Boote in Dreierreihen

Heute eine große Baustelle mit einem riesigen Loch, zwischendurch mal ein Einkaufszentrum und viele Jahrzehnte ein wichtiger Teil der Bremen-Vegesacker Fischereigesellschaft. Nicht zu vergessen die Lürssen-Werft. All dieses Vergessene wird in knapp 45 Minuten an einem echt passenden Ort noch einmal lebendig: Im Vegesacker Geschichtenhaus, das sich mit mehreren Filmen an der Langen Nacht der Museen in ganz Bremen beteiligt. „Hafenmelodie“ heißt einer der beiden Filme, die dort spätabends gezeigt werden – mit Hans-Heinrich Isenbart als Moderator, Friedrich Lürssen als Gast und viel Seemannsmusik.

Mediengeschichtlich interessant ist diese Produktion, weil Radio Bremen damit versuchte, sein beliebtes „Hafenkonzert“ für das noch junge Medium Fernsehen zu adaptieren. Viel interessanter sind für mich als Vegesacker Jung’ die Ansichten vom Hafen und vom Utkiek anno 1963, dem Produktionsjahr von „Hafenmelodie“. Der Hafen mit den Loggern, alten Schleppern, Frachtern, diversen Schnellbooten, die bei Lürssen gebaut wurden, dem Havenhaus und dem „Grauen Esel“ lassen mich staunen und schmunzeln. Und dann diese Bier- und Korn-Seeligkeit.

Das kleinste Dock der Welt

Damals gab es noch regelmäßige Fangfahrten der Vegesacker Heringslogger, die Bremen-Vegesacker Fischereigesellschaft hatte gut zu tun. Davon zeugt zum Beispiel das kleinste Schwimmdock der Welt, in dem die Schiffe für die jeweils neue Fangsaison vorbereitet wurden. Und die vielen Schnellboote, die bei Lürssen gebaut worden waren. Nun liegen sie in Dreierreihen im Vegesacker Hafen. Das alles ist überhaupt kein Vergleich mit heute, da der Hafen einer für historische Schiffe und Sportboote ist.

Einige Erinnerungen sind mir aus meiner Kindheit noch präsent. Doch es sind nicht mehr allzu viel. Ich weiß noch, dass das heutige Gleis 1 des Bahnhofs Vegesack über die Straße bis zum Hafen und zur Fischerei-Gesellschaft durchlief. Und ich kann mich an die Reste der überdachten Plätze zum Trocknen der Treibnetze erinnern, wie sie einst auf den Loggern zum Einsatz kamen. Aber das war es denn auch schon.

Hafen mit Umschlag

Vor diesem Hintergrund sind die teilweise nur für wenige Sekunden zu sehenden Bilder von Schuten und Binnenschiffen interessant. Die Erklärung liefert Friedrich Lürssen, der übrigens der Vater einer der beiden jetzigen Werftchefs ist, von Friedrich Lürssen Junior: „Hier gibt es ja noch Umschlag.“ Vegesack als ganz gewöhnlicher Industriehafen – auch das ist aus heutiger Sicht schier unglaublich.

Und dann sind da die Totale von Utkiek und Havenhaus: Zwar fährt dort gerade kein Auto. Doch dass der Bereich, der heute zum Bummeln und Sitzen einlädt, einmal eine ganz gewöhnliche Autostraße war, ist doch schon zu sehen. Es geht weiter zum „Grauen Esel“, der berühmten Gaststätte beziehungsweise dem einstigen Stall des Havenhauses. Beim Schauen denke ich bei mir: „Die Einrichtung! Das ist ja zum Schreien!“ Eben ganz im Stil der 1950er- frühen 1960er-Jahre – akkurat gedeckte Tische, große Gläser mit schlecht gezapftem Bier und natürlich dem Kurzen dabei. Die Besucher sind – natürlich – vornehmlich Männer. Bis zum Ende der Heringsloggerei in Vegesack 1969 versackte dort manch ein Vegesacker.

Tja, und dann ist diese Folge von „Hafenmeldodie“ auch schon wieder vorbei. Das Norddeutsche Blasorchester, das zu jeder „Hafenkonzert“-Folge dazugehörte, spielt zum Abschied auf dem URAG-Schlepper Insum. Der schippert rückwärts aus dem Hafen und gibt einen letzten Blick frei – auf das Vegesack von vor knapp 60 Jahren.