Frau mit Auftrag
Die gebürtige Bremerin Sandra Quadflieg arbeitet heute erfolgreich als Schauspielerin, Regisseurin und Autorin in Hamburg.
Von Ulf Buschmann
„Ich bin wahnsinnig benebelt vor Glück. Ich war noch nie so glücklich. So restlos, so ganz und gar verliebt, so dass Liebe nicht nur ein Gefühl ist, das Du fühlst, sondern ein Element, in das Du eintauchst. Eine Dimension wie Raum und Zeit. Mach‘ Dir keine Sorgen, alles ist gut.“ Die Frau, die solch‘ Poetisches schreibt, heißt Mary McCarthy. Die amerikanische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin hat sich über viele Jahrzehnte einen intensiven Briefwechsel mit der berühmten deutsch-amerikanischen Schriftstellerin und politischen Theoretikerin Hannah Arendt geliefert.
Briefwechsel zwischen Denkerinnen und Denkern – eine Form der Kommunikation, die im 21. Jahrhundert so gut wie ausgestorben ist. Zum Glück aber gibt es Menschen, die die Verve haben, eben jene Denkerinnen und Denker – zumeist des 20. Jahrhunderts – aus der Versenkung zu holen. Sie dokumentieren die Briefwechsel nicht nur, nein, sie interpretieren diese auf ihre Weise. In Hörbüchern und Podcasts sorgen diese Menschen für Kopfkino.
Geformtes Kopfkino
Eine jener Menschen, die Bilder im Kopf formen, ist die in Hamburg lebende Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Sandra Quadflieg. Die gebürtige Bremerin produziert einmal im Jahr ein Hörbuch. Sie hat das Glück, große Namen für kleine Schätze zu gewinnen. Katharina Thalbach etwa übernimmt im Briefwechsel der beiden berühmten Frauen die Rolle der Hannah Arendt. „Im Vertrauen – Briefe 1949 bis 1975“ heißt diese Produktion übrigens.
Aber auch mit dem großartigen Ulrich Tukur hat sich Sandra Quadflieg ins Studio zurückgezogen. Gemeinsam hauchen sie dem leidenschaftlichen Briefwechsel zwischen Claire und Yvan Goll neues Leben ein. Egal, ob als Claire Goll oder als Mary McCarthy: Mit ihrer rauchig bis zart klingenden Stimme taucht Sandra Quadflieg tief in ihre Charaktere ein. Bis auf den seelischen Kern.
Festen Schrittes
So zerbrechlich sie liest, so energisch tritt sie im wirklichen Leben auf. Festen Schrittes kommt Sandra Quadflieg zum Treffpunkt in der Nähe des Hamburger Schauspielhauses. Sie macht einen gut gelaunten, ihrem Gegenüber zugewandten Eindruck. Es scheint, dass die Wahl-Hamburgerin im Tiefflug durchs Leben eilt. Aber das täuscht: Sandra Quadflieg ruht in sich, und sie weiß, was sie will – beziehungsweise nicht will.
Aber langweilig wird es ihr trotzdem nicht. Neben ihren beruflichen Verpflichtungen engagiert sich Sandra Quadflieg in diversen Stiftungen und Vereinen. So etwa seit 2011 im Vorstand der Benita Quadflieg Stiftung und des Vereins „Lebendiger Jungfernstieg“. Bei der Aufzählung ihrer Ehrenämter kommt sie auf sechs. „Das ist mein gesellschaftlicher Auftrag“, beschreibt Sandra Quadflieg ihren eigenen Anspruch. „Im Rampenlicht stehen und sich im Scheinwerferlicht aalen“ sei weder ihr Ziel noch ihr Wesen.
Wie kommt eine Bremerin auf die Idee, nach Hamburg zu gehen? Die Antwort auf diese Frage fällt Sandra Quadflieg leicht: „Die Arbeitsmöglichkeiten als Schauspielerin sind hier besser als in Bremen.“ Das bedeute jedoch nicht, dass sie ihrer Geburtsstadt den Rücken gekehrt habe. Im Gegenteil, ein Wochenendhaus an der Weser sei doch ganz schön.
Dass sie Schauspielerin werden möchte, war Sandra Quadflieg schon früh klar. Ständige Besuche im Theater verstärkten diesen Wunsch noch. Also stürzte sich die Bremerin gleich nach dem Abitur am damaligen Schulzentrum Im Holter Feld in die Schauspielausbildung in Hamburg. „Meine Mutter hätte es lieber gesehen, wenn ich Ärztin oder Rechtsanwältin geworden wäre“, sagt sie schmunzelnd.
Ihre Affinität zum Genre Hörbuch hatte Sandra Quadflieg scheinbar schon zu Beginn ihrer Ausbildung. Und wenn nicht, legte sie ihn damals schon. Das geschah so: Sie besucht überaus gerne Antiquariate. In einem dieser süßen Läden entdeckte sie etwas, was völlig in Vergessenheit geraten war: den Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und seiner Tochter Nele. Daraus entstand das Hörbuch „Mein Vater Gottfried Benn“, das Sandra Quadflieg zusammen mit Otto Sander einsprach. Es erschien im Jahr 2006.
Sander, Thalbach, Tukur – es sind große Namen, die Sandra Quadflieg in ihrem Portfolio aufführen kann. Den ersten Kontakt zu ihnen nimmt sie in der Regel über deren Agenturen auf. Die Wahl-Hamburgerin selbst verzichtet indes darauf, sich an eine Agentur zu binden. Dies habe sie 15 Jahre getan. Inzwischen verlässt sich Sandra Quadflieg lieber auf ihre Fähigkeiten als Netzwerkerin. Mit Erfolg, denn meistens „werde ich direkt angesprochen“, sagt sie über ihre Projekte und Tätigkeiten.
Natürlich geht es nicht immer nur bergauf. Aber Sandra Quadflieg hat gelernt, dass nach jedem Tal auch wieder ein Berg kommt. Der Umgang mit diesem Auf und Ab hat sie geprägt. Sandra Quadflieg findet: „Man wird geerdet, demütig und dankbar.“
Lesungen gibt es nicht
Sandra Quadflieg und Katharina Thalbach sollten Anfang des Jahres eigentlich aus dem Hörbuch „Im Vertrauen – Briefe 1949 bis 1975″ lesen. Doch sämtliche Termine sind wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Stattdessen gibt es einen Gruß von Sandra Quadflieg.