Konkurrenz für Bremens Häfen

Die bremischen Häfen haben laut einer Studie beim Container-Transhipment in die Ostsee Marktanteile verloren – davon profitiert vor allem das Deepwater Containerterminal in Bremens Partnerstadt Danzig

Von Ulf Buschmann

Container werden zunehmend mit großen Containerschiffen nach Danzig in die Ostsee gebracht und von dort weiterverteilt – kleinere, sogenannte Feeder laufen zum Beispiel die Häfen in Tallinn und St. Petersburg an. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen. Titel: „Aktualisierung der Analyse und Prognose des See- und Hinterlandverkehrs der bremischen Häfen“.

Im Auftrag der Hafengesellschaft „bremenports“ haben die Fachleute untersucht, wie sich die Häfen an der Unterweser schlagen. Ergebnis unter anderem: Bremen und Hamburg haben von 2013 bis 2018 ordentlich Federn lassen müssen. Alleine der Transhipmentbereich von der Unterweser in die Ostsee ist laut ISL um zwölf Prozentpunkte eingebrochen. In absoluten Zahlen: Vor sieben Jahren betrug das Aufkommen noch 5,8 Millionen 20-Fuß-Standard-Container (TEU). 2018 waren es nur noch 2,8 Millionen TEU.

Es gibt Hoffnung

Das ist für die Verantwortlichen schmerzlich. Allerdings müssen sie nicht nur Trübsal blasen. Denn: Es gibt durchaus auch Lichtblicke. So geht aus der ISL-Studie hervor, dass im Untersuchungszeitraum der Transport per Binnenschiff, Lkw oder Bahn um 300.000 auf 2,6 Millionen TEU zugenommen hat. Vor allem Regionen in Nordrhein-Westfalen wie Osnabrück und Münster setzten statt auf die niederländischen und belgischen Häfen lieber auf die bremischen. Hier betrage das Plus 37 Prozent.

Hinzu kommt, dass es für Bremen und Bremerhaven durchaus eine starke Präsenz auf anderen Auslandsmärkten gibt. Hierzu zählen traditionell Tschechien mit einem jährlichen Volumen von 188.000 sowie Österreich mit etwa 166.000 TEU. Und was die Zukunft angeht, so sind die ISL-Autoren ebenfalls zuversichtlich: Sie gehen für die Bereiche Containerumschlag sowie Autos und Roll on/Roll off (RoRo) bis zum Jahr 2035 von Wachstumsraten von knapp zwei beziehungsweise 2,7 Prozentpunkten aus. Wirkliche Sorgen scheinen sich auch die Verantwortlichen bei der Hafen Hamburg Marketing nicht zu machen. Via Hamburg werde vor allem durch den Nord-Ostsee-Kanal noch immer genug Ladung in Richtung Nordeuropa gefeedert, meint Sprecher Bengt van Beuningen.

Das Bild zeigt eine Luftaufnahme des DCT Gdansk.

Das DCT Gedansk entwickelt sich zur Drehscheibe an der Ostsee – zum Nachteil der bremischen Häfen. Foto: Port of Gdansk

Das DCT Gdansk

Dass die bremischen Häfen Ladung ausgerechnet an die Partnerstadt Danzig verloren haben, kommt nicht von ungefähr. Denn schon im Jahr 2007 wurde dort das Deepwater Containerterminal (DCT) Gdansk eröffnet. Gegenüber Bremen und auch Hamburg kann es mit einem tidenunabhängigen Fahrwasser von 17 Metern in der Fahrrinne und 16,5 Metern am Kai punkten. Weil immer mehr große Liniendienste das DCT direkt anliefen, verlagere sich das Transhipment, hat Sönke Maatsch, Autor der ISL-Studie, unter anderem herausgefunden.

Umgeladen in die kleineren Häfen an der Ostsee werde dann nicht mehr im bisherigen Maße in Hamburg oder Bremerhaven, sondern am DCT, so Maatsch. Es bietet mit seiner Kailänge von 1.300 Metern außer für einen Riesen mit bis zu 20.000 TEU Kapazität gleichzeitig Platz für zwei kleinere Feederschiffe. Sie fahren laut Maatsch unter anderem weiter nach Tallinn und St. Petersburg. Und was nicht gleich weitertransportiert wird, kann auf dem Gelände des DCT mit einer Größe von inzwischen rund 75 Hektar gelagert und zolltechnisch abgefertigt werden.

