Viel Blut und schreiende Menschen
Die DLRG hat eine „Schauspielgruppe“. Ihr Einsatz ist gefragt, wenn es stressig werden soll
Von Andree Wächter
Viele schreiende Verletzte und überall fließt Blut über den Boden. Ein absolutes Horrorszenario – nicht nur für die (Erst-) Helfer vor Ort. Um in der skizzierten Schadenslage richtig und schnell reagieren zu können, üben Rettungskräfte den Einsatz. Vieles kann simuliert werden, doch das Verhalten am Patienten ist schwer zu trainieren. Um der Realität möglichst nahe zu kommen, hat die DLRG Ortsgruppe Weyhe eine RUND-Gruppe. RUND steht für Realistische Unfall- und Notfall-Darstellung, oder einfach gesagt: Wundenschminken.
Lea Pünter gehört zu den RUND-Gründungsmitgliedern
Die aktuell sieben aktiven Mitglieder kommen immer dann zum Einsatz, wenn sogenannte Mimen (Nachsteller) benötigt werden. Dies reicht vom Erste-Hilfe-Kurs über die Sanitätsausbildung bis zu großen Übungsszenarien mit anderen Hilfsorganisationen wie Feuerwehr oder Rotes Kreuz (DRK). „Um bei uns mitmachen zu können, muss man kein schauspielerisches Talent haben“, sagt Lea Pünter. Die 23-Jährige gehört zu den RUND-Gründungsmitgliedern in der DLRG Weyhe. Vor rund acht Jahren ging die Initiative von Vereinsmitglied Jens Mörstedt aus. „Er hat Jacqueline Schubert und mich gefragt, ob wir zu sowas Lust hätten“, so Pünter. Seitdem ist sie dabei und es ist inzwischen ihre liebste Aktivität innerhalb der Rettungsorganisation geworden.
Die ersten Schritte gingen die Drei beim DRK in Leeste. Die hatten schon eine RUND-Gruppe. Ein Jahr später folgte der entsprechende Grundlehrgang bei der DLRG. In dem Seminar lernten die Darsteller, wie sie mit handelsüblicher Schminke und Theaterblut diverse Krankheitsbilder herstellen können. Das Spektrum reicht von einfachen Verletzungen wie Sonnenbrand oder Schock bis hin zu offenen Knochenbrüchen, spritzenden Blutungen oder Amputationen. Das alles sieht täuschend echt aus.
Neben dem Optischen müssen die Mimen auch auf das Handeln des Retters reagieren. „Dafür ist medizinisches und anatomisches Wissen erforderlich“, sagt Lea Pünter. „Dies lernt man bei einem Sanitätslehrgang und beim RUND-Kursus.“ So muss ein Patient mit einem Schock in die Schocklage (auf den Boden legen und Füße hoch) gebracht werden. „Passiert dies nicht, werde ich irgendwann bewusstlos. Dann wäre die Seitenlage richtig.“ Um den Retter weiter „zu stressen“ wäre auch beim Hinfallen eine Platzwunde am Kopf noch denkbar. „Wenn der Helfer mich gut behandelt, geht’s mir besser – und wenn nicht, dann eben schlechter“, so die 23-Jährige. „Ich habe schon alles erlebt, von gut versorgt bis zum Tod.“
Welchen Reiz hat die Realistische Unfall- und Notfall-Darstellung für Lea Pünter? „Das aus mir rauskommen und Spaß haben. Und auch ein bisschen Leute ärgern“, sagt sie mit einem Lächeln. Wobei dies „Leute ärgern“ einen ganz praktischen Nutzen hat. Nach jedem Szenario bekommt der Retter ein Feedback. „Ich sage ihm, wie ich mich gefühlt habe.“ Mit dieser Rückmeldung kann der Helfer es beim nächsten Mal besser machen. Auch verliert er die Berührungsangst zu echten Wunden und lernt das Menschenversorgen unter Stress.
Neben den optischen Verletzungen können die Mimen auch internistische Notfälle, wie zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall oder Blinddarmentzündung darstellen. Da in diesen Fällen keine sichtbaren Verletzungen vorliegen, kommt es hierbei vor allem auf das richtige Nachstellen der Symptome an.
Um sich die diversen Szenarien nicht ausdenken zu müssen, gibt´s Fachliteratur. Dort stehen viele Beispiele inklusive „Drehplan“. Also wie der Mime reagieren sollte, wenn der Retter dieses oder jenes macht. Dies kann je nach Zielgruppe angepasst werden, vom Erste-Hilfe-Kurs bis hin zur Großschadenslage, beispielsweise ein verunglückter Bus oder entgleister Zug mit über 100 Verletzten.
Die RUND ist bereits über 100 Jahre alt. Laut der DLRG-Homepage hat sie ihre Anfänge im Ersten Weltkrieg. Die britische Armee engagierte damals Berufsschauspieler, um Armee-Sanitäter besser auf den Anblick schwerer Verletzungen vorzubereiten.
Diese Aufgaben hat ein Rettungsschwimmer.