Liegeplätze wieder auf Tiefe
Mehrere Wochen lang hat sich ein Bagger durch den schlammigen Grund des Vegesacker Hafens gewühlt. Inzwischen ist er verschwunden – Deutschland ältester künstlich angelegter Hafen hat seine ursprüngliche Tiefe von sechs Metern unter Seekartennull wieder. Dafür sind rund 30.000 Kubikmeter giftiger Hafenschlick nach oben gebracht worden.
Von Ulf Buschmann
Christoph Tarras ist schon recht fasziniert von dem, was da im Container liegt: alte Taue, ein Einkaufswagen, abgerissene Fender. Der Leiter für den Bereich Wassertiefen von Bremenports zückt sein Smartphone und dokumentiert den Containerinhalt. Vegesacks Hafenmeisterin Sigrid Leichsenring erklärt, woher das alles stammt. Fender, Taue und alles andere hätten sich im Kopf des Baggers festgesetzt. Auch wenn Unrat im Hafen sozusagen beider täglich Brot ist, sind sie doch immer wieder fasziniert darüber, was der Schlick unterhalb der Wasseroberfläche verbirgt.
Dass sich die Hafenmeisterin und der Bremenports-Mann so intensiv damit befassen, hat einen Grund: Das erste Mal seit Jahrzehnten wurde der Vegesacker Museumshafen umfassend ausgebaggert. Dafür waren sind die Mitarbeiter der belgischen Unternehmensgruppe Jan De Nul mit ihrem sogenannten Schneidkopf-Saugbagger angerückt. „Im Englischen spricht man einfach von ,cutter’“, sagt Tarras. Dass die Belgier im Bremer Norden aktiv sind, hat einen Grund: Bremenports hat mit ihnen einen Vertrag – die De Nul-Gruppe gehöre zu den vier größten Unternehmen im Bereich der Nassbaggerei weltweit, erläutert Tarras.
Sein Unternehmen wiederum, das bis in die 1990er-Jahre Teil des bremischen Hafenamtes war, ist ebenfalls nur Auftragnehmer. Denn der Vegesacker Hafen gehört als Museums- beziehungsweise Sport- und Freizeithafen zum sogenannten Sondervermögen der Stadtgemeinde Bremen und wird deshalb von der Wirtschaftsförderung Bremen (WfB) verwaltet. Rund drei Millionen Euro kostet das Projekt.
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Doch alleine braucht Bremen es nicht zu stemmen. „1,8 Millionen Euro davon werden finanziert aus Mitteln zur Förderung von Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Diesen Betrag teilen sich der Bund und das Land Bremen“, sagt WfB-Sprecherin Andrea Bischoff. Die restlichen 1,2 Millionen Euro entnimmt die Stadtgemeinde ihrem Sondervermögen Gewerbeflächen.
Für das Geld hat der Hafen eine sogenannte eine Grundräumung verpasst bekommen, um die ursprüngliche Wassertiefe von sechs Metern unter Meeresniveau (NN) wieder herzustellen – die Nautiker sprechen von Seekartennull. Damit war es bis zur Ausbaggerung nicht mehr allzu weit her. Leichsenring und Tarras erklären, dass die Tiefe teilweise nur noch bei 30 Zentimetern unter Seekartennull lag. Als besonders neuralgische Punkte bezeichnet Leichsenring die gesamte Hafeneinfahrt und den gesamten Kopfbereich. Durch die Gezeiten hätten sich dort die von der Weser mitgebrachten Sedimente abgelagert. Die Folge: Vor allem bei Niedrigwasser waren bislang weder die Ein- noch die Ausfahrt in den Hafen möglich gewesen.
