Ich will mein generisches Maskulinum
Gendern ist in aller Munde. Wirklich in aller? Ich glaube ja, die Diskussion um Sternchen, Doppelpunkte, weibliche und männliche Schreibweisen geht mindestens 90 Prozent der Bevölkerung – mit Verlaub gesagt – am Arsch vorbei. In meiner Sicht hat mich eine Frau bestärkt: Yasmine M’Barek. Sie hat Ende März aus ihrem Buch „Radikale Kompromisse“ gelesen. Darin benutzt sie das generische Maskulinum. Hurra!
Von Ulf Buschmann
Ich quäle mich, oder besser: Ich werde gequält. Und zwar immer dann, wenn ich in einem Text ein Sternchen oder Doppelpunkte finde. Oder wenn ich im Radio eine merkwürdig abgehackte Form unserer Sprache höre. Aus Ingenieuren wird Ingenieur*innen. Hä? Gendern heißt es. Es ist der Versuch, durch Sprache allen Geschlechtern gerecht zu werden. Eine nette Idee, die aus meiner Sicht kolossal in die Hose beziehungsweise jedes andere Kleidungsstück gegangen ist.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Nummer eins: Es ist eine akademische (Schein-) Debatte, mit der die meisten Menschen nichts anfangen können. Laut einer Umfrage von Infratest Dimap lehnen die meisten der Befragten die sogenannte gendergerechte Sprache, wie sie offiziell genannt wird, ab. Dieses Ergebnis bestätigt genau mein Empfinden. Wenn ich außerhalb meiner Medien- und Politikblase mit Menschen übers Gendern spreche, reichen die Reaktionen von Kopfschütteln über Vogel zeigen bis hin zu Aussagen wie „Die haben doch einen Vogel!“.
Aufhellende Gesichtszüge
Was habe ich mich da jüngst gefreut, als ich zu einer Lesung im Kulturzentrum Lagerhaus war. In der Reihe „Outlout“ war Yasmine M’Barek zu Gast. Die 23-Jährige führt mit ihrem Buch „Radikale Kompromisse“ seit Wochen die Bestseller-Listen an. Und sie schreibt darin: „Ich benutze das generische Maskulinum.“ Meine Gesichtszüge hellten sich merklich auf: Es gibt doch tatsächlich noch Menschen, die sich nicht über völlig Belangloses die Köpfe heiß reden. Das generische Maskulinum: Ein Traum!
Warum tun wir unserer Sprache das an, zu ändern was in Jahrhunderten gewachsen ist? Manch einer (Achtung, generisches Maskulinum!) argumentiert, dass sich Sprache im ständigen Wandel befindet. Worte, die wir noch vor 20 Jahren benutzten, gibt es heute nicht mehr. Auch Dialekte verschwinden. Auch die Form der Sprache ist eine ständige Evolution; siehe das Verschwinden des Mittelhochdeutschen.
Grober Klotz
Ich finde, das Gendern gehört nicht unbedingt dazu. Hier wird aus einem schönen, glatt geschliffenen Holz ein ziemlich grober Klotz. Deutsch mit Doppelpunkten und Sternchen liest sich schwer und spricht sich schwer. Genauso ist es übrigens mit dem großen I, das die taz schon vor Jahrzehnten einführte, dem Unterstrich und den anderen Formen, die sich irgendwelche Leute mal in ihrem Kämmerlein ausgedacht haben.
Dabei ist die Absicht hinter dem Gendern eine gute: zeigen, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt, sondern mehrere. Hä? Genau das: Was für Menschen gilt, die sich eben nicht nur als Frau oder als Mann fühlen, gilt fürs Tierreich seit Millionen von Jahren. Wie viele Facetten die „biologische Geschlechtsentwicklung und die Geschlechtsidentität“ hat, erklärt der Mediziner Olaf Hiort sehr anschaulich in einem Artikel von Ende Februar 2021. Aber deshalb gleich mit Sternchen um sich werfen, ist weit übers Ziel hinausgeschossen. Das generische Maskulinum tut es eben doch!
Genau darüber haben wir sehr intensiv in unserem Nord West Reportagen-Team diskutiert. Am Ende haben wir uns gegen das Gendern entschieden. Das Warum steht hier.
„Einmal durchgendern“
Wie seltsam die Blüten dessen sind, die das Gendern treibt, habe ich vor gut eineinhalb Jahren erlebt: Für einen Beitrag musste ich mir zahlreiche Zitate autorisieren lassen. Nachdem die gesetzte Frist längst überschritten war, ich aber gleichzeitig einen Redaktionsschluss im Nacken hatte, fragte ich in der Pressestelle nach. Die Antwort hat mich verblüfft und fassungslos gemacht: „Wir müssen das noch eben durchgendern.“ Dies verlange die behördliche Richtlinie in Bremen so.
Mein Gesprächspartner, der nun kein Journalist sondern einer dieser Verwaltungshengste war, den die Amtsleitung wohl notgedrungen auf diesen Posten gesetzt hatte, merkte, dass ich kurz vor der Explosion stand. Und das mir, der sich generell zu eigen gemacht hat, locker zu bleiben. Auf seine Frage „Ist das nicht richtig?“ erklärte ich ihm: Nein, dazu habe weder er noch seine Behörde das Recht. Vielmehr werde damit Artikel 5 des Grundgesetzes verletzt. Das saß! Innerhalb weniger Minuten hatte ich meine freigegebenen Zitate.
„Gendergaga“!?
Die zumindest kleine Breitseite gegen das Gendern dürfte sicherlich all die Menschen freuen, die sich irgendwie eher rechts von der Mitte verorten – Stichwort: „Genderwahnsinn“ oder „Gendergaga“. Aber mit Euch, liebe Mitmenschen, möchte ich bitte nichts zu tun haben. Von Euch mit Euren braunen Einsprengseln im Weltbild oder ganz brauner Gesinnung distanziere ich mich ausdrücklich.