DCT als Drehscheibe

Mit diesem Angebot im Markt kommen die Danziger ihrem Ziel, Drehscheibe für den Containerverkehr zwischen Mittel- und Osteuropa, dem Ostseeraum und Südeuropa zu sein, stetig ein Stück näher. Dafür haben sie in den vergangenen 13 Jahren mächtig investiert. Alleine in das Projekt eines zweiten Terminals sind umgerechnet rund 36,3 Millionen Euro geflossen. Etwa 5,9 Millionen davon hat es von der Europäischen Union gegeben.

So hat das DCT in der Tat einen großen Sprung gemacht. Wo es anfangs noch Brachen, marode Schienenanlagen und Straßen mit tiefen Schlaglöchern gab, ist ein Logistikzentrum entstanden. Baukolonnen sind in diesen Tagen dabei neue Straßen anzulegen und reihenweise neue Gleisjoche zu verlegen. Und mittendrin verlässt Lkw um Lkw das DCT – oder rollt im Gegenzug hinein.

Das Foto zeigt Verladekräne am Containerterminal Bremerhaven.

Am Containerterminal Bremerhaven werden Container aus aller Welt angelandet. Der Weitertransport in die Ostsee ist eingebrochen. Foto: Ulf Buschmann

Durch Corona ausgebremst

Dass das DCT einen Satz in seiner Entwicklung gemacht hat, lässt nicht nur die rege Bautätigkeit vermuten. Dafür sprechen auch die von der Hafengesellschaft Port of Gdansk veröffentlichten Container-Umschlagszahlen, von denen rund 90 Prozent auf das DCT entfallen. Danach waren es alleine im vergangenen Jahr genau 2.073.215 TEU. Das ist gegenüber dem Jahr 2009 mehr als das Zehnfache. Damals wies die Statistik 240.623 TEU aus.

Dass die Danziger diese Marke im aktuellen Geschäftsjahr nicht erreichen werden, steht allseits außer Frage. Der Grund dafür ist die Coronapandemie, der auch Polen im Frühjahr mit einem Lockdown und der Schließung der Grenzen begegnete. Dies bescherte Danzig ein Minus von 2,1 Prozent im Containerumschlag im ersten Quartal. Immerhin: Von Januar bis August waren es immer noch 1.270.016 TEU. Mit seinen Zahlen kann der Danziger Hafen seinen Zweiten Platz in der Ostsee hinter St. Petersburg halten.

DCT ist in Europa auf Platz 15

Im europäischen Vergleich hat das DCT sich seine Position unter den 15 größten europäischen Containerhäfen erobert. Auch dies hat das ISL errechnet. Laut DCT-Internetseite laufen 13 Jahre nach der Eröffnung immer mehr Reedereien beziehungsweise Allianzen mit ihren Pötten das Terminal an. Dazu gehören die beiden Reederei-Allianzen „2M“ und „Ocean Alliance“. Erstere bilden die beiden Riesen Maersk und MSC. „Ocean Alliance“ ist ein Konsortium von Cosco, CMA-CGM, Evergreen und OOCL. Darüber hinaus geht aus der Internetpräsenz DCT hervor, dass die Schiffe von Hamburg-Süd, HMM und APL die Ostsee-Metropole ansteuern.

Dass sich im Osten etwas tut, merken denn auch Bremen/Bremerhaven und Hamburg in anderen Bereichen als nur dem Transhipment. Direktanläufe von Überseeschiffen nach Gdansk oder nach Göteborg stellten „einen zunehmenden Wettbewerb dar“, schreibt etwa die Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) in ihrem Geschäftsbericht 2019: „Vor allem Danzig verzeichnet ein starkes Wachstum und bildet dadurch eine weiter ernst zu nehmende Konkurrenz zu diesem Verbundsystem.“ Wie die HHLA kommt die ISL-Studie zu dem Schluss: „Durch die Direktanläufe großer Liniendienste hat letzterer (der Hafen von Danzig, d.R.) in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.