Für zehn Jahre Ruhe
Tarras schätzt, dass es diese oder ähnliche Probleme in den kommenden zehn Jahren nicht mehr geben werde. „Wir haben auf die gesamte Hafenfläche gesehen durchschnittlich drei Meter herausgenommen“, sagt der Fachmann von Bremenports. Dies seien rund 30.000 Kubikmeter Schlick und Co. Nur am Hafenkopf sei nicht so intensiv gebaggert worden, weil sich dort der Unrat sammele. Dafür verspricht Tarras: „Alle Liegeplätze werden auf Tiefe sein.“ Anders ausgedrückt: Die Anlegepontons setzen bei Niedrigwasser nicht mehr auf dem Hafengrund auf.
Was die belgischen Spezialisten vom Grund des Museumshafens geholt hatten, wurde nicht etwa zur Nordsee gefahren, um es dort wieder ins Meer zu spülen. Weil der Schlick zahlreiche Giftstoffe enthält, wurde dieser zuerst mit Schuten zur Deponie nach Bremen-Seehausen geschippert. Dort wird der Schlick später fachgerecht entsorgt.
Vorarbeiten notwendig
Bevor der Schneidkopf-Saugbagger ans Werk gehen kann, sind jedoch diverse Vorarbeiten notwendig. Dazu gehört das Vermessen des Hafens. Dies geschieht heute vollelektronisch mit Spezialschiffen. Zum Vermessen gehört auch, die Standfestigkeit der Spundwände zu überprüfen. Sie seien nicht nur auf der Landseite verankert, sondern die Standfestigkeit werde auch durch den Wasserdruck gewährleistet, erklärt Tarras. Das heißt, dass sich die Arbeiter an die vorgegebene Tiefe von sechs Metern NN halten müssen.
Vor dem eigentlichen Vermessen mussten sich die Fachleute durch die vorhandenen Unterlagen zu wühlen. Dies habe sich als schwieriger erwiesen als gedacht. Einiges sei bei der Umwandlung des einstigen Hafenamtes in Bremenports verloren gegangen. Auch die Digitalisierung hat es den Fachleuten allem Anschein nicht unbedingt leichter gemacht. Am Ende sei aber alles glattgegangen, ist Tarras zufrieden.
Schiffe und Boote kehren zurück
Auch Hafenmeisterin Leichsenring ist froh, dass jetzt die Normalität wieder in den Hafen zurückkehrt. Noch muss sie Gäste wegen der Arbeiten ablehnen und sie auf andere Sporthäfen an der Weser vertrösten – „aber immer mit der Aussicht, dass alles besser wird“, sagt sie lachend. Auf die Rückkehr freuen auch die Skipper der Vegesacker Schiffe, die zurzeit noch auf den Neustädter Hafen beziehungsweise das Lankenauer Höft, den Grohner Sporthafen oder den Europahafen verteilt sind.
Rolf Noll, Vorsitzender des Vereins Kutter- und Museumshaven Vegesack, der unter anderem die Interessen der Schiffs- und Bootseigner gegenüber der WfB vertritt, ist ebenfalls glücklich, dass die Baggerarbeiten beendet sind. Deshalb soll es am 28. August ein „Baggerfest“ als Dankeschön geben.
Doch bevor alle Schiffe in den Hafen zurückkehren können, müssen die Fachleute mit ihren Geräten noch einmal ans Werk. Sie messen nach, ob die Arbeiten ausgeführt wurden wie geplant. Besonders penibel kontrollieren sie die Spundwände: Stehen diese noch fest im Boden? Dabei zählen Millimeter.
Baggerfest Ende August
Der Verein Kutter- und Museumshaven Vegesack lädt für Sonnabend, 28. August, ab 10.30 Uhr zum „Baggerfest“ ein. Als Ehrengast ist Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt angekündigt. Im kommenden Jahr feiern die Vegesacker den 400. Geburtstag des Hafens, der von 1622 bis 1623 von niederländischen Spezialisten angelegt wurde. Die Geschichte des Vegesacker Hafens ist hier beschrieben. Und wie sich die Planer die Zukunft des Hafens in den 1930er-Jahren vorstellten, ist hier nachzulesen.