mit Pfeil und Bogen hantieren. Der Bogen ist aus Holz und sehr geschmeidig im Griff. Fühlt sich gut an. Ein wenig aufgeregt bin ich; meine Hände sind kalt und das Herz klopft ein bisschen schneller als sonst.
Die erste Hürde gilt es schon bei der richtigen Körperhaltung zu nehmen. Trainer Achim Hoppe greift sanft korrigierend ein: „Du stehst seitlich zum Ziel. Deine Füße stehen dabei parallel und etwa schulterbreit auseinander, so dass du einen sicheren Stand hast. Dein Gewicht muss gleichmäßig auf beide Füße verteilt sein. Als Nächstes drehst du nur den Kopf nach vorne. Wirklich nur den Kopf. Hüfte und Rücken bleiben, wo sie sind.“ Gleichzeitig soll ich aber auch möglichst locker stehen. Puh! „Das sieht doch schon mal ganz gut aus“, beruhigt mich Achim (bei den Rednocks duzen sich alle).
Den Ankerpunkt finden
Nun kommen die Arme ins Spiel: Das Mittelstück des Bogens halte ich mit der linken Hand fest. Achim reicht mir einen Pfeil zum „Einnocken“. Am Ende des Pfeils befindet sich eine rote Kerbe. Diese muss ich so auf die Sehne setzen, dass es leise „klick“ macht. Mein rechter Zeigefinger befindet sich oberhalb des Pfeils, Mittel- und Ringfinger lege ich unter den Pfeil. „Wenn du jetzt den Bogen hoch nimmst, bleiben die Schultern unten“, erklärt Achim. „Die Arme müssen gerade bleiben.“ Ich ziehe den Zugarm langsam nach hinten und merke, wie sich meine Rückenmuskulatur anspannt. „Jetzt spannst du die Sehne so weit, dass deine rechte Hand dein Kinn berührt. Das nennen wir ankern oder den Ankerpunkt finden.“ So soll sichergestellt sein, dass der Abstand zwischen Pfeilspitze und Auge bei jedem Schuss etwa gleich groß ist.
Ich atme hörbar ein und aus. Die Kraftanstrengung ist für meine Verhältnisse enorm. Meine Oberarmmuskeln fühlen sich so hart an wie die Sehne gespannt ist. Ich nehme das „Ziel“ ins Visier. Auf eine Auflage haben wir bewusst verzichtet. Erstmal geht es darum, überhaupt die Scheibe zu treffen. „Wenn du meinst, die beste Position gefunden zu haben, lässt du die Sehne einfach los“, ermutigt mich der Trainer. Ich suche mir mit den Augen einen Punkt, von dem ich meine, dass er mittig liegt und lasse los! Der Pfeil schnellt in einer atemberaubenden Geschwindigkeit vom Bogen und trifft – nicht. Vielmehr prallt er von der Hallenwand ab. Nächster Versuch.
Vom Treffer noch weit entfernt
Mit den Armen habe ich beim Schießen meine liebe Not: „Gerade halten“, wird Achim nicht müde zu wiederholen. „Schultern bleiben unten.“ Ach, verflixt. „Das habe ich mir irgendwie leichter vorgestellt“, sage ich ein wenig enttäuscht. „Es sieht ja auch einfach aus“, meint Achim mit Blick auf die „alten Hasen“. „Bis der Bewegungsablauf ins Blut übergeht, braucht es aber seine Zeit. Selbst Profis schießen nicht immer ins Goldene.“
Ich übe die Bewegung noch einmal „trocken“. „Aber bitte die gespannte Sehne ohne Pfeil niemals loslassen!“, warnt Achim. Auf diese Weise habe schon so mancher Schütze die Wurfarme seines Bogens zerschmettert. „Die Schwingung wird dann nämlich nicht auf den Pfeil übertragen, sondern entlädt sich voll in den Bogen.“ Dann also besser mit Pfeil, denke ich und versuche noch einige Male mein Glück. Nach dem dritten Durchgang landen die Pfeile endlich mittig in der Auflage – zwei stecken dicht nebeneinander. „Spaß macht es ja“, muss ich zugeben, bin mir aber nicht sicher, ob es die richtige Sportart für mich wäre. „Bogenschießen ist etwas für Körper, Geist und Seele“, sagt Achim. Vor allem sei es ein Breitensport für alle Generationen und stärke die Rücken- und Rumpfmuskulatur. Im Grunde optimal für „Schreibtischtäter“ wie mich.
Verein zählt 23 Aktive
Achim hat 2005 mit dem Bogenschießen angefangen. Die Rednocks, die 2015 im SV Dreye gegründet wurden, trainiert er gemeinsam mit Spartenleiter Thomas Koch, der die Sportart seit etwa acht Jahren professionell betreibt. „Unser Ältestes Mitglied ist 77, das Jüngste 20 Jahre alt“, sagt Thomas. Unter den 23 Aktiven sind sieben Frauen. Geschossen wird mit dem Recurvebogen und dem Blankbogen. Beim Recurvebogen findet man Annehmlichkeiten, die beim Blankbogen schlicht weggelassen werden: Stabilisatoren, Visier und Auszugskontrolle. Eine eigene Disziplin ist das 3D-Schießen, dabei wird auf Kunststofftiere wie Wildsau Dörte geschossen.
