Wir wollen das hier alles behalten

Der Lockdown und das Coronavirus haben der kompletten Kulturbranche zugesetzt. Claudia Geerken vom Bremer HavenRevue Theater schildert ihre eigene Situation.

Von Ulf Buschmann

Da kommt irgendwas auf die Menschen zu. Dieses Etwas ist nicht greifbar, aber es bereitet den Menschen Unbehagen – so sehr, dass sie Reservierungen stornieren oder einfach gar nicht mehr kommen. Kurz: Die Kunden bleiben aus. So war es im Sommer, und so ist es seit dem Herbst ein zweites Mal. Das Coronavirus hat weite Teile des Lebens und der Wirtschaft im Griff. Die Kulturschaffenden zum Beispiel: Keine Veranstaltungen, keine Aufführungen und am Ende kein Umsatz.

Das HafenRevue Theater in der Bremer Überseestadt gehört dazu. Inhaberin Claudia Geerken und ihren Geschäftspartner Ulrich Möllmann hat der zweite Lockdown in diesem Jahr mit voller Breite getroffen. Nicht nur das HafenRevueTheater ist geschlossen. Claudia Geerken und Ulrich Möllmann haben um das Theater weitere Stätten des Vergnügens aufgebaut: den Schwarzlichthof, den Hafenrummel und den Hafentraum. Das alles ist jetzt geschlossen.

Eine ungewohnte Situation sei es gewesen, erinnert sich Claudia Geerken, in den ersten zwei Wochen habe sie die ungewollte Entschleunigung durchaus genossen. „Wir mussten nicht von Termin zu Termin rennen“, sagt sie. Doch Claudia Geerken ist nicht nur Künstlerin, sondern auch geschäftsführende Gesellschafterin dieser kleinen Erlebniswelten. Jetzt also hieß es als Chefin, Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst, aber auch für eine ganze Reihe von Mitarbeitenden.

Claudia Geerken vom HafenRevue Theater singt.

Claudia Geerken auf der Bühne – das ist zurzeit überhaupt nicht möglich. Foto: Ulf Buschmann

Hoffnung – und Rückschlag

„Wir haben unsere Leute in Kurzarbeit geschickt und die gerade eingekauften Waren verschenkt“, sagt Claudia Geerken. Zudem mussten die Kosten so weit wie möglich runter. Geholfen hat den Machern ein Spendenaufruf. Die Fans des Theaters spendeten etwa 3.000 Euro. Das entlastete die Kasse wenigstens etwas. So war es im Frühjahr. Die kleine Erlebniswelt war gerade wieder geöffnet worden. Claudia Geerken und Ulrich Möllmann hofften auf den Herbst und Winter – die Hauptsaison für die Kultur- und Veranstaltungsbranche.

Doch dann kam der November. Die Politik verordnete dem Land den sogenannten Teil-Lockdown. Sportstätten, Restaurants, Theater, Museen, und alle anderen Kultureinrichtungen mussten wieder schließen. Auch das HafenRevueTheater, der Hafenrummel, der Schwarzlichthof und der Hafentraum. Für Claudia Geerken und Ulrich Möllmann erschien die Situation unwirtlich.

Es musste etwas geschehen, also machte sich Claudia Geerken zuerst auf die Suche nach einem Job. Da sie wie viele Menschen in den Kreativbranchen durchs Förderraster von Bund und Land fällt, lebt sie seit März von ihrem ersparten Geld. „Die Lage ist ernst, aber ich brauche den Job auch nicht übermorgen“, charakterisiert Claudia Geerken ihre Lage. Sie habe zum Beispiel die Möglichkeit, als Musiktherapeutin in der medizinischen Rehabilitation anzufangen. Jedoch: „Das geht erst nach der Pandemie.“

Das Bild zeigt Ulli Möhlmann als Hafenarbeiter Hans.

Ulli Möllmann, hier als Hafenarbeiter Hans, schreibt zurzeit an einem Stück. Foto: HRT

Aufgeben gibt’s nicht

Aber die Kulturfrau ist eine mit viel Erfahrung – und zudem alles andere als untätig. „Ich bin jetzt wieder als Gesangslehrerin aktiv und mache auch CD-Aufnahmen für Sänger mit Playbacks“, sagt sie, „und wir schreiben eine Menge Förderanträge.“ Als Gesangslehrerin sei sie gerade dabei, sich wieder einen Stamm von Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Sie probiert Weiteres aus: „Ich komponiere auch neue Songs und möchte mein Kindertheater-Stück ,Schlüssel zum Glück’ als Buch mit CD herausbringen“, gibt sie Einblick in einen ihrer Pläne.

Und dann ist da noch die Internetseite SchmuckRegional: Dort verkauft die kreative Frau selbstgemachten Schmuck – den es aber auch ganz analog gibt – „zum Beispiel zu den Öffnungszeiten im HafenRummel Bremen“, heißt es dort. Zudem entwickelt Claudia Geerken ein Spiel mit Namen „HafenRummel To Go“ für zu Hause. „So richtig mit action und nix mit online und so“, verspricht sie. Auch am Speicher XI in der Überseestadt ist Claudia Geerken in der Adventszeit vertreten. Die Uhrzeit: jeweils sonnabends und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Am 23. Dezember soll es Glühwein und Crepes zum Mitnehmen und Weihnachtsbäume geben.

Derweil schreibt Ulrich Möllmann an einer neuen Show. Sie wird „Filmriss im Hafenbecken“ heißen. Wer den Macher und seine Produktionen kennt, darf sich auf eine schön schräge Geschichte freuen. Inhalt: Der Möchtegern-Filmproduzenten und Nudelfreund Klaus-Wilhelm aus Bremen-Walle versucht, mit wenig Geld ins Kurzfilm Business einzusteigen. Da scheint Hollywood nur einen Steinwurf entfernt. Ein Stummfilm mit viel Gesang lässt die Bühne zum Drehort werden. Einen Termin für die Premiere gibt es zwar schon – doch bislang weiß niemand, wie lange der Lockdown noch gilt.

Ausschnitt eines Mietvertrages

Viele Kulturschaffende fragen sich, wie sie ihre Miete bezahlen sollen.

Die Existenzangst lebt

Eine Situation, die Menschen von einem Tag auf den anderen ausbremst, macht etwas mit ihnen. Diese Erfahrung hat Claudia Geerken bereits im Frühjahr gemacht. „Vom Gefühl der Entschleunigung ist man ganz schnell bei der Existenzangst“, legt die 48-Jährige ihr Innenleben offen. Drei Wochen lang lebte die nach außen ruhig und tough wirkende Frau mit ständigem Schwindelgefühl. Und Kollegen hatten Schlafstörungen. Schließlich kamen die Fragen wie „Woher nehme ich das Geld für die Miete?“ oder „Wie bekommen wir den Kühlschrank gefüllt?“.

Glücklich kann sich da schätzen, wer Geld auf die Seite gelegt hat, wie Claudia Geerken. Hilfe bekomme sie nicht, weil sie geschäftsführende Gesellschafterin ist, erzählt sie. Immerhin: Für den Schwarzlichthof hat es einen Kredit der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gegeben. Die Rückzahlung beginne erst 2022. Mit einem Lächeln fügt sie an: „Der Spaß kommt zum Schluss.“