Corona und Theater: Hygienekonzept und Improvisation machen es möglich
Hohe Corona-Inzidenzen lähmten das öffentliche Leben. Die Theatergruppe des TSV Süstedt hat trotzdem den Schritt auf die Bühne gewagt.
Von Andree Wächter
Können die Laienschauspieler der Theatergruppe des TSV Süstedt (Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen) die neun geplanten Auftritte vom Dreiakter „Champagner to´n Fröhstück“ von Michael Wempner auch über die Bühne bringen? Um es vorwegzunehmen: Ja, sie konnten – trotz Corona. „Das war gut, dass wir uns getraut haben mit den Widrigkeiten diese Saison zu spielen“, sagt Regisseur Sven Böhm.
Doch bis zum finalen Applaus am 13. März mussten einige Corona-Hürden übersprungen und improvisiert werden. Los ging es schon am Eingang. Zusätzliche Ordner kontrollierten, ob alle Zuschauer auch die 2G-Plus-Regeln erfüllten. Dann mussten sie sich per Luca-App einchecken. „Einige Gäste haben die Ordner manuell erfassen müssen, weil sie die App nicht hatten“, sagt TSV-Vorsitzender Oliver Stellmann.
Das ganze Procedere verlangsamte den Einlass, so dass einige länger als üblich draußen warten mussten. Im Gasthaus Mügge, dem Veranstaltungsort, herrschte dazu FFP2-Maskenpflicht.
Theater unter Corona: Dankbare Leute
„Die Leute waren dankbar, dass es stattfinden konnte“, resümierte Stellmann. Und weiter: „Es gab viele positive Rückmeldungen.“ Dies war Balsam auf die Seelen der Schauspieler. Immerhin investierten sie viele Zeit, um Männern und Frauen ein paar vergnügliche Stunden zu bieten.
Neben der ausgefallenen Premieren-After-Show-Party mussten sich die Besucher auf eine weitere Neuerung einstellen. Sie saßen in Gruppen an Tischen statt in Reihen. Diese Maßnahme gehörte zum Hygienekonzept. Die meisten Theaterbesucher würden eh in Kleingruppen kommen, weiß Stellmann. Auch hatten die Verantwortlichen die maximale Besucherzahl reduziert, bei 160 war Schluss. „Die Leute sind vorsichtiger geworden“, resümierte der Vorsitzende schon vor der Premiere.
Sorgen hatten die Aktiven, dass weniger Zuschauer auch weniger Stimmung bedeutet. Aber diese Sorge erwies sich als unberechtigt. Stellmann: „Die Leute waren gut drauf.“ Das sieht auch Regisseur Sven Böhm so: „Es kamen schon Reservierungen für nächstes Jahr.“ Aussage eines Gastes: „1-A-Schauspielleistung und ein tolles Stück, wir kommen wieder.“
Verborgen blieb den Besucher das Improvisieren zwischen den Auftritten. Corona bedingt mussten Ordner und Schauspieler ersetzt werden. „Im Vorfeld hatte die Theatersparte alles gut organisiert und war vorbereitet“, lobte der Vereinschef.
Bei aller Freude über die neun Aufführungen, der erforderliche Mehraufwand und weniger Besucher spiegeln sich in der Vereinskasse wieder. „Wir haben es nicht aus wirtschaftlichen Gründen gemacht, sondern weil die Theatersparte es wollte“, fasst Oliver Stellmann die Saison 2022 zusammen. Vielleicht ist in diesem Falle die Währung „Glückliche Menschen“ und nicht der Euro.
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Das plattdeutsche Stück wurde unfreiwillig 1,5 Jahren lang geprobt. Geplant war die Aufführung bereits Anfang 2021. „Wir haben es immer weiter rausgezögert, doch irgendwann ging es nicht mehr, und wir haben die Reißleine gezogen“, sagt Regisseur Sven Böhm. Im September 2021 trafen sich die Schauspieler wieder.
Zu Beginn fehlte etwas der Flow. Was auch nicht verwunderlich war, da der seit rund 30 Jahren gültige Rhythmus gestört war. Ein Theaterjahr beginnt im September mit den ersten Proben. Diese dauern bis Anfang Dezember, gefolgt von der Weihnachtspause. Im Januar geht die heiße Phase los. Ende des Monats ist dann Premiere und gespielt wird bis März.
Entsprechend lange musste Lina Clausen auf ihre Premiere warten. Sie war der einzige Neuling in diesem Jahr. „Bis jetzt trat sie im Vorprogramm auf“, so Sven Böhm. In „Champagner to´n Fröhstück“ mimte sie Sophie Stratmann, die Tochter von Marie Stratmann (Marika Schrader). Bei den Proben im Herbst mussten laut Sven Böhm nicht immer alle Aktiven anwesend sein. Teilweise wurde szeneweise geübt. Meint: Ein bestimmter Ausschnitt wurde intensiv geprobt.
Theater-Accessoires bei Ebay gefunden
Texte lernen und Mimik sind das eine. Doch zu einer perfekten Aufführung gehören auch ein Szenenbild und Requisiten. Verantwortlich dafür war Spartenleiter Stephan Neddermann. Über Ebay und Social Media suchten sie Accessoires, denn ihre sonstigen Quellen, die Flohmärkte, fanden fast alle nicht statt.
Und in diesem Stück wird sehr viel Deko benötigt. Die beiden Hauptdarsteller ziehen in eine fast leere Wohnung. Begrenzt wird die Bühne durch mobile Wände. „Die sind variabel“, sagt er. Bevor es zum Bau der hölzernen Wände kommt, fertigt eine Kollegin eine Zeichnung von der Bühne an und stellt dar, wie das Bühnenbild aussehen könnte.
Mit Gasthaus Mügge sprachen sie Tage ab, an denen gebaut werden konnte. Oft waren es Samstagnachmittage oder Sonntage, wenn keine Kunden durch das Bohren und Schrauben gestört wurden. Zeitgleich schauten Techniker, wo Licht gebraucht wurde. Viele Gewerke kamen dann zusammen, berichtet Neddermann.
Für die Aufführung von „Champagner to´n Fröhstück“ wurde beispielsweise eine Fototapete gebraucht. „Welchen Ausschnitt brauchen wir?“, stellte sich die Frage. Der Besucher solle auch immer mit der Illusion mitgehen, als sei die Bühne eine Wohnung, kreiert Neddermann exemplarisch das Bild. Die Türdrücker, die Kleinigkeiten, das müsse stimmen und Wiedererkennung wecken.
Zum Inhalt
Es ist nie spät, um etwas Neues zu wagen. Aber mit über 70…? Zwei Rentner, die vom Charakter unterschiedlicher nicht sein könnten, sind durch ein gemeinsames Problem miteinander verbunden. Valentin Müller ist aus dem Seniorenheim geflüchtet. Bei einer Wohnungsbesichtigung trifft er auf Marie Stratmann. Sie will nicht länger bei ihrer Tochter wohnen. Auf Anraten des Hausverwalters Heiner Koslowski ziehen die beiden zusammen und gründen eine WG. Energischer Widerstand gegen diese Rentner-WG kommt von den beiden Kindern. Und das Einrichten der Wohnung mit Sperrmüll-Möbeln führt dazu, dass Valentin mit einem Fuß im Gefängnis steht. Natürlich gibt es nach vielen Wirrungen und Wendungen ein Happy End.