Von April bis September trainieren die Rednocks draußen, ab 2021 auf ihrem neuen Bogenplatz, den sie 2020 für sich hergerichtet haben. Je nach Altersklasse wird dann auf Scheiben in 50 bis 70 Metern Entfernung gezielt. Zum Vergleich: In der Hallensaison, die im Oktober beginnt, stehen die Auflagen von den Schützen nur 18 Meter weit entfernt, während der Coronapandemie sind es sogar nur neun Meter. Um größere Abstände zwischen den Bogensportlern zu gewährleisten wurde die Schusslinie nämlich um 90 Grad gedreht, was Anfängern wie mir entgegenkommt. In der Halle schießen die Schützen drei Pfeile innerhalb von zwei Minuten, draußen die doppelte Anzahl.
Jeder kennt die Regeln
An diesem Trainingstag sind wir sieben Teilnehmer. In der Halle ist es angenehm ruhig. Die Stille wird nur unterbrochen durch das „Plopp“ der treffenden Pfeile und die Anweisungen der Trainer. „Es ist uns wichtig, hier eine entspannte Atmosphäre zu haben“, sagt Thomas. Jeder kennt die Spielregeln: Alle warten, bis auch der Letzte seine drei Pfeile abgeschossen hat. Dann gibt Thomas das Signal zum „Pfeile holen“. Die Sportler gehen auf geradem Weg zu den Scheiben, ziehen die Pfeile heraus und begeben sich wieder an ihre Plätze. Der Bogen wird erst wieder aufgenommen, wenn alle sicher hinter der Linie stehen. Tanzt mal einer aus der Reihe, was äußerst selten vorkommt, zücken Thomas oder Achim die Trillerpfeife. Verletzungen mit Pfeilen habe es bisher nicht gegeben, wohl mal eine blutende Hand wegen einer gerissenen Sehne. Damit so etwas möglichst nicht passiert, sei es wichtig mit einem angemessenen Zuggewicht zu starten: „Bei Männern liegt dies zwischen 18 und 20 Pfund“, erläutert Thomas. „Frauen starten mit circa 16 bis 18 Pfund.“
Vom Schwertschaufechten zum Bogensport
Mit einem geringen Zuggewicht hat auch Kirsten Hilbers angefangen, mittlerweile sind es 22 Pfund. Die Brinkumerin hat sich im Sommer 2019 bei den Rednocks mit dem Bogensport anstecken lassen. „Ich wollte das schon immer lernen. Vorher habe ich lange Schwertschaufechten gemacht. Dann hatte ich einen Unfall und musste aufhören“, erzählt die 57-Jährige. Im Bogenschießen hat sie für sich die ideale Sportart gefunden: „Es schult unheimlich die Konzentration. Man möchte immer besser werden und entwickelt schnell Ehrgeiz.“ Kurz nach unserem Gespräch trifft ihr Pfeil erneut den gelben Zielstreifen.
Ein paar Meter weiter konzentriert sich Arvid Witkabel auf den nächsten Schuss. Er ist ganz frisch dabei. „Ich habe schon als Kind mit meinem Opa einen Bogen gebaut“, erinnert sich der 20-Jährige. Später habe er den passenden Verein für sich gesucht und in Dreye gefunden. „Es ist hier alles sehr entspannt. Niemand hackt auf dir rum, wenn du mal einen Fehler machst. Stattdessen gibt es konstruktive Vorschläge – und man kann hier jeden fragen.“
Am Anfang einen Bogen mieten
Anfänger können sich von den Profis eine Menge abschauen und sich Tipps für die erste Ausrüstung holen. „Zu Beginn raten wir jedem, erstmal unsere Bögen auszutesten und sich dann einen zu mieten“, sagt Achim. „Man könnte sich natürlich auch sofort einen kaufen, aber das wird ein teurer Spaß, da sich das Zuggewicht etwa alle sechs bis acht Wochen erhöht.“ So nach einem Jahr könne man über den Kauf eines eigenen Mittelteils für den Bogen nachdenken. „Gute Gebrauchte kosten zwischen 150 und 200 Euro.“
Die Profis schießen mit dem Olympischen Recurvebogen oder dem Blankbogen und messen sich auf Kreis-, Bezirks- und Landesmeisterschaften mit anderen Sportlern – mit Erfolg. „Unsere Kirsten Hasenbank ist Deutsche Meisterin im 3D-Schießen“, berichten Thomas und Achim stolz. Im selben Jahr (2017) erhielt das damalige Trainergespann die Auszeichnung „Trainerteam des Jahres“. Bogenschützin Doreen Hasenbank sicherte sich zwei Mal Bronze, einmal bei der Deutschen Meisterschaft des Deutschen Bogensport-Verbandes im Jahr 2019, Anfang 2020 ein weiteres Mal bei der Landesmeisterschaft 2020 WA Halle des Nordwestdeutschen Schützenbundes.
Schnupperschießen bei den Rednocks
Wer den Bogensport testen möchte, kann dies nach Anmeldung tun. Jeden ersten Montag im Monat, um 19 Uhr in der Außensaison und um 20.30 Uhr während der Hallensaison, bieten die Rednocks ein Probetraining an. Aktuelle Informationen gibt es unter Telefon: 04242/5973419 und auf der vereinseigenen Internetseite.
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